Wenn die Black Keys Pause machen, kann sich Dan Auerbach seinen Hobbys widmen. Vor kurzem hauchte er Chrissie Hynde und ihren Pretenders als Produzent neues Leben ein und verpasste ihnen einen Sound, den sie schon längst verdient hatten. Daneben bastelte der Vielbeschäftige aber auch an eigenen Songs. Das Ergebnis „Waiting On A Song“ (Nonesuch/Warner) ist eine Liebeserklärung an die Melodie und den unbeschwerten Popsong. Auerbach beschwört eine Kunst, die schon im Abseits stand, hebt sie mit seiner Liebe, seinem Handwerk und seinen Freunden auf eine neue Ebene. Er arbeitete in seinem Studio in Nashville mit Legenden wie Walter Ferguson, der seit 30 Jahren im Hintergrund Großtaten mitverantwortet und beispielsweise die letzten Platten von Johnny Cash betreute, oder dem großen Gitarristen Duane Eddy, dessen Gitarrensound er ebenfalls noch einmal auferstehen lässt. „Waiting on a Song“ ist eine liebevoll großartige Songsammlung, die jedem Song den passenden Sound schenkt. Ein wahres Kleinod.
Der eben erwähnte Walter Ferguson geht auch des Öfteren als Bassist mit Bonnie Prince Billy aka Will Oldham auf Tour. Dieser widmet sich auf „Best Troubador“ (Domino) seinem im April verstorbenen Helden Merle Haggard und macht dabei natürlich um die großen Gassenhauer wie „Okie from Muskogee“ einen großen Bogen. Der Prince widmet sich den Nebenästen des Werks von Haggard – vor allem auch dem kriminell unterschätzten Spätwerk. So bekommt der Jahrhundertsong des Sandlers Blaze Foley, „If I Could Only Fly“, wieder einmal jenen Respekt, den auch Haggard vor diesem Meisterwerk gehabt hat. Ein Eigenbrötler zieht hier den Hut (oder in Will Oldhams Fall eher die Kappe) vor einem anderen großen Individualisten und Wegbereiter. Aber Oldham wäre nicht Oldham, wenn er sich vor Haggard verleugnen würde: Natürlich macht er die Songs zu seinen eigenen. Wer Angst vor zu viel Country hat, der sei beruhigt. Oldham bleibt seinem Sound und der Freiheit, die er Musikern gibt, treu.
Dispatch sind ein Trio, das sich langsam aber sicher aus der Szene in Boston über den Teich gespielt hat und allmählich in die Schlagzeilen kommt. Mit „America, Location 12“ (Bomber Records) drücken sie auf ihrem Weg nach oben gehörig auf das Gaspedal. Dispatch vertreten den Typus der Band, der sich der klaren Zuordnung vollkommen entzieht und sich ohne jeden Genierer bei Paul Simon ebenso bedient wie bei den Zeitgenossen Fleet Foxes. Dann aber können sie durchaus in die Zähigkeit einer Band wie 16 Horsepower verfallen, um schließlich mit „Midnight Lorry“ einen Song rauszuhauen, für den Ed Sheeran seine Gitarre opfern würde. „America, Location 12“ ist eine Wundertüte ohne jede Enttäuschung.
Eine schon lange existierende Wundertüte sind auch The Base. Und wenn das Grazer Trio rund um Songschreiber Norbert Wally nicht die personifizierte Zähigkeit wäre, dann hätten sie wohl schon längst ihre Instrumente in der Mur, der Wolga oder der Kainach versenkt. Sie haben es nicht getan und mit den letzten Platten alle Kritiker und Besserwisser Lügen gestraft. Zuletzt waren sie in Hotel Rock ’n’ Roll zu sehen, nun schleudern Sie „Disco Bazar“ (Konkord) in die Welt. Besetzten die Songs der letzten Alben den entspannten Platz zwischen Lee Hazlewood und allen guten Prinzen der Finsternis mit einer guten Dosis Humor, erweitern The Base jetzt ihr Wirken in Richtung Discokugel. Das ist zwar nur ein Teil der Wahrheit, denn der Blues bleibt nicht ganz in der Ecke, aber die Songs reisen im Grunde um die Discos der Welt. Da braucht es den L’Amour-Hatscher genauso wie den Kracher „Where’s Your VJ Hiding“. Wenn die Nacht vorbei ist, der weiße Anzug dreckig und das Börserl leer, kann man immer noch die Ballade auspacken und die Niederlage wie ein Mann mit ein paar letzten Bieren hinnehmen. Am Bazar muss man sich schließlich durchsetzen. The Base machen das mit diesen Songs.
Durchgesetzt hat sich bei Ernst Tiefenthaler die deutsche Sprache, genauer: der heimische Dialekt. Als Ernesty International wurde die universelle Popsprache verwendet, aber bei seinem Solodebüt „TLEW“ (EMG / Hoanzl) bleibt Tiefenthaler bei seiner Muttersprache. Unzählige Male wurde er schon aufgefordert, den Schritt in die musikalische Selbstständigkeit zu machen, und nun fand er endlich den Mut. Die Songs sind teils hymnisch, und ab und zu schauen Sven Regener und Element of Crime um die Ecke, aber Tiefenthaler ist viel zu geschickt, um sich irgendwo wirklich anzulehnen. So bleiben die Songs immer eigenständig. Die Arrangements sind wie schon bei Ernesty International ausgefeilt, bleiben aber mehr im Hintergrund, um auch Tiefenthalers Stimme den Platz zu geben, den sie verdient.
Schon bei seinem Comeback mit dem Album „Tralala“ im Jahr 2012 war klar, wie sehr die Stimme von Wilfried gefehlt hatte. Auf „Gut Lack“ (Monkey Music) tritt diese große Altersstimme jetzt noch mehr in den Vordergrund. Wilfrieds Sohn Hannibal Scheutz, der Ausnahmebassist der 5/8erl in Ehr’n, und Carlos Barreto-Nespoli haben ein ebenso karges wie effektives Klanggerüst gezaubert, damit die Songs des Wilfried Scheutz strahlen können. Der Mann, der uns mit „Lauf Hase lauf“ eines der größten Lieder schenkte, die in diesem Land jemals geschrieben wurden, war nie jemand, der sich verstellen konnte. So werden wir in „Heute Pause“ in Randbereiche der menschlichen Existenz geführt, die noch selten von Songs so wahrhaftig berührt wurden. Es ist die Pflicht des Künstlers und Songwriters, den Hörer nicht zu schonen – und diesem Grundsatz wird hier konsequent gefolgt. Wilfried wäre aber nicht Wilfried, wenn es nicht auch diese lässigen, vor sich hingroovenden und sich nie wirklich ernstnehmenden Songs wie „Trottel“ oder „Lack“ geben würde. Wir ziehen den Hut vor diesem Werk.