Ganz ohne rot zu werden, kann man Kylie Minogue getrost als „Queen of Pop“ bezeichnen. Natürlich muss jede Veröffentlichung gut geplant und auch als weltbewegendes Ereignis inszeniert werden. Und so lacht Kylie, die im Mai ihren Fünfziger feiert, auf „Golden“ (BMG / Warner) als ewig junges Countrygirl vom Cover, sogar eine akustische Gitarre hat neben ihr Platz genommen. Wer nun denkt Kylie will die Countrywelt erobern und Nashville neu definieren, der irrt natürlich. Da und dort tauchen in eher homöopathischen Dosen Countryklänge auf, aber das Stammpublikum darf nicht zu sehr verstört werden. Der Beat setzt früh genug ein, um das kollektive Mitschunkeln und Mitsingen in den Mehrzweckhallen aller Kontinente zu garantieren. Was wirklich schade ist, denn spätestens seit ihrem Duett mit Nick Cave ist klar, dass sie auch anders kann. Diese Seite zeigt die Queen of Pop hier zu selten, wie zum Beispiel im Duett mit Jack Savoretti „Music’s Too Sad Without You“, das hoffentlich ein Wink für die Zukunft ist. Wenn das Team rund um Kylie mehr Vertrauen in den Star setzt, dann ist der große Wurf immer noch möglich.
Kylie Minogue, Golden (BMG)
Gab es eigentlich eine Zeit in der Françoise Hardy nicht cool war? Wohl eher nicht, sie war die junge Stimme des Chansons in den Sechzigern, wobei sie auch immer nach England schaute und dort als wahrscheinlich einzige Französin in die Musikszene einbrach. Nach langen sechs Jahren Wartezeit erscheint nun mit „Personne d’Autre“ (Parlophone / Warner) ihr 24. Studioalbum. Mit ihren 73 Jahren stellt sie hier die Zeichen auf Abschied. Und zwar auf einen Abschied in Dankbarkeit und mit einem warmen Lächeln. In dieser Stimmung trifft sie sich mit Harry Dean Stantons letztem Film „Lucky“. Mit dem Schauspieler teilt sie auch die Zurückhaltung im Wissen um das eigene Können. Ihre Stimme gibt den Chansons die Ruhe und die Seele, die sie brauchen, um uns zu erreichen. Und wer einen Einstieg braucht, der ist mit dem einzigen englischsprachigen Song „You’re My Home“ bestens bedient.
Francoise Hardy, Personne d’Autre (Warner)
Wenn Hardy den Ehrentitel „Grande Dame“ ohne Zweifel führen darf, so hat Clara Luzia dafür noch ein paar Jahrzehnte Zeit. Auch ihr fünftes Album, „When I Take Your Hand“ (Asinella Records), wurde wie der Vorgänger in London und Wien aufgenommen und setzt die Reise der Songwriterin zu immer neuen Ufern fort. Ob es am Selbstvertrauen oder den Erfahrungen der Vergangenheit liegt, dem Verlassen der Jugend geschuldet ist oder der Aufnahme in die Familie Lässig rund um Manuel Rubey und Gerald Votava, die wunderbare Coverversionen an Mann und Frau bringt: Klar ist, dass Clara Luzia immer genauer weiß, was notwendig ist, um Songs zum Strahlen zu bringen. So steckt sie das rotzige „On the Street“ in ein klassisches Sixties-Arrangement und schon hat der Song alles was er braucht. Dieser Zugang zieht sich durch das ganze Album, und so werden Abwechslung und Vielfalt zum Statement in geistig engen Zeiten.
Clara Luzia, When I Take Your Hand (Asinella Records/Hoanzl)
Enge ist eine Kategorie, in der Georg Altziebler definitiv nie gedacht hat. Seine Band – oder besser, seine Idee – Son of the Velvet Rat lieferte mit „Dorado“ eines der Alben des Jahres 2017, das in jeder Bestenliste, die sich ernst nahm, einen der Spitzenplätze belegte. Der Pendler zwischen Kalifornien und Österreich vereinte auf „Dorado“ das Beste der beiden Welten zu einem großen Ganzen. Nun lässt er das Anfang Juni erscheinende Livealbum „The Late Show“ (Fluff And Gravy) folgen. Aufgenommen in Los Angeles, Wien und Deutschland, zeigt es die Band in manchmal schon beängstigend magischer Form. Große Kunst ist oft eine Hymne an das Leben – diese Aufnahmen sind eine einzige Ode an dieses kostbare Gut. Es darf hier nicht unterschlagen werden, dass diese Aufnahmen eine Band auf dem bisherigen Höhepunkt ihrer Laufbahn dokumentieren. Wenn Altziebler ganz am Schluss in „Carry On“, singt „I have only just begun to carry on“, dann schaut die Zukunft rosig aus. Für diesen Song würden sowohl Bruce Springsteen, als auch Tom Waits jederzeit eine Pilgerreise zu Altzieblers Haus in der Wüste auf sich nehmen und sich am Ende streiten, wer ihn zuerst haben darf.
The Velvet Rat, The Late Show (Fluff And Gravy)
Eine der Trends des letzten Zeit sind Künstler, die sich mit mehr oder weniger digitaler Unterstützung ganz instrumentalen Klängen widmen. Der aktuelle Abräumer auf diesem Gebiet ist Nils Frahm, aber auch die wesentlich spannenderen Grandbrothers, die an der Schnittstelle zwischen analoger und Rechnermusik arbeiten, gehören dazu. Nach fünf Jahren Pause kehrt der englische DJ, Produzent und Komponist Jon Hopkins mit „Singularity“ (Domino Records) zurück und lässt sich genau in diesem Genre nieder. Hopkins dürfte seine Vorgänger aus den Siebzigern wie Neu!, Cluster, Popol Vuh, Hans Joachim Roedelius oder Michael Rother, die in England alle unter dem Logo „Krautrock“ bekannt sind, genau studiert haben und versucht auf der Basis der Altvorderen seine Musik zu gestalten. Dieses Vorhaben gelingt ihm auf einigen Tracks wie der Single „Emerald Bush“, wo er mit breiten Dancebeats arbeitet. Über weite Strecken entfernt er sich aber kaum von den Ideen und Sounds der Vorbilder.
Jon Hopkins, Singularity (Domino Records)
Dass Vague auch eine Platte von Teenage Fanclub im Regal haben, wäre naheliegend. Das Wiener Quintett mit drei Songwritern verschreibt sich dem klassischen Gitarrenpop schottischer Prägung und sammelt auf ihrem zweiten Album „Land“ (Siluh Records) mit der sparsamen Produktion ohne äußere Hilfe Pluspunkte. Ein Mann wie Edwyn Collins hätte auf jeden Fall seine Freude mit dieser Liebeserklärung an den zarten Pop von weißen Buben, die ihre Gitarren über alles lieben. Nur über das ab und zu auftauchende Saxophon müsste man noch ernsthaft reden.
Vague, Land (Siluh Records)