Es gibt Bands, die man genießt, aber doch wieder vergisst und es gibt die Young Fathers. Wer einmal ihre Wucht, ihren Ernst und ihre Intelligenz erlebt oder gehört hat, behält sie im Gedächtnis. Und daran ändert sich auch auf ihrem vierten Album „Heavy Heavy“ nichts. Die drei Schotten sind keine Querdenker, sie denken und verbinden Strömungen und Genres und schaffen so als eine der wenigen Bands wirklich neue Sounds. Sie verlassen kaum die Drei-Minuten-Grenze, denn in dieser Zeit kann man alles sagen und alles ausdrücken – dazu wurde der Popsong erfunden. Faszinierend getriebene Anklagen wie „I Saw“ werden von mehr als jenseitigen Breitwandballaden wie dem großartigen „Tell Somebody“ abgelöst; Das sind nur zwei Beispiele eines wahrlich großen Albums, das immer überrascht und eine Band am Höhepunkt ihrer Schaffenskraft zeigt.
Als unter Coronabedingungen wieder Konzerte möglich waren und im Chelsea die gute alte Tradition der akustischen Abende mit mehreren Songwritern wiederbelebt wurde, war Sybille Kefer ein beliebter und öfters geladener Gaststar, da ihre Songs und ihr Charme auch in diesem Kontext überzeugten. Das breite Publikum kann sich seit Jahren davon in diversen Bands wie z. B. dem Frauenorchester an der Seite von Ernst Molden überzeugen. Mit „Hoid“ setzt sie ihre Entwicklung als Songwriterin fort.Im Gegensatz zum sparsam instrumentierten Vorgänger „Hob i di“ sind auch Freunde wie Bassistin Marlene Lacherstorfer oder Slideguitar-Tausendsassa Gotffried Gferer als Gäste und Martin Siewert als Produzent und musikalischer Ratgeber geladen. Kefer traut sich sogar mit „mehr davo“ das introspektive Balladenfach zu verlassen und trifft damit ins Schwarze. Ein Beispiel für gelungenes Teamwork.
Es ist ein langer Weg von Knoxville, Tennessee, wo Sean Bowie aufwuchs, bis Turin, wo er heute lebt. Aber während man in Knoxville an die gute alte Zeit glaubt, taucht Bowie als Yves Tumor in neue Klangwelten ein und ist als Songwriter auf „Praise a Lord Who Chews but Which Does Not Consume; (Or Simply, Hot Between Worlds)“ dem schrillen treibenden Pop verfallen. Da kann man dann schon einmal an The Prodigy denken, Tumor zweigt dann aber doch öfter in Richtung puren Synthiepop ab, der zwar nicht neu sein mag, aber für den Einsatz auf der Tanzfläche immer geeignet ist.
Bad Weed kommen aus heimischen Landen und halten sich prinzipiell nicht lange mit Umwegen auf. Demzufolge heißt das zweite Album des Trios „II“ und der längste, schon beinahe untypische Song dauert 3 Minuten und 11 Sekunden. Aber entscheidend ist, was sich in den Songs tut: Hier wird nicht gewartet, sondern blitzschnell zum Refrain übergeleitet und die Lebensfreude in all ihren Facetten zelebriert. Meckerer mögen eine gewisse Sixties-Fixierung orten oder Vergleiche in Richtung der frühen Buzzcocks ziehen (es gibt wahrlich Schlimmeres), aber Bad Weed sind keine Band, die zurückschaut. Sie tanzen im Hier und Jetzt und machen die Gegenwart besser – und vor allem frischer. Dass die einzige Coverversion „No Place to Fall“ ausgerechnet vom Schwerenöter aller Schwerenöter, Townes van Zandt, stammt, ist dann eine Überraschung, aber statt in Ehrfurcht zu erstarren, schaffen es Bad Weed auch hier, diesen Klassiker in ihr Universum zu überführen und ins Jetzt zu stellen. Bad Weed gelingt hier ein kleines Popwunder und es bleibt nur zu hoffen, dass die Wartezeit auf „III“ nicht zu lange ausfällt.
Kommen wir zur Abteilung „Unwürdiges Altern für Fortgeschrittene“. Bei Erscheinen seiner letzten Platten „Post Pop Depression“ bei der er mit Josh Homme zusammenarbeitete und „Free“, einer mutigen Zusammenarbeit mit Jazzer Leron Thomas, verkündete Iggy Pop seinen Abschied aus dem Aufnahmestudio. Man war noch im letzten Jahrzehnt und die Alben wurden allgemein als würdiger Abschluss einer stilprägenden Ikone wahrgenommen. Anfang 2023 erschien nun „Every Loser“– und wer auf eine Fortsetzung des würdigen Abschieds gehofft hat, wird bitter enttäuscht, denn mit einer Schar von Freunden und Bewunderern, die er als Kind wohl mehr als nur beeinflusst hat, darunter Duff McKagan von Guns n’ Roses oder Red Hot Chili Peppers Drummer Chad Smith, liefert Iggy wieder seine typische Hausmarke. Er hat die breiten monotonen Riffs und die Texte, die eher Slogans sind, mit den Stooges erfunden und zu unerreichten Höhen geführt, aber 2023 funktioniert die Reanima-tion einfach nicht mehr. Andrew Watt, der auch schon Dua Lipa und Ozzy Osbourne, produzierte, müht sich redlich im Rahmen des Radioformats die wilden Gitarrensounds zu finden, die Iggy Pop ausmachen. Aber vielleicht wollte Iggy nicht mit Würde abtreten und auf ARTE mit Mitschnitten von exklusiven Konzerten gewürdigt werden; vielleicht will er mit 75 simpel vor sich hinrocken, seine Meinung rausschreiben und wie immer nach ein paar Minuten auf der Bühne die Designerlederjacke vom Oberkörper fetzen und seine Falten in aller Pracht zeigen. Und um Bühnenzeit zwischen all den Hits wie „Lust For Life“ oder „The Passenger“ zu überbrücken, eignen sich diese Songs allemal.
Gönnen wir uns einen Blick zurück. Crime & the City Solution sind wohl eine der unstetesten Bands aller Zeiten. Nick Cave löste die Birthday Party auf, um seine Solokarriere zu starten und der Rest der Band machte mit Sänger Simon Bonney weiter. Man schreibt die ganz frühen Achtziger und die Band wanderte von London nach Berlin. Mitglieder wie Alexander Hacke, Epic Soundtracks, Alex Harvey oder Kid Congo Powers kamen und gingen, nur Sänger Simon Bonney hält auch in der aktuellen Reinkarnation der Band die Stellung. Die drei von 1988 bis 1990 erschienenen Alben „Shine“, „The Bride Ship“ und „Paradise Discotheque“ waren lange verschollen und werden nun im neuen Glanz für die Zeitzeugen dieser Ära, in der nie die Sonne schien, wiederveröffentlicht. Wer die Band immer nur als kleine Mitläufer im Schatten von Nick Cave wahrgenommen hat, wird hier eines Besseren belehrt, vor allem „Paradise Discotheque“, die im Studio des großen Conny Plank produziert wurde, gelingt es, ohne jede Patina und vor allem ohne jedes Epigonentum auszukommen –und verschafft der Band das Profil, um das sie lange kämpfen musste. Eine späte Genugtuung.