Man schreibt das Jahr 1994. Die 23-jährige Claudia Schiffer betritt den Laufsteg, gehüllt in ein Abendkleid, das tief-dekolletiert und mit Schriftzügen in einer fremden Sprache bedruckt ist. Auf den ersten Blick nicht sonderlich spektakulär. Dennoch sollte diese Chanel-Show in die Geschichte eingehen: Was Chefdesigner Karl Lagerfeld damals nämlich für einen Auszug aus einem romantischen Gedicht hielt, entpuppte sich als Verse aus dem Koran. Dass Zeilen dieser heiligen Schrift auf dem üppigen Busen eines deutschen Models prangten, führte unausweichlich zu Protesten muslimischer Gruppierungen, die sogar Morddrohungen gegen den Designer aussprachen. Der tat darauf das, womit niemand gerechnet hatte: Er entschuldigte sich öffentlich für den Fauxpas und ließ alle Ausführungen des Kleides vernichten. Die „satanischen Brüste“, wie die Presse damals titelte, sind seitdem Beispiel dafür, dass auch die Mode nicht immun ist gegen die Macht der Religion. Das hielt die Designer allerdings nicht davon ab, sich immer wieder in dieser schwierigen Disziplin zu versuchen und ihren Zugang zum Glauben textilen Ausdruck zu verleihen. Genau da setzt die diesjährige Ausstellung des New Yorker MET Museums an.
Brücken bauen
Aus diesem Anlass versammelte sich vor einigen Wochen eine Gruppe von Menschen, die man sonst wohl nicht oft gemeinsam zu sehen bekommt, im römischen Palazzo Colonna: Die Chefredakteurin der amerikanischen „Vogue“ und Schirmherrin der alljährlichen MET-Gala Anna Wintour stand dort, höchst zugeknöpft, neben Designerin Donatella Versace und Kardinal Gianfranco Ravasi, seines Zeichens Präsident des päpstlichen Kulturrates. Mode-Päpstin trifft auf Gottesdiener. Übrigens gilt letzterer in Kirchenkreisen praktisch als Punk. Vergleichsweise aufgeschlossen und empfänglich für die Kultur der Jugend führte er erstmals in der Geschichte der Kirche ein rein weibliches Beratergremium für seinen Rat ein, bestehend aus 35 Frauen verschiedenster Nationen und Herkunft. Was für viele nicht besonders bemerkenswert klingen mag, wird bis heute von katholischen Oberhäuptern scharf kritisiert. Man merkt also bereits – dieses Jahr spielt man mit einer heiklen Thematik. „Heavenly Bodies: Fashion and the Catholic Imagination“ gilt deshalb zu Recht als das bislang kontroverseste Thema der alljährlichen Ausstellungsreihe.
Vor allem der Einsatz des weiblichen Körpers in Verbindung mit religiöser Symbolik sorgt regelmäßig für Verstimmung verschiedenster Gruppierungen. Der Zwiespalt: Zeigt man zu viel Fleisch, ist Empörung nicht weit, zu verhüllend nennt die Modewelt wiederum Prüderie. Begriffe wie Pietätlosigkeit oder gar Ketzerei sind meist auch nicht weit. Sieht man sich die für die Ausstellung ausgewählten Kleidungsstücke an, fällt schnell auf, dass man sich eher für die sichere Seite entschieden hat. Diese zeigen sich zwar opulent und überschmückt, aber dennoch brav verhüllt und nicht zu kokett. Die einstimmige Message der Designer: Wir spielen zwar mit einer ernsten Thematik, huldigen aber gleichzeitig den wichtigen Einfluss des Glaubens und der Religion auf unser aller Leben. Ein kleiner Rückblick in die Modegeschichte zeigt, dass es auch anders ginge …
Vollständiger Artikel in der Printausgabe.
Heavenly Bodies. Fashion and the Catholic Imagination
The Met Fifth Avenue und The Met Cloisters
The Metropolitan Museum of Art, New York
10. Mai bis 8. Oktober, 2018