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Einsteiger, Aufsteiger und die Wiese vom Berg

Über das Leben als Geheimtipp könnte Bernhard Schnur mittlerweile einige Bücher verfassen. In den frühen 90ern war er als Frontmann der allseits beliebten Snakkerdu Densk fast so etwas wie ein großer Stern am kleinen Indiehimmel und die überlieferten CDs beweisen, welche Strahlkraft die Songs heute immer noch haben. Für die Qualität von Arbeiten wie „NEM“ oder „A Pepperlike Springtime“ spricht auch, dass sie nie in Second Hand Geschäften auftauchen, sondern von ihren Besitzern sorgsam gehütet werden. Snakkerdu Densk sind schon lange Geschichte, aber Bernhard Schnur machte weiter, anfangs als Soloentertainer und in den letzten beiden Jahren auch mit Band. Die großartige Mini-CD „Canzoni d’ Aprile“, die genau diesen Schritt hin zum Bandformat festhält, wurde im letzten Jahr völlig zu Unrecht ignoriert. Aber jetzt gibt es keine Entschuldigung mehr. Mit seinem dritten Album „Yol“ (plag dich nicht/ Hoanzl) zeigt Schnur, dass er in einer musikalischen Großwetterlage, die vor Epigonentum und Ideenarmut nur so strotzt, eine ureigene und persönliche Vision von Pop nicht nur denkt, sondern auch umsetzt. Wohin auch immer ihn seine Gedanken führen, es kommt immer ein unverwechselbarer Schnur-Song dabei heraus, egal ob gut dosierte Balkanelemente auftauchen, von den kleinen Wundern des Lebens erzählt wird oder der großen Melodie gehuldigt wird. Einer der absoluten Höhepunkte ist „Steam Engine One“, für diese Ballade würde Paul McCartney, wohl seine gesammelte Ordenssammlung eintauschen. Zärtlicher kann ein Popsong nicht sein.

Was macht man, wenn man schon 1996 mit „Spirit“ sein großes Alterswerk veröffentlicht hat, im stattlichen Alter von 79? Willie Nelson kennt darauf die Antwort: Weitermachen und seine Arbeit so gut als möglich erledigen. Auf „Heroes“ (Legacy/Sony) läuft er wieder zu großer Form auf, auch weil Produzent Buddy Cannon, der für manches akustische Verbrechen im Countrymainstream verantwortlich ist, sich zurück- nimmt. Nelson ist relaxt wie lange nicht mehr und wird von seinen Söhnen und alten Weggefährten wie Kris Kristofferson, Merle Haggard oder Ray Price unterstützt. Der absolute Überraschungsgast ist aber Snoop Dogg, der wohl auch die Rauchwaren des Meisters kennenlernen wollte, und der auf der großen Grashymne „Roll Me Up (And Smoke When I Die)“ einen kompetenten Duettpartner abgibt. Egal ob Nelson, für den das Prädikat Countrylegende viel zu kurz gegriffen wäre, einem Pearl Jam Song wie „Just Breathe“ neues Leben einhaucht oder in der Countryschatzkiste kramt, er verströmt diese universelle alterslose Coolheit, die schon fast an den Dalai Lama erinnert. Nur hat der nicht so gute Lieder.

Im Jahre 1985 veröffentlichten die Dexys Midnight Runners mit „Don’t Stand Me Down“ ihr letztes Album. Das Album war von Sänger und Songwriter Kevin Rowland als Allzeitklassiker geplant und sollte länger in den Charts bleiben als „Dark Side Of The Moon“. Natürlich floppte die Platte und wurde erst viel später als das große Werk erkannt, das es immer schon war. So blieb „Come On Eileen“ der einzig große Hit, der das finanzielle Überleben seines Schöpfers sicherte. Nach siebenundzwanzig Jahren und zwei denkwürdigen, aber völlig erfolglosen Soloalben reaktiviert nun Rowland den Namen Dexys und kommt mit „One Day I’m Going To Soar“ (Buback/Hoanzl) aus der Versenkung zurück. Die Jahre haben im Gesicht Spuren hinterlassen, und er ist nicht mehr der große Liebende, der alles wegsteckt. Der gereifte Rowland kennt seine Limits („Incapable Of Love“) und sieht den einen oder anderen der vielen Fehler ein. Was ihn aber mit seiner Vergangenheit verbindet ist das maßlose Gefühl mit dem er aus der Ecke der Verstoßenen nach Gefühl und Liebe Ausschau hält und natürlich die große Stimme, die so ungehemmt leiden kann („Nowhere Is Home“), wie man es sonst nur bei den großen Soulsängern hört. Das ist mehr als ein Comeback in Würde, das ist ein Wiederhören mit Freude.

| FAQ 18 | | Text: Günther Bus Schweiger
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