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Female Pressure mit Pop-Appeal

Text: Koroschetz Stefan | Fotos: Press
Ebow © Ina Aydogan

Das Organisationsteam des Wiener Popfests hat sich was getraut! In den ersten drei Jahren des Festivals (2010–12) kuratierte Robert Rotifer, der daraufhin für ein Jahr an Patrick Pulsinger weitergab. Ab 2014 etablierte sich die Praxis, ein Mixed-Doppel der Geschlechter mit der prestigeträchtigen Aufgabe der Programmgestaltung zu betrauen. Warum 2019 von der bewährten Form mit der Wahl von Mira Lu Kovac und Yasmin Hafedh (die den meisten eher als Yasmo geläufig ist) abgewichen wurde, ist nicht bekannt, bedarf aber keiner Begründung. Bemerkenswert ist diese Kür wegen ihrer Signalwirkung allemal. Doch wer sind die beiden Kurzzeit-Kuratorinnen? Mira Lu Kovac ist auch nur minimal an zeitgenössischer österreichischer Popmusik Interessierten, die nicht die letzten 10 Jahre in einer geschlossenen Anstalt verbracht haben oder sonstwie vom Medienkonsum abgehalten wurden, als Mastermind der exzentrischen, im weitesten Sinn Singer-Songwriter-Band Schmids Puls mit Hang zu Ausreissersounds und -kompositionen ein Begriff. Daneben ist Kovac Mitglied der klanglich noch herausfordernderen Jazz-Pop-Noise-Crossover Formation 5K HD, die einem teils ausufernden Freestyle huldigt. Yasmin Hafedh ist wortgewaltige Slam-Poetin und -veranstalterin, die mit beeindruckender Bühnenpräsenz vor explizit politischen Inhalten nicht zurückschreckt, und trotzdem (oder gerade deshalb) bestens zu unterhalten weiß. Seit 2015 betreibt Yasmo auch „Yasmo & die Klangkantine“ mit Bläser- und Big-Band-Begleitung, was ihr Charterfolge und 2018 einen Auftritt bei der Eröffnung der Wiener Festwochen einbrachte. Gemeinsam haben Kovac und Hafedh, dass sie schon mehrmals beim Popfest auf der Bühne gestanden sind, und dass sie Amadeus-Award-Gewinnerinnen sind. Zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Textes ist erst ein kleiner Teil des gesamten Popfestprogramms verlautbart worden (11 Acts), insgesamt sollen es 70 werden.

Planet-Kanack mit Ebow

Fix ist, dass die in Wien lebende deutsch-türkische Rapperin Ebru Düzgun alias Ebow den ruhmreichen Eröffnungsslot am Donnerstag auf der Seebühne bekommen hat. Die wegen eines Architekturstudiums und der lebendigen Rap/ Hip-Hop-Szene nach Wien emigrierte, in München als Gastarbeiterkind aufgewachsene Düzgun hat mit „K4L“ („Kanak for Life“) unlängst ihr bereits drittes Album veröffentlicht. Die politisch extrem engagierte Musikerin befasst sich inhaltlich mit der Debatte um Einwanderer in Mehrheitsgesellschaften und hält dem politisch korrekten Begriff von der „Person of Colour“ den des „Kanaken“ entgegen. Geradezu begeistert zeigt sie sich im MICA-Interview von den vielen noch dazu bestens vernetzten Rapperinnen in Wien. Da ist etwa das DJ-Kollektiv Bad&Boujee, mit dem Düzgun unlängst die Planet-Kanack-Tour absolviert(e), oder Femme DMC und Hyperreality. Nach etwaigen Rolemodels befragt, verweist Düzgün auf M.I.A. und Missy Elliott, die nicht die schlechtesten Referenzen sind. Eines der bekanntesten Stücke von Ebow ist Asyl, dass sie schon vor gut zwei Jahren schrieb, indem sie prophetisch vorwegnahm, was den Geflüchteten nach ihrer Ankunft im wilden Westen blühen würde. Oberstes – von M.I.A. entlehnte – Gebot der Rap-Poeme Ebows ist: „Kampf- und Proteslieder über das verkorkste Weltgeschehen sind gut und schön. Radikal werden sie erst, wenn man dazu tanzen kann.“

Soul und Dialekt mit Lylit und Horn

Mit Eva Klampfer alias Lylit wird nach Ebow eine Frau die Seebühne entern, die ebenda bereits 2011 einen Gastauftritt hatte. Als Gast von SK Invitational sang Lylit wie ein Megastar, dessen internationaler Durchbruch unmittelbar bevorstand. Lylit stand bereits damals unter Vertrag bei Erykah Badu-Entdecker Kedar Massenburg, außerdem hatte sie ein mit ihrem österreichischen musikalischen Freundeskreis in den USA. eingespieltes Album in petto. Dieses wurde allerdings nie veröffentlicht und entpuppte sich als massive Karrierebremse. In Österreich wurde die Souldiva mit dem für die Aktion „Licht ins Dunkel“ interpretierten Song „Eternal Lights“ einem größeren Publikum bekannt. Talentproben als Gaststimme hat Lylit jedenfalls unter anderen schon für Parov Stelar, Rockafellas, sowie schon 2010 mit der I-Tunes Single of the Week „The Plan“ abgelegt. Wie das jetzt mit einem richtigen, aktuellen Album ist bleibt geheimnisvoll, ist aber, wenn man über eine solche Soulstimme wie Lylit verfügt, eher sekundär. Zur selben Zeit wie Lylit wird die einzigartige, früher bei der Band Wosisig aktive Singer-Songwriterin Sigrid Horn den Konzertreigen im Wien Museum eröffnen. Die Gewinnerin des Protest-Songcontests 2019 mit dem Song „Baun“, einer präzisen Anklage gegen Bauwahn und Umweltzerstörung, hat letztes Jahr ihr Solo-Debütalbum „Sog i bin weg“ veröffentlicht und tritt seitdem mit gewinnender Bühnenpräsenz erfolgreich mit wechselnden befreundeten Musikern auf.

WURST/ PCCC und ein Wunderkind

Nicht weniger als eine Weltpremiere wird bei der Show von Tom Neuwirth aka Conchita Wurst aka WURST am Donnerstag auf der Seebühne zu bestaunen sein. Einzelne Stücke des Electro-Club-Projekts WURST hat der wandelbare Herr Neuwirth bereits in anderen Zusammenhängen präsentiert, beim Popfest wird WURST zum ersten mal sämtliche neuen Stücke vor der barocken Karlskirche präsentieren. Es könnte ein besonderes Fest für (nicht nur) LGBTIQ-Community werden, zumal Wien erst unlängst mit der gigantomanischen EuroPride ein weltweit vernehmbares Zeichen (inklusive einer Rede des Staatsoberhaupts!) der Offenheit gegenüber allen nur erdenklichen sexuellen Orientierungen und Identitäten setzen konnte. Im Wien Museum gastiert am Donnerstag auch der queere Politically Correct Comedy Club (PCCC*), der tadellos korrekte Comedy in deutscher und englischer Sprache zum besten geben wird. Für den Freitag ist in der noch stark ausgedünnten Programminfo überhaupt erst ein Act bestätigt: Das 19-jährige Soul/RnB-Wunderkind Lou Asrin, das im Alter von 11 Jahren eine klassische Klavierausbildung begann, und mit 15 erstmals mit eigenen Songs und eigener Band auf der Bühne stand. Mit 17 fand sich Asrin auf Platz 1 der Joe Zawinul-Awards wieder und bereiste die Studios von Los Angeles. Eine erste Single-Veröffentlichung („Divine Goldmine“) 2019 bereitet den erfolgreichen Weg Asrins auf die Club-Bühnen, wo er mit samtener Melancholie und einer kräftigen Portion Soul reüssieren kann. „In meiner Musik kann ich mich am besten ausdrücken und Emotionen sehr einfach transportieren. Das soll aber nicht nur im beschaulich kleinen Österreich passieren … the sky is the limit“, sagt Lou Asrin …

Vollständiger Artikel in der Printausgabe 

www.popfest.at

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