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Electric Aliens

Text: Koroschetz Stefan | Fotos: David Black
© David Black

Lässt man den orchestralen Soundtrack zu Tron:Legacy (2009) beiseite, war es in den letzten Jahren ruhig um das 1993 gegründete Projekt Daft Punk geworden. Seit ein paar Monaten wird klar, warum. Da begann nämlich die aktuell beispiellose Promotion für Random Access Memory (RAM), eine klassische Old School-Kampagne mit fünfzehn Sekunden langen Werbeclips bei Saturday Night Live, einem Trailer auf dem Coachella-Festival, riesigen Plakatwänden, Sujets in Printmagazinen und und und. Eine richtig fette, analoge Promotion also, wie sie vor der allumfassenden Digitalisierung gang und gäbe war. Schon eher in der Gegenwart angekommen sind da die Making-of-Dokufilme mit an der Produktion Beteiligten, die seit einiger Zeit im Netz kursieren. Es folgte ein geheimnisvoller Auftritt der Mensch-Maschinen beim Formel1 Grand Prix in Monaco, und die Krönung dieser alle Marketingregister ziehenden Promotion war die Release-Party für RAM in der australischen Kleinstadt Wee Waa. Hunderte Fans – vorzugsweise behelmt – traten den Weg ins karge Outback an. Ob Daft Punk tatsächlich anwesend waren ist nicht bekannt. Die sonst übliche Tour zur neuen Platte fällt diesmal in Wasser, Videos, für deren Originalität Daft Punk geliebt werden, sind auch nicht geplant.

Es herrscht Helmpflicht

Apropos Helme: Zur Zeit ihres Durchbruchs über den Clubkontext hinaus mit dem Filter-House von Homework (1997) trugen die zwei noch Hundemasken, die sie später gegen robotoide Outfits tauschten, die aktuelle Hochglanz-Panier kommt von Yves St. Laurent und Hedi Slimane. Im elektronischen Briefkasten des Daft Club geht es dieser Tage hoch her. Fans wollen wissen wie man ein Daft Punk-Cape möglichst echt modelliert, und Bauanleitungen für die Helme – Gold mit schwarzem Visier, oder silbern mit schmalem LED-Anzeigen-Schlitz – sind der Renner. Hunderte Fans posten ihre mehr oder minder gelungenen Selfmade-Helme, die Originale sind selbstredend patentiert. Das Verbergen der Gesichter ist ein genialer Teil des Bandkonzepts, bringt es den beiden doch gleich mehrere Vorteile. Erstens schaffen sie damit geheimnisvolle Figuren, die die Phantasie der Fans anregen, zweitens können sie sich bei lästigen Terminen problemlos vertreten lassen, und drittens erlaubt es den Megastars ein anonymes Schlurfen durch den Alltag. Auf die Spitze getrieben könnten sie – geeignete Doubles vorausgesetzt – sogar ihre eigenen Konzerte besuchen. Abgesehen davon handelt es sich bei den Robotern um eine Art Manifest, das besagt, dass es dem Menschen hinter dem Künstler an künstlerischer Bedeutung mangelt. Der Sound von Daft Punk kommt nicht vom Genie, sondern aus der Maschine, ist nur mit Maschinen möglich, weil Maschinen mehr sind als nur Werkzeuge und auch Menschen als Vocoderstimmen oder Maschinenbediener erst ganz zu sich kommen.

Daft Punk für Alle

Und mit eben diesen Maschinensounds ist es Daft Punk auf ihren vor RAM erst drei regulären Studioalben in fast zwanzig Jahren (nach Homework noch Discovery, 2001 und Human After All, 2009) immer wieder gelungen, unterschiedlichste Hörerschichten zu erreichen: Der Fetzer für die Kracherdisco und das Hitradio wurde genauso produziert wie die gefällige Elektro-Ballade und der durchgeknallte Remix auf der Flipside für die anspruchsvollen Feinspitze. Dieses Gießkannenprinzip kommt bei RAM wieder zur Anwendung, wenn auch unter anderen Vorzeichen. Als Vorabsingle wurde „Get Lucky“ mit Gastsänger Pharrell Williams ausgekoppelt, das laut dem Streaming-Dienst Spotify binnen kürzester Zeit alle Rekorde gebrochen hat, und sich derweil an der Spitze der Charts unzähliger Länder findet. Hunderte Coverversionen des Stücks soll es schon geben, sogar als Reggae und als Indie-Folksong. Dabei ist „Get Lucky“ bei weitem nicht der beste Song von RAM, eher ein risikoloses, gefälliges Aufwärmen, das den Disco-Funk von Chic und den Gesang der Bee Gees verbindet. Das oft wiederholte „We’re Up All Night To Get Lucky“ kann auch nerven, Ö3-Powerrotation ist nicht auszuschließen. Womit wir jetzt aber bei der Konzeption dieses Blockbusters angekommen wären. Die Elektrolurche haben dem Sampler und der digitalen Produktion eine radikale Absage erteilt, dafür aber jede Menge Gäste und deren spezielles Know How zugekauft. „Give Life Back To Music“ heißt der erste Song, der zugleich das Ziel der Anstrengungen auf den Punkt bringt. Die minimalen Ungenauigkeiten und Nuancen der analogen Produktion und der Einsatz von „richtigen“ Instrumenten sollen der Musik wieder Leben einpusten. …

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