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Get Away

Text: Heinrich Deisel | Fotos: Magdalena Blaszczuk

Peter „Pita“ Rehberg – der Musiker und Betreiber der Labels Mego und Editions Mego war nicht nur einer der international prominentesten Elektronikmusiker, sondern auch einer der wichtigsten Ermöglicher. Im Rahmen der Wiener Festwochen findet Ende Mai ein Abend mit Konzerten und DJ-Lines statt: A Tribute to Peter Rehberg and Edition Mego

Von den acht Solo-Alben Rehbergs, der im Juli vorigen Jahres im Alter von nur 53 Jahren verstorben ist, haben fünf eine Aufforderung im Titel: Etwa „Get Off“ (2004) oder die letzten beiden „Get In“ (2016) und „Get On“ (2019). Schon die ersten beiden, „Get Out“ von 1999 und „Get Down“ drei Jahre später, machten klar, worum es Rehberg ging und was er dann konsequent weiterentwickelte. Für ein Stück von „Get Out“ verarbeitete er ein Sample aus einem Soundtrack des Komponisten Ennio Morricone und auf dem Cover von „Get Down“ ist, comichaft, eine Batterie abgebildet, die grummelnd einzufordern scheint: „Hey, da geht aber echt mehr!“
In London geboren, wurde Peter Rehberg 1995 Teil des Wiener Labels Mego. Die erste Platte, die Maxi „Fridge Trax“, ist zu einer genrekonstituierenden Veröffentlichung geworden mit einer Elektronikmusik, die Punk als Produktionsästhetik konsequent ernst nahm. „Fridge Trax“ entsetzte nicht nur die Techno-Community mit ihrer Geschichtsmächtigkeit, sondern diese andere, nun durch Soundkultur informierte Referenzia-lität wirbelte auch elektroakustische Musik durcheinander. Ganz im Sinne der Einstürzenden Neubauten – „Zerstöre die Harmonien und du zerstörst die sozialen Strukturen“ – wusste Peter Rehberg akribisch genau, was er zu zerstören, oder mindestens zu überwinden oder zu stören hatte.

Ceci n’est pas un objet sonore

Es ist kein Zufall, dass Peter Rehberg seine in der Wiener Musik-Bar Blue Box gegen Ende der 1990er organisierte Veranstaltungsreihe „Club Duchamp“ nannte, sondern war eine wohlkalkulierte Übertragung oder Aneignung avantgardistischer Kunstgeschichte zugunsten von aktualisierter Elektroakustik in Form von Laptop-Electronica-Musik. Wie überhaupt für Rehberg Duchamp stets der wichtigere Bezugspunkt war als etwa John Cage, ein Umstand, der später wohl dazu führte, dass sich Rehberg umso intensiver mit elektroakustischer Komposition beschäftigte. Mit zunehmender musikalischer Professionalität, man könnte auch sagen, mit besseren Fähigkeiten, Strom zu formen, ließen sich immer mehr Einflüsse von Musikschaffenden rund um die Pariser Groupe de Recherches Musicales (GRM) wie Bernard Parmegiani oder Beatriz Ferreyra ausmachen. Auf Recollection INA/GRM, einem 2012 gegründeten Sub-Label von Editions Mego, brachte Rehberg rund 30 historische Aufnahmen neu heraus, darunter eine Zusammenstellung von GRM-Arbeiten des Komponisten Iannis Xenakis aus den späten 1950er Jahren.
Peter Rehberg war ein Maniac, der neben seinen Musikertätigkeiten an die fünf Alben pro Monat veröffentlichte. Seit 2006, der Gründung von Editions Mego, erschienen mehr als 500 Titel. Spürte Rehberg, dass er nur wenig Zeit hatte? Oder wollte er sich keine Zeit gönnen, wie es der Rock’n’Roll-Mentalität gemäß heißt: „Live fast, die young“?

© Magdalena Blaszczuk

Legendär auch seine Kommunikation, die ihn einerseits zu einem begnadeten Netzwerker machte und die Karrieren junger Künstlerinnen und Künstler wie Klara Lewis oder Nik Void förderte. Aber mindestens genauso viele Menschen sprachen von Spleen, Überheblichkeit oder Arroganz. „That’s brilliant!“, Just a joke!“ und „F*ck off!“ stets in einem latenten Schwebezustand. All sein enthusiastisches Tun und Wollen galt der Musik.
In einer Publikation zu „20 Jahre Edition Mego“ beschrieb Christian König ihn als einen Prototyp verflüssigter Orts- und Körperlosigkeit, als Knotenpunkt im rhizomatischen Netz digitaler Kunstproduktion. In diesem Artikel – erschienen 2015 in „skug“ – sagte Rehberg: „Alles, was ich brauche, ist ein Internetanschluss und einen nahe gelegenen Flughafen. Es spielt keine Rolle mehr, wo du lebst, du kannst eine Szene in einem kleinen Bergdorf starten, wenn du das wirklich willst.“

Die nächste Generation

Anfang des Jahres erschien auf dem Netz-Label $ pwgen 20 die Compilation „Get This“ mit 32 internationalen Beiträgen, die die große Bandbreite von Kulturschafenden dokumentiert, die sich von Rehberg beeinflussen ließen.
Am 28. Mai gibt es im Wiener Club Das Werk „A Tribute to Peter Rehberg“. Kuratiert wird dieser Festwochen-Abend von Isabelle Piechaczyk in Zusammenarbeit mit Gisèle Vienne, zwei der langjährigsten Weggefährtinnen Rehbergs. Auf zwei Floors spielen 13 Editions-Mego-Artists und -Projekte, darunter Fennesz, General Magic & Tina Frank und Caterina Barbieri, und Chra, Inou Ki Endo sowie Russell Haswell spielen DJ-Sets. Ein Schwerpunkt des diesjährigen Festwochen-Festivals ist dem hundertsten Geburtstag von Iannis Xenakis gewidmet. Einen besseren musikalischen, ästhetischen und künstlerischen Rahmen hätte sich Peter Rehberg für dieses Tribute wohl kaum wünschen können.
Auf Editions Mego sind aktuell die Neuauflagen der legendären Alben „Hotel Paral.lel“ von Fennesz und „Franz“ von General Magic zum ersten Mal auf Vinyl erschienen. An die sechs weiteren Veröffentlichungen hatte Rehberg noch vorbereitet: Diese werden bis Ende des Jahres vom Label Trost Records produziert.
Es gibt ein reichhaltiges Wiener Erbe nach Peter Rehberg und Editions Mego, siehe etwa das vom Mego-Artist Jung an Tagen geleitete Label Etat.

 

A Tribute to Peter Rehberg and Edition Mego
28. Mai, das Werk
Spittelauer Lände 12, 1090 Wien

www.festwochen.at

 

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