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FAQ – MUSIC #67

Der Panda in der Sonne — Panda Bear & Sonic Boom, Dives, Panic! At The Disco, AlexG, Pete Astor und Steve Earl & The Dukes.

Panda Bear & Sonic Boom © Ian Witchell

Wer hätte jemals gedacht, dass der Name Sonic Boom jemals mit dem Wort Sonne assoziiert wird? Zumindest in seiner Zeit als wesentlicher Architekt des Sounds von Spaceman 3 sicher nicht, denn der drogendurchseuchte wunderbare Lärm dieser Band auf der Suche nach dem zweiten Akkord, aber immer mit einer Melodie um die Ecke, war eher in einem Kellerloch in Camden beheimatet als in der Nähe eines Lichtscheins. Nun lebt er wie der Soundbastler und Alleskönner Panda Bear in Portugal, und weil sich Musiker immer treffen, gibt es mit „Reset“ nun ein gemeinsam eingespieltes Album, das mehr als überrascht. Versatzstücke der Fünfziger und Sechziger wie das Riff des „Summertime Blues“ von Eddie Cochran oder die Bläsersätze von Dean-Martin-Hits werden ausgeborgt und daraus gutgelaunte Songs geformt, die das Lebensgefühl der Roaring Sixties entweder nachstellen oder wiederbeleben sollen. Und da man an Unschuld, Freude und guten Partys selten genug haben kann, ist auch anzunehmen, dass vor den Aufnahmen die Songs von langsam verblassenden Bands wie The Tremoloes, The Hollies oder The Herman Hermits aus den Boxen der beiden Soundbastler schallten. Ganz sicher ist jedenfalls dass „Go On“ eigentlich ein Cover des immer verlässlichen Hits der Troggs, „Give It To Me“, ist. Die Tantiemenabrechnung ist hoffentlich genauso unterhaltsam wie dieser vollkommen überraschende Streich.

Panda Bear & Sonic Boom, Reset (Domino)

Im Handstreich eingenommen haben auch die Dives die heimische Szene mit ihrem Debütalbum „Teenage Years Are Over“ vor knapp drei Jahren. 150 Konzerte in 10 Ländern später erscheint nun mit „Wanna Take You There“ das langerwartete zweite Album – und es wird gleich bei den ersten Songs klar, dass die Geschichte des Gitarrentrios noch lange weitergehen wird. Sie sind gereift, und es ist beinahe schon unheimlich, dass sie hier eine treibende Gitarrenpop-Perle nach der anderen aus dem Ärmel schütteln. Sie beherrschen das Spiel zwischen Riffs und Melodien wie keine andere Band weit und breit und zeigen hier genuine Größe. Die ausgedehnte Tour kann kommen und die Konzerte im Herbst werden sehnlich erwartet.

Dives, Wanna Take You There (Siluh)

Bleiben wir gleich bei allerbester Unterhaltung. Panic! At The Disco ist mittlerweile das Soloprojekt des Sängers Brendon Urie, der nicht nur aus Las Vegas kommt, sondern auf „Viva Las Vengeance“ (Atlantic) auch die schönsten Seiten der Siebziger hochleben lässt, wie es ein Ballroom in der Spielerstadt nicht besser könnte. Die Sounds von Todd Rundgren, den Wings oder Jim Steinman feiern fröhliche Urstände und der eine oder andere Gruß geht auch in Richtung der Sparks. Wenn es unbeschwertes Pathos gibt, dann hat es Urie hier erfunden. Großes Popcornkino.

Panic! At The Disco, Viva Las Vengeance (Atlantic)

Für den ganz großen Breitwandsound lässt sich Alex G. auf „God Save the Animals“ noch ein bisschen Zeit, aber Singer, Songwriter und Produzent Alex Giannascoli aus Philadelphia huldigt auf seine Weise dem eingängigen Popsong, dem er sich auf eine sehr feine, zarte und immer persönliche Weise annähert. So schafft er den Spagat zwischen klassischem Songwriter und Liebe zum Popsong. Es sei ihm wirklich hoch angerechnet, dass er dem Zuhörer seine persönlichen Abgründe nicht aufs Auge drückt, sondern seinen sonnigen Optimismus auf Songs wie „Runner“ immer wieder durchscheinen lässt.

AlexG, God Save Then Animals (Domino)

Was uns zur Abteilung alte Männer mit zumindest großer Vergangenheit bringt: Im fernen Jahr 1986 war Pete Astor Kopf der Weather Prophets. Diese veröffentlichten mit „Almost Prayed“ nicht nur einen Jahrhundertsong als erste Single, der den Test der Zeit souverän bestanden hat, sondern auch eine der ersten Singles auf Alan McGees Creation Records, einem Label, das später mit The Jesus and Mary Chain oder Oasis Geschichte schrieb. Nach dem frühen Aus der Weather Prophets startete Astor eine Solokarriere, die ihm mehr Anerkennung als Geld einbrachte, aber er ist einer, der immer weitermacht und auch im beinahe besten Mannesalter seine Vision nie verliert. Auf „Time on Earth“ ist er nun endgültig im Fach des klassischen englischen Songwriters mit Hang zum Dandytum angekommen – ein Platz, der nach dem Tod des Jazz Butchers, unbedingt einen Menschen mit Astors Format brauchte. Abgeklärt verpackt er persönliche Verluste und Alltagsthemen wie das englische Wetter in Songs, die diesen Namen auch verdienen. Astor ist und bleibt eine Konstante, der sein Niveau nicht verlässt.

Pete Astor, Time On Earth (Tapete Records)

Steve Earle war in seinem Leben schon der nächste Bruce Springsteen, Dealer, Häfenbruder und in jungen Jahren eine Speerspitze einer Welle, die sich New Country nannte. Nach seiner Läuterung konzentrierte er sich auf seine Songs und seine Tätigkeit als nimmermüder Aktivist gegen die Todesstrafe. Daneben startete eine Würdigung seiner Lehrer Townes van Zandt und Guy Clark, denen er je eine Tributeplatte widmete. Darauf würdigte er mit Ehrfurcht, aber auch dem ihm eigenen Furor, ihren Songs und stellte sie einer neuen Generation vor. Auch den Songs seines verstorbenen ersten Sohnes J.T. widmete er sich und bewältigte so seine Trauer und Schuldgefühle. Nun nimmt er sich auf „Jerry Jeff“ die Songs seines dritten Säulenheiligen und Mentors Jerry Jeff Walker vor. Der Wahltexaner mit der sanften Stimme starb vor zwei Jahren, aber Songs wie „Mr. Bojangles“ werden ihren Schöpfer wohl noch lange überleben. Earle widmet sich dankenswerterweise auch dem Spätwerk Walkers und eignet sich Songs wie „Hill County Rain“ oder „Gettin’ By“ so an, wie nur er es kann: Persönlich, kraftvoll und voller Liebe. Auch wenn Earle nun angekündigt hat, keine Covers mehr aufzunehmen. Diese Tetralogie ist ein Werk, das nicht nur einer Vielzahl der besten Songs, die jemals geschrieben wurden, eine neue Bühne gibt, sondern auch ein ganz großes Werk eines Künstlers mit einem Herz aus Gold.

Steve Earl & The Dukes, Jerry Jeff (New West Records)

 

| | Text: Günther Bus Schweiger
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