Startseite » FAQ — Film

FAQ — Film

La Chimera — Der Junge und der Reiher— Next Goal Wins — Rickerl — The Holdovers — All of Us Strangers — Rapito

Rickerl (Filmladen)

Aus dem Weihnachts- und Jahresende-Trubel für gute zwei Stunden in die Toskana der achtziger Jahre entschwinden, Alice Rohrwachers neuer Film macht es möglich. Mit La Chimera erzählt die italienische Filmemacherin und Drehbuchautorin abermals eine dem Träumen und der Auflösung von Grenzen zwischen Damals, dem Leben im Moment und Morgen zugeneigte Geschichte abseits der Großstädte. Diesmal richtet sich ihr allegorischer, sanft magischer Blick auf einen liebenswerten und liebesbekümmerten Grabräuber: John, eigentlich Engländer, führt mit seinem über- und unterirdischen Spürsinn eine Gruppe „Tombaroli“ zu vergessenen etruskischen Gräbern, aus denen sie Gegenstände entnehmen, um diese zu verkaufen. Seinem persönlichen Glück ist dies derweil eher ein Hindernis.

La Chimera (Stadtkino)

Vollends ins Fantastische nimmt sein Publikum einer der ersten Kinofilme des neuen Kalenderjahres mit, Der Junge und der Reiher, das womöglich nun wirklich finale Animationsabenteuer des Studio-Ghibli-Gründers und Lebenswerk-Oscar-Preisträgers Miyazaki Hayao. Im autobiografisch gefärbten Kimitachi wa dô ikiru ka macht der zwölfjährige Mahito, der seine Mutter verloren hat, an seinem neuen Wohnort am Land Bekanntschaft mit einem Graureiher, der nur scheinbar ein Vogel ist – und überhaupt verschlägt es Mahito in eine Sphäre fernab der gesicherten Realität. In der vom Anime-Altmeister grandios belebten Welt der Zauberei und Wunderwesen, in der nicht alle Gefiederten Freunde sind, strebt der Junge nach etwas Bestimmtem, finden wird er jedoch etwas anderes.

Der Junge und der Reiher (Polyfilm)

Dass nichts unmöglich ist, beginnen die Kicker der Nationalmannschaft von Amerikanisch-Samoa zu bezweifeln – nach einer jahrelang anhaltenden Negativserie infolge einer Weltrekord-Niederlage gegen Australien gilt die Elf als quasi schlechteste des Planeten. Auftritt Thomas Rongen (Michael Fassbender): Eben als Coach eines US-Junioren-Teams gefeuert, übernimmt er das Traineramt auf der als US-Territorium geltenden Inselgruppe und soll endlich wenigstens für den Mindest-, sprich einen Tor-Erfolg sorgen. Taika Waititi, u. a. mit Jojo Rabbit (2019) in schrägem Humor erprobt, inszeniert diesen Stoff als vergnügliche Sportkomödie, in der Fassbender seine eher rar sichtbare komödiantische Ader zeigt, während der neuseeländische Regisseur sein Gespür für vermeintliche Randcharaktere, die Scheinwerferlicht verdienen, einmal mehr beweist.

Next Goal Wins (Disney)

Verlierer könnte man auch Erich „Rickerl“ Bohacek nennen, oder Hallodri, vielleicht schöner: Lebenskünstler. Sein Habitat sind die verqualmten Trinklokale der späten Wiener Abende, dort spielt er seine Lieder, findet Anklang, fühlt sich zuhause, bei Bier. Eine Karriere, die ihn aus der finanziellen Unzulänglichkeit hieven könnte, bekommt er hingegen weder in der Musik noch sonst wo zustande, schließlich beginnt die Uhr zu ticken: Sein chaotisches Dasein droht, ihn seinen geliebten Sohn Dominik zu kosten. Regisseur Adrian Goiginger kehrt thematisch teilweise zu seinem Debüt Die beste aller Welten zurück, in Rickerl steht aber die Perspektive des Elternteils, hier des Vaters, dessen unsteter Alltag dem Kind unzumutbar wird, im Fokus. Dank Voodoo Jürgens gelingt damit ein wahrhaftiger Wien-Film.

Rickerl (Filmladen)

Mit einem Hauptdarsteller eines frühen Erfolgs (Sideways, 2004) findet Alexander Payne erneut zusammen: In The Holdovers übernimmt Paul Giamatti die Rolle eines schrulligen und allseits unbeliebten Geschichtelehrers einer Boarding School in New England. Über die Winterferien beaufsichtigt er die „übriggebliebenen“ Zöglinge, die die freien Tage nicht bei ihrer Familie verbringen können; für den schlauen, vaterlosen Angus bedeutet das zunächst die Höchststrafe. Doch bald entwickelt sich aus der Zwangsgemeinschaft genuines Verständnis für den jeweils anderen, aus Widersachern werden Verbündete. Das ist zerbrechliches Wohlfühlkino, das Innere einer Siebziger-Jahre-Amerika-Schneekugel mit wie zufällig darin eingeschlossenen Figuren, die einander frische Lebensgeister einhauchen.

The Holdovers (Universal

Wie im Sturm Publikums-Herzen erobert hat Paul Mescal im sommerlichen Vater-Tochter-Drama Aftersun (2022, R: Charlotte Wells), jetzt weckt er in All of Us Strangers als Harry große Gefühle in Adam. Der wiederum ist Autor, gerade dabei, über seine verstorbenen Eltern zu schreiben – und scheint unverhofft in eine Zeit zurückzureisen, als diese noch lebten. Dinge, die nie besprochen werden konnten, es dringender denn je müssen, vermögen nachgeholt zu werden, weil Autorenfilmer Andrew Haigh in das von ihm so beständig wie anspruchsvoll angeeignete Genre der Romanze Geister der Vergangenheit einlädt.

All of Us Strangers (Disney)

Als ebenso langgedienten wie quicklebendigen Altmeister bezeichnen darf man Marco Bellocchio. Davon überzeugen lässt sich ab Mitte Jänner gleich mehrfach: Schon vor dem kurz danach folgenden Kinostart seines Historiendramas, gleichsam Religionskrimis Rapito, ist dem 84-jährigen Filmemacher gemeinsam mit Landsfrau Liliana Cavani (*1933) die erste Retrospektive 2024 im Österreichischen Filmmuseum gewidmet. So beginnt ein Jahr, wie das vorige endet, mit der Gewissheit: Italien braucht das Kino und das Kino braucht Italien, lange schon und weiterhin.

Die Bologna-Entführung – Geraubt im Namen des Papstes / Rapito (Filmladen)

La Chimera
Kinostart: 22. Dezember 2023

Der Junge und der Reiher
Kinostart: 4. Jänner 2024

Next Goal Wins
Kinostart: 4. Jänner 2024

Rickerl
Kinostart: 19. Jänner 2024

The Holdovers
Kinostart: 25. Jänner 2024

All of Us Strangers
Kinostart: 8. Februar 2024

Retrospektive – Österreichischen Filmmuseum
Liliana Cavani / Marco Bellocchio
ab 11. Jänner 2024

Die Bologna-Entführung – Geraubt im Namen des Papstes
Kinostart: tba. 2024

 

| FAQ 73 | | Text: Jakob Dibold
Share