Als Erfinderin des sogenannten Grotesk-Tanzes ist Valeska Gert (1892-1978) in den 1920er Jahren bekannt geworden. Die hier versammelten O-Töne von Gertrud Valesca Samosch sollen fragmentarisch diese Ausnahmepersönlichkeit rekonstruieren. Der Höhepunkt als Tänzerin war Ende der 1920er Jahre. „Ich war genau genommen die wildeste Nummer damals“, behauptete die Berlinerin in einem Interview mit Volker Schlöndorff, einer von vielen Filmregisseuren, mit denen sie später arbeiten wird. Abgesehen von ein paar Fotos und kurzen Filmfragmenten gibt es nicht viel, was von ihren Tanzpantomimen übrig geblieben ist. Zum Tanz kam sie „aus dem Irrsinn meiner Vorgänger. Meine Vorfahren sind fast alle im Irrenhaus gestorben. Und ich war wohl auch sehr nahe daran. Der Gedanke der Ewigkeit hat mich als Pubertierende verrückt werden lassen. Ich musste diese Todesverzweiflung ableben.“ Die Fabrikantentochter kümmerte sich nicht darum, ob ihre Bühnenauftritte nun Schauspielerei oder Tanz waren, sie hatte einfach Spass an ihrer Hemmungslosigkeit: „Ich will nur auf der Bühne geliebt werden. Das will ich. Aber im Leben ist mir das ziemlich egal. Ich habe natürlich viele Männer gehabt, aber das hat mich nicht so berührt. Ich habe Zuhälter-Typen geliebt.“ Ihre Bühnenauftritte hatten eine Wucht, die skandalisierte. Sie war ein Bürgerschreck: „Ich habe auf der Bühne nach allen Seiten hin karikiert und übertrieben. Ich konnte sehr elegant sein, aber auch unerhört ordinär.“ Mit Bertholt Brecht, der von ihr begeistert war, teilte sie das Interesse am Trivialen, sie spielte im Film Die Dreigroschenoper mit, aber: „Er roch immer schlecht, und seine Sachen waren mir einfach zu hölzern“. Die Machtergreifung der Nazis zerstörte mit dem Berliner Theater- und Filmleben auch ihre Karriere. Via Paris gelangt sie nach Amerika. Eine Hollywood-Laufbahn verbaute sie sich durch Aussagen gegenüber Ernst Lubitsch wie: „Das sind alles Ansichtspostkarten, aber keine Menschen.“ In New York empfahl ihr Tennessee Williams, einen eigenen Nightclub zu eröffnen: „ Wenn ich mich einmal an eine Idee gewöhne, dann verbeisse ich mich schliesslich und komme davon nicht mehr weg.“ Sie findet einen leerstehenden Keller und betreibt nun die Beggar Bar. Man musste die Tische im voraus reservieren, sie wurde als Kabarettistin ein richtiger Geheimtipp am Broadway, aber „dann habe ich das instinktiv abgebrochen, wie alles in meinem Leben. Ich finde da immer einen Vorwand, komisch …“ Zurück in Berlin ist sie weiterhin als Kabarettistin aktiv, und schreckt nicht davor zurück, bereits in den 1950er Jahren die NS-Zeit zu thematisieren. 1978 stirbt sie in ihrem Ziegenstall genannten Alters-Refugium, das auch als Sommer-Bühne für Nachwuchs-Kabarettistinnen diente, in Kampen. Ein paar Monate vor ihrem Tod entsteht dort auch der Porträtfilm Nur zum Spass, nur zum Spiel – Kaleidoskop Valeska Gert von Volker Schlöndorff, in dem die Lebefrau ihm folgendes unterbreitete: „Wenn ich etwas fasse und schaffe bin ich immer in Trance. Ich habe nie Rauschgift genommen, ich bin viel zu hemmungslos. Ich weiss genau, das ich nichts machen darf: ich rauche nicht, ich trinke nicht. Ich würde hemmungslos verfallen. Deswegen war ich ja immer besonders gesetzestreu …“
Valeska Gert Retrospektive
Filmabend – Performance Loulou Omer – Ausstellung
Freitag, 10. März 19 Uh
Metro Kinokulturhaus
Johannesgasse 4, 1010 Wien