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Fuzzman — Bill Ryder-Jones — Beirut — Nirvana — Culk — Isabelle Adjani

Bill Ryder-Jones © Marieke Macklon

Herwig Zamernik alias Fuzzman ist aus der Musiklandschaft nicht wegzudenken: So ist er Mitbetreiber des Lotterlabels, Eigner eines beliebtes Studios, Veranstalter, Schirmherr und Qualitätskontrolleur des immer populäreren Fuzzstock Festivals. Bei all diesen Funktionen vergisst man fast seine eigentliche Berufung als einmaliger Songwriter und Performer, der es schafft, zwischen beißender Kritik, Liebe zum Leben und viel Verständnis für fast jeden Blödsinn Lieder zu schreiben – und so zum König der Menschlichkeit zu werden. Nach „Hände weg von Allem“ und „Endlich Vernunft“ ist nun „Willkommen im Nichts“ erschienen, mit dem Fuzzman endgültig zum Weisen vom Berge wird. Die großen widerständigem Hymnen sind Vergangenheit, und in der Gegenwart geht es trotz aller Umstände um die Großartigkeit des Überlebens. Wenn er seine Rolle als Vater, dessen Söhne das Haus verlassen, in „Komm wir drehn noch eine Runde“ reflektiert, dann ist er der große Chronist der Gefühle – abseits von schmachtender Sehnsucht nach der Liebsten oder dem großen Abschiedsschmerz. Elvis Costello meinte einst, dass es in seinem Werk um die unzähligen Grautöne der Liebe geht. Im deutschen Sprachraum übernimmt der Fuzzman diese Aufgabe, großartig wie immer.

Fuzzman „Willkommen im Nichts“ (Lotterlabel)

Fünf Jahre hat es gedauert, bis Bill Ryder-Jones, früher Gitarrist bei The Coral, seinen neuen Songs eine Öffentlichkeit gibt. Das Vorgängeralbum „Yawn“, das er auch als „Yawny Yawn“ veröffentlichte, ließ die Kritiker jubeln und hob sein Ansehen als Singer-Songwriter in neue Höhen. Mit „Iechyd Da“   das Anfang Jänner erscheint, schließt Ryder-Jones dort an, wo er aufgehört hat – nur diesmal gibt er zu, dass ihn der Ehrgeiz gepackt hat. Der ewige Chronist der Melancholie, der Abschiede und der geistigen Wirrnisse wollte diesmal mehr Hoffnung vermitteln, obwohl er die letzten Jahre durchaus selbst mit sich zu kämpfen hatte. Aber der Beschluss, zu hoffen, gibt seinen Songs eine neue Dimension – und so traut er sich an Hymnen heran, die man sonst eher bei einer Band wie Spiritualized findet. „Iechyd Da“ steht im Walisischen für „gute Gesundheit“; seine Songs entfernten nicht nur ihren Schöpfer vom möglichen Absturz, sondern haben auch das Potenzial, dem Publikum jene Hoffnung zu geben, die das Leben erst möglich macht. Der Schlusswalzer gibt hier in aller Ruhe die neue Richtung vor: „How Beautiful I Am“.

Bill Ryder-Jones „Iechyd Da“ (Domino)

In einem ähnlichen Umfeld operiert Zach Condon, besser bekannt als Beirut. Seine musikalische Reise hat ihn schon zu Folk vom Balkan geführt, aber auch nach Frankreich oder Spanien. Er nahm seine Alben in Gallipoli auf, aber auch alleine in einer Holzhütte. Sein sechstes Album „Hadsel“ entwickelte er auf der norwegischen Insel Hadseløya in einer alten Holzkirche. In deren Innerem befindet sich eine Orgel, in deren Klang sich Condon sofort verliebte. Draußen genoss der Künstler den Anblick der schneebedeckten Berge und der Nordlichter, in der Kirche legte er seine Sorgen rund um seinen Nervenzusammenbruch, die Gefahr von Stimmverlust und die abgesagte Welttournee ab, verlor sich in der Welt der neuen Klänge. In fünf Koffern brachte Condon das nötige Equipment auf die Insel und schuf alleine, in aller Ruhe, einen Klangkosmos, der Grenzen sprengt, aber sich doch noch lose an Songstrukturen hält. Manchmal ist das elegisch, manchmal ist es hymnisch, aber jedes Lied strahlt die Akzeptanz des Daseins und die Schönheit der Umgebung (Condon ist bekennender Winterliebhaber) aus. Vielleicht wird „Hadsel“ einmal das Prädikat „Neue Kirchenmusik“ umgestülpt, in jedem Fall ist das Album aber ein neuer gelungener Haken im Leben eines wahren Künstlers.

Beirut „Hadsel“ (Pompeii Reccords)

Auch fast 30 Jahre nach Kurt Cobains Tod haben Nirvana nichts von ihrer Magie eingebüßt. Zum 30. Geburtstag wird ihr drittes und letztes Album „In Utero“ neu aufgelegt – und bleibt ein absolutes Meisterwerk. Nachdem „Nevermind“ mit dem Überhit „Smells Like Teen Spirit“ die Welt erobert hatte, begaben sich Cobain, Grohl und Novoselic in die Hände von Steve Albini, der sich nach dem Ende von Big Black als Sound Engineer neu erfand. Er verstand den Sound von Nirvana und nahm diesen ohne Kompromisse auf. Seine Weigerung, als Produzent geführt zu werden, kostete den Soundpuristen ein finanziell sorgenfreies Leben, aber dass er und die Band den Wünschen der Plattenfirma widerstanden, hat sich ausgezahlt. So ist „In Utero“ mit Songs wie „Heart Shaped Box“, „Rape Me“ oder dem abschließenden „All Apologies“ ein musikalischer Aufschrei, der weit über das hinausgeht, was damals „Grunge“ genannt wurde. In einer Ausgabe dieser Edition werden erstmals zwei Konzerte veröffentlicht, die ebenfalls keinen Zweifel an der Ausnahmestellung dieser Band aufkommen lassen.

Nirvana „In Utero“ (Universal)

Kommen wir in die Gegen-wart und zu Culk, der Band rund um Texterin und Sängerin Sophie Löw. Auf ihrem dritten Album, „Generation Maximum“, erforschen die Endzwanziger mit ihren Songs weiter die große Unsicherheit, die Belastungen, die Kraftlosigkeit und die Verschwommenheit, denen ihre Generation entgegenblickt. Die Stilmittel dafür sind meist die demonstrative Langsamkeit, vor allem aber die Angst vor dem großen Statement und dem großen Refrain. Lamentieren und das Abbilden von Gefühlswelten in Songs ist das Wesen von Kunst, aber irgendwann schreien die Gesetze der Popmusik auch nach Abwechslung, Absturz, Ekstase oder Erlösung. Genau hier setzen Culk das große Fragezeichen, das den Hörer etwas in die Ratlosigkeit stürzt. Auf das große Album zum Thema Resilienz darf man gespannt sein.

Culk „Generation Maximum“ (Siluh)

Isabelle Adjani ist vor allem als einer der größten und meistbeschäftigten französischen Filmstars bekannt. Wie Jane Birkin oder Brigitte Bardot versuchte sie sich vor 30 Jahren auch als Sängerin, damals noch unter der Ägide von Serge Gainsbourg. Lange wurde am Nachfolger gearbeitet, und nun ist „ Adjani, Bande Originale“ tatsächlich erschienen. Das Album enthält dabei vor allem Duette, die sich an die alte Gainsbourg-Formel anlehnen: Adjani flüstert und haucht, Duettpart-ner wie Daniel Darc, Benjamin Biolay oder Youssou Ndour erwidern die Sehnsucht. Die Magie, die Gainsbourg einst entfachen konnte, geht diesen Aufnahmen, die auch an den etwas sehr naheliegenden Beats und Keyboardsounds leiden, aber leider vollkommen ab, sie werden der vielfältigen Adjani kaum gerecht.

Isabelle Adjani „Adjani, Bande Originale“ (Warner)

 

 

| FAQ 73 | | Text: Günther Bus Schweiger
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