King Hannah waren nach dem Erfolg ihres Debütalbums „I’m Not Sorry, I Was Just Being Me“ vielbeschäftigt. Das Ehepaar aus Liverpool war in den USA mit Kurt Vile und später mit Thurston Moore unterwegs. Dieser lange Aufenthalt hat Spuren und vor allem viele Eindrücke hinterlassen, die sie nun in „Big Swimmer“ aufarbeiten. Die ohnehin geliebten Balladen eignen sich großartig für die Beschreibung von Begegnungen mit Außenseitern, aber in „New York, Let’s Do Nothing“ verlassen sie ihre Wohlfühlzone in Richtung Sonic Youth. Diese Erweiterung des Soundhorizonts, die wohl auf Thurston Moore zurückgeht, steht ihnen bestens. Sie haben an Selbstvertrauen zugelegt und da gehen sich dann auch noch Würdigungen ihrer Helden Bill Callahan und John Prine aus. King Hannah gehen mit „Big Swimmer“ mehr als einen Schritt in die richtige Richtung und lassen die Berechenbarkeit klar hinter sich.
Das ist bei einer Band wie den Tindersticks nicht mehr notwendig, denn sie stehen bereits für einen bestimmten Sound – und vor allem für die Songs und die Stimme von Stuart Staples, die immer über allem schwebt. Auf „Soft Tissue“ (erscheint am 12. September), ist die frühere Opulenz der Arrangements einer neuen Kargheit gewichen, aber natürlich sind Streicher weiter ein wichtiges Merkmal des Sounds der Band. Im Gegensatz zu den letzten Veröffentlichungen nähert sich Staples, wie in „Nancy“, sogar der traditionellen Songform an und verleitet den Hörer beinahe dazu, mitzusummen. Aber natürlich halten die Tindersticks ihrem getragenen Universum die Treue: Staples und seine treue Band bleiben ebenso einmalig wie konsequent und vertraut.
Das letzte Lied auf der letzten LP von Wanda, „Eine Gang“, war das erste Lied, das sie jemals geschrieben haben. Das hätte als Hinweis gelesen werden können, dass sich der Kreis geschlossen hat und die Band ihre Mission als erfüllt ansah. Mit dem Erscheinen des siebten Werkes „Ende Nie“ ist diese Theorie Geschichte und es ist klar, dass die Band nach vielen Verlusten auch als Trio eine Zukunft sieht. Auf „Ende Nie“ hat sich die Gruppe jedenfalls noch nicht nicht gefunden, denn die Songs sind oft einfach zu halbgar und die Musik zu sehr dem Austropop der Neunziger verhaftet, als dass hier Jubel ausbrechen könnte. Marco Wandas Ausflüge zu alten Wienerliedtexten waren großartig, davon ist „Ende Nie“ aber leider weit entfernt. Vielleicht wäre ein akustisches Album mit Songs von Marco Wandas Säulenheiligem John Lennon ein Ausweg, um der kreativen Krise zu entkommen. Vielleicht ist „Ende Nie“ aber auch der Startschuss für einen nüchternen Teil der Bandgeschichte, der noch viele Überraschungen bieten kann.
Swamp Dogg hat in seinem Leben schon viel erlebt. Als Little Jerry Williams war er schon in den Fünfzigern als Soulsänger und Songwriter unterwegs. Da er aber einmal zu oft um die Tant-iemen gebracht wurde, erfand er sich 1970 als Swamp Dogg neu. Erstens, um dem Image des Verlierers zu entfliehen und zweitens, um das zu machen, worauf er Lust hatte und nicht nur im Soul zu verharren. Er schrieb Songs für Countrystars, blieb aber Soulgrößen wie Irma Thomas als Songschmied treu, und erlaubte sich auch Ausflüge in Richtung Disco. Vor zwei Jahren überraschte er alle mit dem grausamen Album „I Need A Job…So I Can Buy More Autotune“, das ein guter Scherz war, denn seine Stimme war und ist immer noch großartig und war kaum zu hören. Mit „Blackgrass: From West Virginia To 125th Street“ kehrt er mit 81 wieder zu seiner Kernkompetenz an der Schnittstelle zwischen Soul, Country und Bluegrass zurück. Das ist einfach großartig, denn an dieser Kreuzung ist er aufgewachsen. Die meist sparsam eingesetzten akustischen Instrumente, die von Legenden wie Jerry Douglas gespielt werden, unterstützen die Autorität der Altersstimme dieses ganz großen Außenseiters, der hier seinen Legendenstatus festigt und Songs wie „Ugly Man’s Wife“ oder „Songs To Sing“ ein neues Leben gibt.
Steve Earle ist zwar um einiges jünger als Swamp Dogg, aber den Status einer Legende hat auch er schon erreicht. Er war einmal der nächste Bruce Springsteen, dann ein Drogenwrack, sah Gefängnisse von innen, bevor er sich neu erfand und als grandioser Songwriter und ewiger Kämpfer gegen die Todesstrafe und gegen Waffenbesitz seinen Weg fand. „Alone Again“ ist ein Dokument seiner letzen Solotournee. Es zeigt den Endsechziger in absoluter Hochform, ewige Hits wie „I Ain’t Never Satisfied“, „Guitar Town“ oder „My Old Friend the Blues“ gewinnen in diesem nackten Format sogar noch an Größe. Wenn man zu seinen neueren Songs wie dem wunderbaren Liebeslied „Sparkle And Shine“ greift, dann merkt man, wie der Songwriter in ihm noch immer brennt und Perlen produziert. Steve Earle saß als junger Bub am Tisch von Guy Clark, Townes van Zandt und Jerry Jeff Walker, denen er allen schon seinen Tribut gezollt hat. Wenn man „Alone Again“ hört, dann ist hier einer, der den Weg seiner Vorgänger aufrecht, voller Kraft und Charisma weitergeht.
Weibliche Rocktrios stehen hierzulande hoch im Kurs. My Ugly Clementine und die Dives haben sich schon ein großes Publikum erspielt – und jetzt stehen Topsy Turvy mit ihrem Debütalbum „Butt Sore“ am Start. Charmanter Lo-Fi ist angesagt, und natürlich borgt man sich da und dort einmal ein gut gealtertes Riff aus dem Fundus der Surfer aus, aber Theresa Strohmer und Lena Pöttinger sind auch Mitglieder der Laundromat Chicks; auch dort geht der Trend in Richtung Jingle-Jangle Pop mit einer Breitseite, die den Achtzigern schon sehr verhaftet ist. Wer alt genug ist, um die Erstlinge von Bands wie den Go-Betweens zu kennen, der erkennt schnell, in welche Richtung es geht, und wer mit Titeln wie „Dextro Energy“ gepflegten, klugen und charmanten Gitarrenpop spielt, dem können nur die Herzen zufliegen.