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Hinrich von Haaren

Text: Carola Leitner | Fotos: Pamela Russman

„Wer hier ins Grübeln kommt, findet kein Ende außer dem eigenen.“ So das Urteil der Mutter des Protagonisten über Brandhagen, das Dorf, in welchem sich das Leben aller handelnden Figuren der Geschichte abspielt. Die eingeschworene dörfliche Gemeinschaft wehrt sich ebenso wie die Familien innerhalb dieser gegen Veränderungen und Einflüsse von außen. Die Abgeschlossenheit des Dorfes und die der Familie(n) stellt den begrenzten Handlungsschauplatz des kindlichen Beobachters. Erzählt wird aus einer neutralen, distanzierten Position heraus, die eine eindringliche und seltsame Spannung erzeugt. Der sein eigenes und das Leben der anderen beschreibende Bub bleibt bei seiner Wahrheit und urteilt nicht. Dass das Kind manchmal Dinge weiß, die es nur als „allwissender“ Erzähler wissen kann, stört nicht; auch wenn dies die gewohnte Erzähler-Rolle durchbricht. Anhand des familiären Mikrokosmos erlebt man die Wunder und Wunden, die die Kindheit schmerzhaft schön sein lassen. „Trotz des heftigen Gepolters, das mein Sturz verursacht hatte, und obwohl meine Eltern nur wenige Schritte entfernt in ihren Sesseln hockten, kam niemand in die Küche gelaufen. Vielmehr schien das Haus noch stiller, als säßen sie mit angehaltenem Atem in der Hintenstube, gespannt, wie ich die Situation meistern würde. Mit meinem Stock, den ich vom Boden aufgesammelt hatte, etwas wankend, aber doch mit meinem allerbesten Großmutterschritt, kehrte ich ohne Süßigkeiten in mein Zimmer zurück (…).“ Die Geschichte des Buches – eine Art Roman – ist eingebettet in eine wie es scheint zeitlose Welt, in welcher die hierarchischen Machtverhältnisse, die kleinen und großen Siege über den anderen als unwichtig entlarven. Die alleinige Kontrolle über die Ereignisse obliegt den Frauengestalten im Buch, anhand derer sich die „Palette der Menschencharaktere“ dem älter werdenden Kind erschließt. Hinrich von Haarens Beschreibung des langsamen Sich-Ablösens von liebgewonnenen Gewohnheiten und Menschen als „Panorama einer kleinen Gesellschaft“, so der Untertitel, ist erfreulich ungewöhnlich und anders. Der Blick auf dieses „kontrollierte Unglück“ lohnt.

Hinrich von Haaren: „Brandhagen“

| FAQ 17 | | Text: Carola Leitner | Fotos: Pamela Russman
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