Wenn man im jahr 2023 über junge, mehr als talentierte Musiker und Musikerinnen berichtet, ist man oft versucht, Vokabel wie Projekt, Soundbastler, Laptop Artist, Heimstudio, TikTok oder Eigenbrötler zu verwenden. Denn auf diese Weise werden heutzutage einfach viele relevante Alben, Sounds und Tracks produziert. Nicht wenige ersetzen die Legosteine der Kindheit durch den Laptop und ein kleines Heimstudio – und legen los. Aber auch 2023 geht es noch vollkommen anders.
Und damit wären wir bei Early James und seinen Wurzeln im tiefsten Alabama, dem Bundesstaat im Süden der USA, in dem noch immer in weiten Teilen Rednecks den Ton angeben und in dem Rassismus großgeschrieben wird. Er wuchs mit den Countryhelden seiner Großeltern und John Mayer, dem Idol seiner Schwester, auf und entschied früh, nicht aufs College zu gehen. Er fand heraus, dass er von einem Verkaufsjob bei irgendeiner Kette leben konnte, solange er Gigs spielen konnte. In der näheren Umgebung gab es aber nicht viele Bühnen, die auf Early warteten, und so zog er zu seiner Schwester nach Birmingham im gleichen Bundesstaat. Er fand dort seine Band The Latest und arbeitete ohne jeden Druck an seiner Kunst, seinen Zweifeln und seiner Art, ein Publikum für sich zu gewinnen. Er ignorierte alle Ratschläge, es doch allein in Nashville zu versuchen und blieb in der 200.000-Einwohner-Stadt im Norden von Alabama. Eines Abends kam Nashville nämlich zu ihm. Dan Auerbach, Mastermind der Black Keys und Betreiber des geschmackssicheren Labels Easy Eye Sound in Nashville, sah ihn bei einem Auftritt, war von den Songs begeistert, bot ihm sofort an, eine Platte zu produzieren und diese auf seinem Label herauszubringen. „Singing For My Supper“ wurde kein Hit im klassischen Sinn, aber das Debüt wurde wahrgenommen und erschloss James fast unbegrenzte Auftrittsmöglichkeiten, die er mit dem ihm eigenen Arbeitsethos nutzte. Als sein Name langsam bekannt wurde, kam der Lockdown und aus dem Reiter der endlosen Highways wurde ein Stubenhocker; ein Stubenhocker, der aber wusste, dass er auf dem richtigen Weg war. Im Gegensatz zu vielen Kollegen hatte er während dieser Zeit keine Schreibblockade, und so entstanden die Songs von „Strange Time To Be Alive“, einem Titel, der so nahe liegt, der aber doch nur Early James eingefallen ist. Die Arrangements sind reduzierter und leiser, wodurch er seine Stimme besser in den Vordergrund stellen und die Alltagsdramen zwischen Abgrund und Weiterleben in grandioser Manier zelebrieren kann. Early James nutzt alle Möglichkeiten zwischen elektrischem Blues, akustischem Blues und Countrysoul, aber was ihn auszeichnet, fasste Dan Auerbach zusammen: „Er ist anders als alle, mit denen ich gearbeitet habe. Er schreibt keine Songs, um Allgemeingültiges zu schaffen, er schreibt für sich selbst.“
Early James – 13.5., Chelsea Wien
Lerchenfeldergürtelbögen 29–32, 20.00 Uhr
Early James: „Strange Time To Be Alive“
(Easy Eye Records)