Startseite » Fashion Mavericks

Fashion Mavericks

Text: Koutni Jenni | Fotos: Elsa Okazaki

„eigensinnig“ hat dieses Jahr den Enjoy Award in der Kategorie ,Avantgarde Fashion Damen‘ gewonnen, ganz herzliche Gratulation! Was macht euer Konzept so erfolgreich?

Der Grundsatz unserer Philosophie liegt in der Wahrnehmung des Besonderen und Ungewöhnlichen. Wir bewegen uns bewusst weg von der Masse und konzentrieren uns auf eine ganz bestimmte Nische – auf Avantgardisten, die immer auf der Suche nach Neuem sind, Entdeckungen lieben und hochwertige Qualität als Grundvoraussetzung sehen. „eigensinnig“ ist ein authentischer Ort unprätentiöser Eleganz, in der die Leidenschaft für Design, Handwerk und Kunst im Vordergrund steht. Jede Kollektion wird genauestens kuratiert – den Fokus immer auf Perfektion, Originalität und Seltenheit gerichtet. Im „eigensinnig“ steht nicht der Name des Designers im Vordergrund, sondern vielmehr sein besonderes und außergewöhnliches Hand- und Kunstwerk. Es geht nicht darum, was Trend ist, sondern darum was „dein” Charakter ist. Kleidung ist intim, individuell und erlebbar, wenn man sich darauf einlässt. Im „eigensinnig“ geben wir die Zeit und die Möglichkeit, um die eigene Persönlichkeit in der Kleidung zu entdecken. Es ist ein Erleben der Mode mit allen Sinnen. Das Gefühl an der Haut, der Geruch oder die visuelle Wahrnehmung der Avantgarde … es ist eine Entdeckung für sich. Es geht um Ehrlichkeit, Authentizität und die unaufdringliche Identität.

Ich finde, man spürt sofort beim Betreten des Geschäftslokals, dass hier mit echter Leidenschaft gearbeitet wird. Wann hat euch die Begeisterung für Mode und Textilien gepackt?

Wir kommen aus unterschiedlichen Richtungen. Stefanie ist bereits seit Teenagerjahren in der Modebranche. Begonnen hat ihre Leidenschaft mit der HBLA für Mode und später hat sie an der Kunstuniversität Linz Modedesign studiert. Neben den Ausbildungen hat sie auch ständig praktische Erfahrung im Modebusiness gesammelt und sich auch bis ins Store Management eines großen internationalen Textilunternehmens gearbeitet. Toni ist über ein kurzes Intermezzo ins Wirtschaftsrecht in die Stadtplanung und Immobilienentwicklung gekommen und war jahrelang in leitender Position bei einer Baufirma tätig. Der Schritt in die Kunst- und Kreativwirtschaft erfolgte 2011 mit dem „Fox House“ in der Westbahnstraße. Danach war klar, dass Toni in der Querschnitts-Materie aus Mode, Kunst und Design am Besten aufgehoben ist.

Thema Materialqualität: Unter welchen Kriterien wählt ihr aus? Ist die Produktion und Herkunft der Stoffe immer durchsichtig genug um zu sehen, ob es sich um ein faires Produkt handelt?

Wir arbeiten ausschließlich mit Designern, die qualitative Stoffe verwenden. Besondere Materialien stehen im „eigensinnig“ an höchster Stelle. Oft werden die Stoffe auch direkt vom Designer selbst entwickelt und in seiner eigenen Produktion hergestellt. Die ausgewählten Materialien müssen neben einem angenehmen Tragegefühl, Bequemlichkeit und Strapazierfähigkeit auch eine gewisse Besonderheit und Extravaganz aufweisen. Besonderheit beim Fühlen, beim Riechen, sowie beim Anblick. Jedes der ausgewählten Materialien soll einzigartig sein, aber auch ein ästhetisches Gesamtbild einer saisonalen Kollektion ergeben. Weiters wird auch viel Wert auf ein funktionierendes Zusammenspiel zwischen Material und Schnitt gelegt. Kriterien gibt es viele, Stoffe, deren Kriterien unseren Anforderungen entsprechen sind rar …und deshalb auch so besonders.

Setzt Ihr mehr auf Hightech-Stoffe oder kommen auch Naturmaterialien in den Laden?

Unser Fokus liegt ausschließlich auf natürlichen Materialien wie Seide, Leinen, Tencel, Baumwolle oder Wolle. Hightech wäre ein zu starker Kontrast zu unserer Philosophie. Es geht um das Elementare, Ideen, die auf Innovation gerichtet sind. Bei uns erlebt man vielseitige Verarbeitungsmöglichkeiten sowie seltene, natürliche Materialien – Eukalyptusholz, Bambus, Yak, Merino oder Alpaca – zu interessanten Geweben wie Jacquard, Needlepunch, Strick oder Silkwax verarbeitet. Die Besonderheit von Naturmaterialien liegt in ihrer Vielseitigkeit.

Habt Ihr Lieblingsdesigner und was macht für Euch das perfekte Design aus, damit es in euren Store darf?

Den Lieblingsdesigner gibt es bei uns nicht. Alle Designer sind speziell in ihrem Schaffen. Der Schlüssel zum perfektem Design sind Zusammenspiel und Wechselwirkung aus schöpferischer Kreativität und Kunstfertigkeit im Handwerk. Jeder unserer Designer hat ein typisches Alleinstellungsmerkmal, das ihn besonders und unvergleichbar macht: Daniel Andresen ist ein Experte in der Strickerei, Hannibal der Spezialist für Schnitttechnik avantgardistischer Herrenschneiderei, Sosnovska ein Meister minimalistischer Details, Song for the Mute der Schaffer innovativer Materialien oder die Künstlerin Barbara Bologna, die erst später die Mode für sich entdeckt hat, lässt in jede Kollektion prägende künstlerische Elemente einfließen – mal skulptural, mal abstrakt. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Jeder unserer Designer ist speziell und einzig in seinem Tun.

Im „eigensinnig“ wird heikel nach qualitativer Perfektion in Materialität, Verarbeitung und Schnittkunst kuratiert. Materialien müssen spürbar besonders und wertvoll, der Verarbeitungs- und Herstellungsprozess sichtbar edel und hochwertig und die Schnitttechniken unkonventionell, jedoch tragbar sein. Die Kunst des perfekten Designs liegt in der Zusammenfügung dieser Elemente, in der Farbe Schwarz und im „Unvergleichbarsein“.

Thema Preis-Leistungsverhältnis: Ist die österreichische Kundschaft eurer Erfahrung nach bereit, etwas mehr für ein hochwertiges Produkt zu zahlen? Merkt ihr Veränderungen diesbezüglich im Kaufverhalten in den letzten paar Jahren?

Wir sprechen mit unserem Konzept nur einen ausgewählten Kreis an Personen an. Unser Kunde ist designaffin, möchte Interessantes und Ungewöhnliches entdecken und ist immer auf der Suche nach dem Außergewöhnlichen. Parallel setzt er aber auch die beste Qualität voraus, woraus sich ein kostbarer Wert ergibt, den unser Kunde schätzt und gerne bereit ist zu bezahlen. Hierbei geht es weniger um einen teuren Preis als vielmehr um die individuelle Wahrnehmung des „Wertvollen“. Dabei wird der Wert nicht an Hand von Namen und Logos beurteilt, sondern durch angeeignetes Wissen und Erfahrung individuell bewertet. Der „eigensinnige“ Kunde zeigt, dass er nicht zeigen muss.

Besonders toll ist Euer Storekonzept. Bei euch werden Kleidungsstücke und Accessoires schon mal auf Podeste gehoben und ausgestellt wie Kunstwerke. Mode als Kunstform zu sehen, ist das euer Ziel?

Wir bewegen uns in der Querschnittsmaterie aus produktbezogenem Design und freiem Kunstwerk – es muss stets eine Verbindung vorhanden sein. Im alten Griechenland bedeutet Originalität „poeisis“; Platon sprach von „etwas, wo vorher nichts war“. Originalität entsteht durch Experimentieren und neues Ausprobieren. Durch Inspiration, Emotion und freie Gedanken lässt ein Künstler Neues entstehen. Wir sehen durch die unkonventionelle Herangehensweise jeden unserer Designer als Künstler und somit seine Werke als Kunst. Die Kleidungstücke unserer Designer sind jedoch keine Objekte für die Vitrine, sondern (Kunst-)Werke für den Körper, die auch im Alltag getragen werden wollen. Aus der Designperspektive muss die Mode tragbar sein. Unsere ausgewählten Designer verbinden beide Elemente miteinander – Kunst und Design.

Black all over, das ist ja insgeheim das Erkennungsmerkmal von Avantgardisten und Modeleuten schlechthin und auch im „eigensinnig“ regiert Schwarz. Was macht die Nichtfarbe so anziehend?

Schwarz fokussiert. In der Mode ebenso wie in allen anderen Branchen und Bereichen. Die Farbe Schwarz lenkt die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche. Die Nichtfarbe ist frei von jeglichen Einflüssen. Sie ist klar und präzise. Reduziert bedeutet fokussiert. Nichts bedeutet elementar. Detail, Material, Oberfläche und Schnitttechnik stehen im Vordergrund und dürfen sich keinen Fehler erlauben. Alles wird gesehen. Nichts wird verborgen. Die Nichtfarbe Schwarz ist frei von Vorurteilen, Trends oder Coolness. Sie ist unaufdringlich, ehrlich und zeitlos.

Für die Einen mag sie langweilig sein, doch ist nicht das Nichtstun die schönste Zeit voller Inspiration?

Folgt Ihr aktuellen Trendprognosen oder habt ihr euren ganz eigenen Riecher?

Was unser Name „eigensinnig“ bereits illustriert, bezieht sich auch auf unsere Stil-Philosophie: „Folge deinem eigenen Sinn“. Trend ist, was die Masse trägt, jedoch oft ohne zu wissen, warum. Die Avantgarde hingegen ist die Speerspitze der Mode. Dem Zeitgeist immer einen Schritt voraus. Hierbei geht es nicht um Trend, sondern um einen individuellen Stil. Unsere saisonalen Kollektionen sind ein klares und konsequentes Zusammenspiel aus dem charakteristisch authentischen Stil von „eigensinnig“, den Innovationen unserer Designer, unserem sensiblen Fingerspitzengefühl und dem Wissen über Qualität, Kunst und Handwerk.

Ihr habt ja Designer aus aller Welt im Angebot. Wo tut sich nach Eurer Erfahrung gerade am meisten in Sachen Modenachwuchs und wie sieht es hier in Österreich aus?

Man sollte bei der Frage nach dem „Was tut sich gerade?“ immer unterscheiden zwischen der Mode-Kreativität und dem Mode-Business. Wenn beide Elemente erfolgreich sind, kann man sagen, „Es tut sich was“.

Gefühlstechnisch zeigt sich am meisten Bewegung von innovativen Nachwuchsdesignern im asiatischen und neuerdings im australischen Raum. Dortzulande schafft es bereits der junge Modenachwuchs die Kreativität mit Business auf ausgesprochen intelligente Art und Weise miteinander zu verbinden. Kreativ sein allein reicht nicht, wenn es an Finanzen, Marketing, PR und Co scheitert. Auch die Abgänger der „Royal Academy of Fine Arts“ in Antwerpen sind überaus gefragte und kreative Köpfe. Sie werden als Künstler im Modedesign gesehen. Sie schaffen Neues, wissen sich zu positionieren, beherrschen die Selbstdisziplin zu wachsen, aber trotzdem hat nicht jeder am Ende Erfolg. Oder erst über Umwege.

Vielen deutschen und österreichischen Designern fehlt es an Alleinstellungsmerkmalen und Einzigartigkeit, Produktion sowie konsequentem Business. Viele junge Designer glauben, dass man es mit Kreativität alleine auch schafft, nur ist das leider ein falscher und besonders naiver Gedanke, wenn man international erfolgreich sein möchte. Der richtige Erfolg eines Designers wächst erst durch gepflegtes Business. Ein Facebook-Like generiert noch keinen Umsatz.

In Deutschland ist der „German Fashion Council“ unter der ehemaligen Vogue-Chefin Christiane Arp in Gründung. Es wird interessant sein zu beobachten, in welche Richtung sich das Institut bewegen wird, welche Prioritäten gesetzt werden und ob in der Berliner Modeszene ein Paradigmenwechsel sowohl in der Selbst- als auch Außenwahrnehmung eingeläutet werden kann.

Der Wiener Designer Leopold Bossert hat sicherlich das Potential zum Erfolg: Leidenschaft zum Modehandwerk, Alleinstellungsmerkmal, klarer Business-Gedanke und hochwertige Qualität. Er ist schon seit geraumer Zeit in Avantgarde Stores in London und L.A. vertreten, die für Designer nur schwer zu erreichen sind.

Heutzutage wird die Kreativität von Designern ja regelrecht ausgesaugt, indem bis zu fünfmal im Jahr neue Kollektionen her müssen. Was ratet Ihr Nachwuchsdesignern, die in der Modewelt Fuß fassen wollen?

Anders und einzigartig sein! Die Kreativität für außergewöhnliche Ideen und noch nie Dagewesenes nutzen. Wenn man etwas macht, was vor einem schon etliche Personen gemacht haben, wird man auf lange Sicht scheitern. Internationale Konzerne haben die Marktmacht und immense Marketingbudgets, sodass man mit Massenware keine Chance hat, zu bestehen. Mut, Konsequenz und vor allem Geduld. Man braucht Zeit zu wachsen, Vertrauen in den Designer kommt nicht von selbst. Ehrlich sein zu sich selbst. Wer keinen Business-Background hat, kann sich einen Partner besorgen, der sich um die Finanzen kümmert. Und natürlich Qualität: Ein gewonnener Kunde kommt gerne wieder, wenn er vom Produkt begeistert ist. Wenn das Produkt nach kurzer Zeit kaputt ist, ist der Kunde für immer verloren.

eigensinnig

Sankt-Ulrichs-Platz 4

1070 Wien, Austria

www.eigensinnig.at 

| FAQ 31 | | Text: Koutni Jenni | Fotos: Elsa Okazaki
Share