Wenn man einmal Radfahren kann, verlernt man es nicht wieder. Erwünschte und unerwünschte Nebenwirkungen inklusive – wie zum Beispiel das Sammeln des fahrbaren Untersatzes. Die erste Ausstellung seiner Räder im Wiener Museumsquartier hat Michael Embacher, Architekt und leidenschaftlicher Sammler von Rädern, selbst initiiert sowie auch den Großteil der Kosten dafür übernommen. „Ich wollte ein Zeichen setzen“, sagt er und fügt hinzu: „Es war ein Versuch, die Leute aufs Rad zu bringen – über den Umweg, dass ein Rad auch schön sein kann.“ Das Interesse war groß: 12.000 Besucher zählte man in drei Wochen. Es folgte die Publikation „Smart Move“ (2007), die er selbst gestaltet und im Eigenverlag herausgegeben hat. Der Folgeband „Cyclepedia“ (2011), der zuerst beim englischen Verlag Thames & Hudson erschien, liegt mittlerweile in mehreren Sprachen vor. Das Besondere an der Sammlung des Architekten ist wohl ihre große Bandbreite. Andere konzentrieren sich einzig auf eine bestimmte Art Fahrrad (etwa das Rennrad) oder Marke (Colnago, Puch und andere mehr). Nicht so Embacher. Seine Auswahl funktioniere subjektiv und nach Kriterien, die er kaum benennen könne, erzählt er. Anfangs habe er sich auch gar nicht so recht im Metier ausgekannt, sich nicht groß informiert und nach Maßstäben wie „gefällt“ oder „speziell“ gekauft . Embacher gilt als atypischer Sammler: „Ich zangel nicht und ich benutze meine Räder.“
Während des Gesprächs wandert er langsam durch den Dachboden, in dem die Räder dicht gedrängt nebeneinander stehen, hält bei ausgewählten Stücken inne und erklärt ein spezielles Design oder eine absurde Erfindung, die sich nicht recht durchsetzen konnte. Vor allem die Irrungen in den Entwicklungen haben es ihm angetan, wie etwa ein seltenes Stück um 1952 ohne separate Bremshebel: „Da muss man während der Fahrt zum Bremsen die Enden des Lenkers zusammenzwicken. Man kann zwar Bremsen, aber währenddessen nicht mehr lenken …“ (Cyclepedia S 24: Garin) Im Buch ist darüber hinaus beschrieben, wie der kettenrauchende Radrennfahrer Maurice Garin sich bei Radrennen lieber mit einer Flasche Rotwein statt mit Wasser erfrischte. 1903 gewann Garin die erste Tour de France und hätte theoretisch auch den Sieg in der darauf folgenden davongetragen. Jedoch wurden ihm (und einigen anderen Teilnehmern) unehrenhafte Abkürzungen sowie die kraftsparende Benützung der Eisenbahn nachgewiesen …
Nach der Herausgabe von „Smart Move“ wollte Michael Embacher eigentlich mit dem Sammeln aufhören. Es hat sich anders ergeben, vor allem weil ihm danach die Räder – vom Prototypen bis zu exzentrischen Gangschaltungen – nur so zugeflogen seien. In der am 14. Juni startenden Ausstellung im MAK, „TOUR DU MONDE. Fahrradgeschichten“, werden über 50 Fahrrad-Ikonen des 20. und 21. Jahrhunderts aus seiner Sammlung präsentiert. Die Gestaltung sieht vor, die Räder von der Decke abzuhängen. Es soll eine „amorphe Wegführung sein, auch soll das Fahrrad in der Kurve liegen“, erzählt Thomas Geisler, Kustode der MAK-Sammlung Design. Apps und Bildschirme werden die ausgewählten Stücke, beispielsweise das Faltrad, in Aktion und unterschiedlichen Stadien zeigen, auch wird ein erweitertes Rahmenprogramm zur Ausstellung geboten. „Wir haben so etwas wie Hörinseln, kontemplativere Orte, wo man Auszüge von David Byrnes ,Bicycle Diaries‘, vom Autor gesprochen, anhören kann.“ Byrnes Buch lieferte auch den Aufhänger – die (geografischen) Fahrradgeschichten, die in unterschiedlichen Metropolen angesiedelt sind, werden anhand der Räder in der Ausstellung fortgeführt. Das Rad ins Museum zu bringen, werde den Menschen einen neuen Zugang eröffnen, einen anderen Stellenwert aufzeigen, hofft Embacher. „Es ist gut, wenn man die Menschen bei der eigenen Eitelkeit abholt, also jene, die sich gern mit dem Rad zeigen. So wird man die Leute erwischen und gleichzeitig hilft es der anderen Sache.“
Mit der anderen Sache ist die Bewegung und die Nutzung des Fahrrades als Mittel zum Zweck gemeint, was überdies noch Spaß mache, so der Sammler. Und der muss es wissen, immerhin ist er selbst Radler. Das Fahren in der Stadt soll künftig erleichtert werden – und das könne laut Gaffi, einer ehemaligen Fahrradbotin und seit 1988 im Rad-Bereich tätig (derzeit BikeCity, Wien), nur durch die Aufhebung der Radweg-Benützungspflicht erreicht werden. Sie selbst besitzt 22 Räder, wobei sie vier oder fünf in Rotationsnutzung fahre. Gaffis Assoziation zu Radwegen lautet: „Radweg bedeutet eigentlich Rad weg. Das Fahrrad ist ein Fahrzeug und ist demgemäß auf der Fahrbahn zuhause und damit ist nicht der Radweg gemeint.“ Das soll jedoch nicht heißen, sie sei gegen Radwege, keinesfalls. Klar sei, dass die Aufhebung der Pflicht die Radwege zu benutzen, eine Erleichterung der ohnehin überlasteten Radwege bringen würde. „Es braucht ein Miteinander von Auto und Rad. Wenn das Rad im Verkehr präsent ist, hat es eine andere, erhöhte Aufmerksamkeit“, so die Radlerin. Ob dies mit dem Fahrradpaket vom 31. März 2013 von Verkehrsministerin Doris Bures erreicht wird, wird man sehen. Eines vorweg: Es zeitigt keine generelle Aufhebung der vielzitierten Benutzerpflicht, sondern bietet den Gemeinden und Städten die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wo und wie viele Meter von der Benutzerpflicht ausgenommen werden. Ausgewiesen wird dies vermutlich durch neue Schilder: Eckig statt rund – das wird heißen, dass sich der gute, sichere (und je nach Verkehrssituation auch mutige) Radfahrer in den Fließverkehr begeben darf, ohne sich strafbar zu machen. Eine typisch österreichische entweder-und-oder Entscheidung, welche die Letztverantwortung auf andere abwälzt. Die Frage, warum man sich nicht zu einer generellen Aufhebung durchringen konnte, wird wohl kein Politiker ernsthaft beantworten können und wollen. Dazu nur soviel: Der Autofahrer würde die Konkurrenz im Verkehr wohl kaum goutieren. Welche Auswirkungen es haben wird, wenn es in Wien gelingt, den Radfahrer-Anteil anzuheben, bleibt fraglich. Dass sich die Radler gegenseitig an die Gurgel gehen, ist angesichts des überfüllten Wiener Ringradwegs nicht ganz auszuschließen. An heißen Tagen kann die Stimmung schon mal kippen, wenn es am Radweg noch enger wird und es generell aggressiver zugeht. „Das ist für jemand, der das Rad für den Arbeitsweg nutzt, weil er öffentlich oder mit dem Auto langsamer ist, frustrierend“, so Gaffi. Sie und Embacher plädieren für vernünftiges Fahrverhalten, um dem ohnehin etwas angeschlagenem Image der Radfahrer entgegenzuwirken. Die Contenance am Fahrrad zu verlieren, kann schon mal vorkommen – das bestätigt wohl jeder, der das Rad in Wien als permanentes Fortbewegungsmittel der Wahl nutzt. Beim Miteinander im Verkehr ist man noch nicht angekommen. „Der Wiener Autofahrer ist auf alle neidisch, die schneller sind als er. Und schneller als Autos ist man in der Stadt als Radler ja bekanntlich schnell …“, so Gaffi, die früher Bahn- und Straßenrennen fuhr (darunter auf einem LOTUS der Sammlung Embacher). …
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