Beginnen wir mit einem reifen Mann, der auf sein Werk zurückblickt und darüber nachdenkt, was er mit all den stilprägenden Sounds, Beats und Songs anfangen soll. Wir reden von Moby, der die Idee, seine Hits mit einem Sinfonieorchester einzuspielen auf „Reprise“ tatsächlich umgesetzt hat. Dass man sich mit so einem Vorhaben gewaltig in die Nesseln setzen kann, ist einem reflektierten Charakter wie ihm sicher bewusst. Wohl deswegen verpflichtete er Vokalisten aus allen Genres und Generationen. Das Aushängeschild des Jazz, Gregory Porter, hat genauso seinen Auftritt wie die Kanadierin Luna Li oder Mindy Jones. Den Vogel schießen natürlich die mehr als angejahrten und immer großartigen Stimmen von Mark Lanegan und Songwriting-Ikone Kris Kristofferson ab, die sich auf „The Lonely Night“ einem Duett hingeben, das an Altersweisheit nicht zu überbieten ist. Wenn die Gaststimmen nicht tragen, ist die Kitschfalle des Breitwandsounds nie ganz weit weg, aber Moby schafft es souverän, die gröbsten Fehler zu vermeiden. Nur in eine Falle tappt er mit Anlauf: Seiner Version von David Bowies „Heroes“ kann auch Mindy Jones die Langatmigkeit nicht nehmen.
„Death Of A Cheerleader“ ist der wenig optimistische Titel des Debütalbums von Pom Pom Squad, der Band der 21-jährigen Mia Berrin, die schon in ihrer Pubertät mit ihrer Band ihre Heimat Brooklyn unsicher gemacht hat. Sie studierte Musikproduktion am vom legendären Plattenmogul Clive Davies gegründeten „Institute For Recorded Music“. Man kann ihr wahrscheinlich auch deswegen kein mangelndes Geschichtsbewusstsein vorwerfen, denn die Sounds und Attitüden der Frauenbands der letzten Jahrzehnte dekliniert sie in ihren immer kurzen und nach vorn preschenden Songs im Schlaf herunter. Sie kennt Pioniere wie L7, die bei uns beinahe vergessenen Heldinnen von den Babes in Toyland, die frühe Linda Perry, als sie noch den 4 Non Blondes vorstand und natürlich die große Joan Jett, deren Cover des Sixties-Klassikers „Crimson and Clover“, sie als Vorbild für ihre Version nimmt. Diese Einflüsse kombiniert sie mit der Unschuld der jungen Punkerin, dem Selbstbewusstsein der Koproduzentin und dem Wissen um das eigene Talent. Und so wird „Death Of A Cheerleader“ nicht nur zur Talentprobe, sondern zur abwechslungsreichen Reise durch die Welt des Indierocks.
Und genau aus dieser Welt kommen Sleater-Kinney, deren Musik Mia Perrin wahrscheinlich schon mit der Muttermilch eingesogen hat. Seit 1994 bearbeiten Corin Tucker und Carrie Brownstein ihre Gitarren. Auf „Path Of Wellness“ vertrauen sie ganz altmodisch der Kraft des ruppigen Powerpops mit Punkhintergrund und schaffen es auf der ersten Veröffentlichung seit der Trennung von der großen Drummerin Janet Weiss, ein Universum zu kreieren, das zwar ein paar Anleihen bei Patti Smith nimmt, aber auch eine Menge schneller Hymnen enthält, die mit ihrer Vitalität und Spontanität viele Jungspunde sehr alt ausschauen lassen. Besonders hervorzuheben ist „Worry With You“ ein genauso lässig wie romantisch krachender Sommerhit, der er wohl leider nie werden mit. Sleater Kinney sind zurück und selten hat sich ein Comeback einer Band so ausgezahlt.
Kommen wir vom Konzertsaal in die Holzbaracke. Die Black Keys gingen nach ihrer letzten Stadiontour für zwei Tage in sich, um sich mit Songs ihrer Jugendhelden zu entschlacken, die fast alle irgendwann auf dem legendären Fat Possum Label veröffentlicht haben und dem Hill Country Blues huldigten. Vorbilder wie David Kimbrough Jr. spielten ihren Blues fast ihr ganzes Leben lang in Blechschuppen und zugigen Juke Joints und haben sich die späte Aufmerksamkeit von Enthusiasten wie Dan Auerbach mehr als verdient. An Klassikern wie „Louise“ von Fred McDowell gehen die Black Keys auch nicht vorbei, werfen ein paar Eigenkompositionen in den Topf und schaffen so das wohl simpelste Album eines Millionensellers aller Zeiten. Auch Stars dürfen ganz simple Fans sein und diese Liebe wird hier hemmungslos ausgelebt.
Vom Blues zum Synthiepop der Tents aus Wien ist es vielleicht ein großer Schritt, aber das Duo bedient sich auf ihrem zweiten Album „Limbo“ auch bei Sounds aus der Vergangenheit. Ihre Soundwelt wird von den Achtzigern und Bands wie Yazoo, den frühen Depeche Mode oder Soft Cell bestimmt – nicht die schlechtesten Blaupausen. Im Proberaum von Clemens Posch und Paul Stöttinger dürfte ein Schrein für Vince Clarke eingerichtet sein, der bei einigen der neun Songs um die Ecke schielt. Wenn das Duo nichts vom Zaun brechen will, sondern der Entspanntheit frönt, gelingen sogar wirklich überzeugende Songs wie z.B. „Cold Bliss“. Die Beschallungsverantwortlichen von Terrassen der einschlägigen Gastrounternehmen können hier definitiv zugreifen und den Einheitsbrei mit Songs der Tents auflockern. Die Gäste werden es danken.
Im letzten Jahrzehnt hat sich k.d. lang extrem rar gemacht. Die Kanadierin, die von Tony Bennett vollkommen zurecht als beste Sängerin ihrer Generation bezeichnet wurde, gönnte dem hungrigen Publikum ein paar Auftritte mit den Kolleginnen Laura Veirs und Neko Case um die gemeinsame Platte zu promoten und spielte ein paar Konzerte zum Jubiläum ihres Albums „Ingenue“. Ansonsten aber ließ sie ihre einzigartige Stimme bei sich zuhause und freute sich am Leben. Das sei einer Künstlerin von ihrem Rang vergönnt, umso überraschender war auf den ersten Blick die Veröffentlichung von „Makeover“. Dabei handelt es sich aber nicht um das lang erwartete neue Werk von k.d. lang, sondern um Remixes von Songs aus den Jahren 1992 bis 2000. Wie immer bei solchen Projekten, gibt es Teile, deren Sinn schwer zu entschlüsseln ist. Warum man den ohnehin für jeden Tanzboden geeigneten Kracher „Just Keep Movin“ aus dem Soundtrack zu „Even Cowgirls Get The Blues“ auf möglichst schlanke Beats reduzieren muss, erschließt sich schwer, vor allem weil man dem Song damit keinen Gefallen erweist. Beim Klassiker zum Thema Summerflirt, „Summerfling“, gelingt die Entschlackung und gibt dem Song eine Färbung, die bisher unbekannt war. Mit langs Stimme und ihren besten Songs kann wenig bis gar nichts schiefgehen und so wird „Makeover“ zum netten Begleiter, der es auch an kalten Herbsttagen schaffen wird Wärme zu fühlen.