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Hohelied auf Vivienne

Text: Ballhausen Thomas | Fotos: Vivienne Westwood Archive
© Ben Westwood Archive

Ausgehend vom Trubel der Eröffnung einer Schau in Paris folgt man Westwoods unterhaltsamem Selbstentwurf: Die Autodidaktin kommt zu Wort, direkt zitiert von ihrem Co-Autor Ian Kelly. Dabei erzählt und kontextualisiert sie ihr Schaffen ganz im Zeichen ihres monarchischen Logos, einem von den Saturnringen umkreisten Reichsapfel. Aus dem Mädchen vom Lande, das eine Kindheit zwischen „Moor und Fabrik“ verlebt und im Zeitalter kriegsbedingter Rationalisierung schon sehr bald DIY für sich entdeckt, wird über einige Umwege die Mutter des Punk. Eigenwillig wird hier der Gestus der Improvisation fortgesetzt, ergänzt um ein stärker werdendes Ausbrechen aus Klischees und gesellschaftlich vorgegebenen Rollenbildern. Untrennbar mit Malcolm McLaren, den Sex Pistols oder dem silbernen „Jubilee“ Elisabeth II. verbunden, zeigt sich hier ihr Interesse an Extremen, die ungebrochene Lust, aufzufallen und sich gegen den Geist und die Konventionen der Zeit zu stellen. Punk wird dabei aber nicht nur als Ausdruck von Frustration und betont aggressiver Wahrheiten erfahrbar, sondern einmal mehr auch als gutes Geschäft. Mit Kollektionen wie „Pirates“, „Mini Crini“, „Harris Tweed“ und schließlich „Anglomania“ gelingt der Aufstieg zum Modeimperium. Models wie Sara Stockbridge oder Naomi Campbell werden zu den Aushängeschildern einer Anerkennung findenden Designerin. Westwood wird in dieser prägenden Zeit endgültig zur Ikone, die im öffentlichen Bewusstsein „zwischen einer kapriziösen Operndiva und einer kostümhistorischen Domina“ changiert. Das ganz generell zu problematisierende Verhältnis aus Mode als Diskurs, Couture als Szene bzw. wirtschaftlicher Rahmung und Kleidung als Objekt lässt sich auf Westwoods Entwicklung von Punk über referenzgeladenen Elitismus hin bis zu ihrem bewundernswerten politischen Engagement übertragen. Verbindend ist hier wohl immer die Gegenwartsreflexion mit den Mitteln der Mode anzusetzen, die in ihrem Fall zwischenzeitlich aber auch unvermeidlichen Momenten von Musealisierung unterworfen ist. Strategie und Lust fallen in dieser Darstellung sinnstiftend zusammen: „Das beste Accessoire? Ein Buch“, so die stilsichere Vivienne Westwood.


Vivienne Westwood, Ian Kelly

Vivienne Westwood

Eichborn Verlag, Frankfurt a.M.

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