Startseite » Elektrokoko in Barock

Elektrokoko in Barock

Text: Koroschetz Stefan | Fotos: Press
JSB © Klaus Pichler

Die bisherige Geschichte des Popfests Wien kann durchaus als Erfolgsgeschichte gelesen werden. Kontinuierlich steigende Besucherzahlen sprechen eine klare Sprache. Die Seebühne wurde, was Größe und Soundanlage betrifft, endlich an die Gegebenheiten angepasst, sodass bis 23 Uhr unter freiem Himmel ganz schön Krawums gemacht werden kann. Der einzige Unsicherheitsfaktor bleibt das Wetter, das aber nicht einmal die Wiener Stadtregierung markant beeinflussen kann. Angenehm sind die Besonderheiten eines Free-Festivals im öffentlichen Raum. Es gibt keine demütigenden Perlustrierungen oder unerwünscht tiefe Blicke in Gepäckstücke wie man sie von gewinnorientiert wirtschaftenden Festivals kennt (es könnte ja jemand wagen ein Stifterl Wein ins Festivalgelände zu schmuggeln!). So weit, so easy also.

Überangebot an Künstlern

Dank eines derweil unüberschaubaren Angebotes an österreichischen Musik-Acts, die dem Veranstalter ins Raster passen, ist auch ein Absinken der Qualität in absehbarer Zeit nicht zu befürchten. Laut Festivalleiter Christoph Möderndorfer sollen die Kuratorinnen und Kuratoren bisher immer das Problem gehabt haben, rund 100 gewünschte Acts (neben den 60 Gebuchten) nicht mehr im Line Up unterzubringen. Das Kuratoren-Duo besteht – auch das wird immer mehr zur Tradition – heuer wieder aus einem Frau/ Mann-Team: Ankathie Koi (bekannt vom Frauen-Duo Fijuka und als Solokünstlerin) sowie der Musikjournalist Gerhard Stöger („Falter“, „WienPop“) konnten mit ihrer Expertise für den diesjährigen Durchgang gewonnen werden. Herausgekommen ist dabei ein ansprechender Mix aus diversen Szenen. Werden Johann Sebastian Bass, Voodoo Jürgens und die White Miles jemals wieder beim selben Festival auftreten? Wohl kaum. Anderseits ist das bei den Kraut-und-Rüben-Genremixes in der Festivalkultur auch nicht ganz auszuschließen.

Drei uneheliche Söhne

Es verwundert, dass die drei extrem langlebigen unehelichen Söhne von Johann Sebastian Bach, die sich zusammen Johann Sebastian Bass (JSB) nennen, erst im siebten Durchgang am Popfest aufgeigen. Das könnte aber daran liegen, dass sie 2015 bereits den Headliner beim Electric Spring-Festival im Wiener Museumsquartier machten. Gegründet hat sich das Historien-Groteske-Trio 2011, einem größeren Publikum wurde es spätestens mit seiner Teilnahme an der Song-Contest-Vorausscheidung 2015 bekannt. In Zusammenarbeit mit Wolfgang Schlögl alias I-Wolf schickte das Trio den knackigen Track „Absolutio“ ins Rennen, der sich nicht an die Spitze setzen konnte. Im nachhinein lässt sich leichtfertig sagen, dass JSB mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht schlechter abgeschnitten hätten als die glücklosen „Zero Points“ The Makemakes. Ihren Sound bezeichnen JSB treffend als Elektrokoko, was konkret nichts anderes heißt, als funky elektronische Tanzmusik auf der Höhe der Zeit mit Tupfern barocker Musik. Ein weiteres Merkmal des Trios ist der Einsatz der Talkbox, wobei mit dem Synthesizer durch diese gespielt wird und Worte dadurch verfremdet werden. Passend zur gewagten Verkleidung mit prunkvollen Barockkostümen, Rokoko-Perücken und gepuderten Gesichtern werden die Brüder Johann Davidus, Johann Martinus und Johann Domenicus Bass den krönenden Abschluss des Festivals in der barocken Karlskirche machen. Dabei soll das ganz große Besteck mit Orchesterbegleitung und Operngesang ausgepackt werden. Das Stück „Voodoo“ aus ihren Album Sugar Suite (2014) wird dabei ein Fixstarter sein …

Vollständiger Artikel in der Printausgabe. 

Popfest Wien 2016

28. bis 31. Juli 2016, Karlsplatz

 

| FAQ 38 | | Text: Koroschetz Stefan | Fotos: Press
Share