Franz Jägerstätter war ein aufrechter Mann. Der Bauer aus dem kleinen oberösterreichischen Ort St. Radegund gelangte bereits zu einer Zeit zu der Überzeugung, dass die Politik Hitlers geradewegs in die finstersten Abgründe führen würde, als (zu) viele seiner Landsleute dem „Führer“ noch bedingungslos zujubelten. Der tief gläubige Katholik blieb auch konsequent, als er seine Einberufung zur Wehrmacht erhielt, weil er den Dienst in einer Armee, die den Befehlen eines verbrecherischen Regimes gehorchte, nicht mit seinem Gewissen und seinem christlichen Glauben vereinbaren konnte. Auch nach seiner Verhaftung wegen Wehrdienstverweigerung im März 1943 hielt Jägerstätter an seinen Überzeugungen fest, obwohl er sich der Konsequenzen bewusst war. Er blieb auch aufrecht, als die Nationalsozialisten wegen „Wehrkraftzersetzung“ das Todesurteil über ihn verhängten, das am 9. August 1943 exekutiert wurde.
Terrence Malick widmet sich in A Hidden Life dem bemerkenswerten Leben dieses außergewöhnlichen Menschen. Malick, der große Solitär des US-amerikanischen Kinos, lässt dabei erwartungsgemäß gewohnte Biopic-Konventionen außen vor und vertraut auf jene stilistischen und dramaturgischen Elemente, die seine Regiearbeiten prägen und seine Position als ausgeprägten Auteur etabliert haben.
Bildmächtig setzt die Inszenierung jenen narrativen Fluss in Bewegung, der sich am ehesten als filmische Stream-of-consciousness-Technik bezeichnen lässt und damit jene intensive, suggestive Wirkung zu entfalten versteht, die typisch für Malicks Kino ist. Auch in A Hidden Life wird dabei wie in anderen seiner Filme die Tonspur so eingesetzt, dass häufig Dialoge und Monologe der Charaktere aus dem Off über die Bilder gelegt werden. Terrence Malicks eigenwillige narrative Strategien, die verstärkt mit Assoziationen arbeiten und sich stringenten Dramaturgien weitgehend verweigern, haben seinen Filmen auch die Kritik eingetragen, zeitweilig ein wenig zu sehr in Richtung Metaphysik und etwas aufgesetzter Symbolik abzudriften – Einwände, die zumindest bei Malicks Arbeiten Knight of Cups und Song to Song nicht ganz unberechtigt erscheinen. Doch bei A Hidden Life erweist sich sein Konzept als höchst stimmig und macht eindrucksvoll den inneren Kampf des Franz Jägerstätter deutlich, der gegen alle Widerstände und Anfeindungen nur seinem Gewissen folgte, obschon er wusste, dass er dafür schlussendlich den höchsten Preis würde zahlen müssen. Großartig agieren dabei auch die Darsteller Jägerstätters und seiner Frau Franziska, August Diehl und Valerie Pachner, die die Standhaftigkeit ihrer Charaktere in einer Zeit, in der Moral und Anständigkeit verloren zu sein schienen, mit unprätentiöser Eindringlichkeit zu vermitteln verstehen. A Hidden Life zählt – die Prognose darf man schon so früh wagen – zu den bemerkenswertesten Filmen des Kinojahrs 2020.
Ein verborgenes Leben / A Hidden Life
Drama, Deutschland/USA 2019 – Regie, Drehbuch: Terrence Malick
Mit: August Diehl, Valerie Pachner, Maria Simon, Tobias Moretti,
Karl Markovics, Bruno Ganz, Matthias Schoenaerts
Kinostart: 31. Jänner 2020