„Es ist wirklich inspirierend für uns zu sehen, dass es so ein großes Publikum für uns gibt und dass das letzte Album so eine großartige Aufnahme gefunden hat. Wir wollten das natürlich mit dem neuen Album übertreffen, und ich hoffe, dass wir über unsere bisherigen Grenzen gegangen und die Songs noch größer und besser geworden sind.“ Dieser Satz könnte von jeder Band stammen, besonders von einer einigermaßen erfolgreichen Band, die gerade ihr drittes Album promotet, also dann, wenn die Angst vor dem Absturz besonders groß ist. Aber der Satz stammt aus einem aktuellen Interview mit Russel Mael, dem Sänger der Sparks, die er mit seinem Bruder Ron 1971 gründete und die seither so verlässlich wie einzigartig an ihre Songs herangehen. In der Frühphase der Karriere fiel dabei mit „This Town Ain’t Big Enough for Both of Us“ ein Welthit ab, der zum Radioklassiker wurde und sicher noch immer rund um den Erdball gespielt wird.
Unabhängig von den Hitparaden schufen sie ein Popuniversum, in dem immer der Song im Mittelpunkt stand, aber auch sonst alles möglich war. Sie gelten als die Erfinder des Sythie-Pops und die Pet Shop Boys, Yazoo und all die Nachfolger sind ohne sie wirklich schwer denkbar. Was sie in ihrer langen Karriere immer auszeichnete, war, dass Ausruhen oder das Melken einer Erfolgsformel nie auf dem Programm standen. Dazu passt dann auch das folgende Manifest von Russel Mael: „Es ist manchmal erschreckend zu sehen, mit wie wenig Anstrengung und Inspiration Künstler davonkommen, und die Akzeptanz dieses Zustandes ist einfach falsch. Demand more of your artist! Niemand findet heraus, was man alles im Pop machen und wohin man überall gehen kann, deshalb glauben wir auch, dass wir noch immer vitale und vibrierende Musik machen und keine Hintergrundmusik oder Musik, die aus Schablonen besteht. Die Texte zählen bei uns und die Leute anerkennen, dass wir nicht mit Klischees arbeiten. Für uns ist das eine Notwendigkeit und wir werden dadurch immer wieder motiviert.“
Die Sparks sind ein Glücksfall und gleichzeitig ein Vorbild dafür, dass Neugier und das Vermeiden der Rückschau immer neue Schätze produzieren kann. In diesem Punkt sind sie wohl der Gegenentwurf zu verdienstvollen Museumsausstellungsstücken wie Kraftwerk, die sich seit Jahrzehnten auf die perfekte Reproduktion ihrer Großtaten beschränken. Und wer einen Beweis für die ewig sprudelnde Kreativität der Sparks braucht, der ist mit „Lawnmower“ vom neuen Album „A Steady Drip, Drip, Drip“ bestens bedient. Ein Song über die Beziehung des Helden zu seinem Rasenmäher, der in ein Arrangement zwischen dem Penguin Cafe Orchestra, Philip Glass und Spike Jones eingebettet ist, trotzdem als genialer Popsong schillert und gleichzeitig dorthin geht, wo noch kein Songwriter und keine Band waren. Die Grenzen der Toleranz werden dafür ziemlich direkt und ohne Brechungen angegangen: „Put your fucking iPhone down (and listen to me)“ fordert der Refrain in „iPhone“ und setzt damit einen Grenzstein zum fehlenden Respekt. „Please Don’t Fuck Up My World“ dagegen thematisiert die Sorge um den Zustand unseres Planeten, verbunden mit dem Aufruf an die nächsten Generationen, die Welt nicht zu zerstören.
Die schon länger angekündigte Dokumentation über die Sparks von Shaun of The Dead- und Baby Driver-Regisseur Edgar Wright hat noch keinen Titel, soll sich nun aber wirklich schon in Fertigstellung befinden. Der Kern des Films ist dabei ein 2018 in London aufgezeichnetes Konzert, um das die Geschichte der Band erzählt wird.
Bei all den Projekten und der anstehenden Tour verwundert auch die Antwort auf die Frage nach dem Rückzug der Sparks nicht mehr. „ Dieses Wort gibt es in unserem Wortschatz nicht.“ Halleluja!
A Steady Drip, Drip, Drip (BMG/Warner)