1867 wurde nicht nur die Angewandte gegründet, in diesem Jahr wurden auch das Dynamit und der Stahlbeton erfunden. In Österreich trat nebenbei noch die Dezemberverfassung in Kraft, worin die Grundrechte der Staatsbürger festgeschrieben sind. Diese Koinzidenzen betont Gerald Bast, der als Rektor der Universität gemeinsam mit Peter Weibel jenen Teil der Ausstellung kuratiert hat, der nach vorne blickt. Wie stellen sich die Zusammenhänge von Kunst, Gesellschaft und Bildung in den kommenden 30 Jahren dar? „Die Zukunft hat ja schon begonnen, neue Strömungen wirken bereits“, erklärt Bast, „und wir entsprechen dem auch mit interdisziplinären Studienangeboten.“ Social Design kann man an der Angewandten tatsächlich studieren, nach wie vor aber auch Malerei, Grafik, Mode oder Fotografie.
Vom Kunstgewerbe …
In der Ausstellung sind dem entsprechend 400 mehr oder weniger historische Objekte und Produkte zu sehen –Bilder von Lassnig und Kokoschka, Mode und Möbel aus den Sammlungen von Uni und Museum – von Thonet bis Vitra, quasi; Helmut Lang steht in einer Reihe mit spätimperialer Großbürgermode. Die Anfänge der Angewandten als Kunstgewerbeschule fallen in eine spannende Phase: Als die bürgerliche Mittelschicht immer größer und breiter wurde, wuchs das Marktpotenzial für Produkte, die zwar bereits in größeren Stückzahlen gefertigt wurden, aber auch einem ästhetischen Anspruch genügen sollten. Zwischen repräsentativem Luxus und funktionalem Handwerk entstand der Markt für das, was wir heute Design nennen. Nun sind wir wie selbstverständlich davon umgeben. (Wer es nicht glaubt, suche in seinem Umfeld ein Objekt, das nicht irgendwie gestaltet ist. Wer nicht grade in einem Schloss oder einem alten Bauernhaus sitzt, wird sich schwer tun.)
… zum Social Design
Nachdem Design zur Selbstverständlichkeit geworden ist, muss die akademische Ebene weiter denken: Designer beziehen soziale und nachhaltige Aspekte ein. Kunststudierende verleihen nicht mehr ihrem Genie Ausdruck, sondern arbeiten in engem Austausch mit der Gesellschaft – auch indem sie Beiträge für Ausstellungen gestalten, die nicht der Kunst – also dem ästhetischen Diskurs – sondern der Wissensvermittlung dienen und Verständnis ermöglichen. 2012 wurde erstmals das Studium „Social Design – Art as Urban Innovation“ angeboten. Künstlerische Prozesse sollen gezielt zur Bewältigung von Spannungen dienen, die nicht bloß durch soziale und kulturelle Unterschiede, sondern auch durch die Überalterung der Gesellschaft entstehen. Die komplexe Gemengelage wird sozusagen zur Farbpalette – solche Perspektiven werden heute an der Angewandten vermittelt, aber nicht in einer Meisterklasse, wie es lange üblich war im Kunstbereich. Die Universität gliedert sich in Institute und Abteilungen, darunter „Klassiker“ wie Architekturentwurf, Malerei, Werbung und Grafik oder Industrial Design. Daneben gibt es TransArts, Sprachkunst oder Art & Science. Bei letzterem geht es explizit um die Umsetzung wissenschaftlicher Inhalte. Ganz neu im Angebot ist auch ein Bachelorstudium für „Cross Disciplinary Strategies. Applied Studies in Art, Science, Philosophy and Global Challenges“ – ein Universalstudium für die digitale Zeit, oder was?
Vollständiger Artikel in der Printausgabe.
Ästhetik der Veränderung
15. Dezember 2017 – 15. April 2018
MAK, Stubenring 5, 1010 Wien