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In Linz ging die Post ab

Text: Oliver Stangl | Fotos: Press
Foto © Florian Voggeneder

Unter dem Motto „Post City – Lebensräume für das 21. Jahrhundert“ widmete sich das renommierte Linzer Ars Electronica Festival diesmal der Zukunft urbaner Lebensräume. Besonders eindrucksvoll gestaltete sich dabei, allein schon von den Dimensionen her, das diesjährige Festivalzentrum: Bei der „Post City“ handelt es sich um ein stillgelegtes, 80.000 Quadratmeter großes Postverteilerzentrum, das mit seinen zahlreichen Hallen vielfältige Möglichkeiten der Kunstpräsentation bot (zudem steckt im Namen eine schöne Doppeldeutigkeit). Bei der Eröffnung beeindruckte unter anderem eine Vokaldarbietung von Underground-Legende Didi Bruckmayr, vor allem aber die Performance Diaspora Maschine von Anatol Bogendorfer und Peter Androsch, die die enorme Paketrutsche, die als Schallverstärker diente, eindrucksvoll zu nutzen verstand. Das Thema der Flüchtlingsströme wurde hier dem Titel entsprechend musikalisch – Androsch setzte einen Kinderchor ein, bediente aber auch Industrial-Elemente – und performativ thematisiert.

Auch bei der Prix Ars Electronica Gala im Brucknerhaus dominierte in den Reden der Anwesenden Politiker, darunter Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, das Thema der Migration. Der Tenor: Die Krise solle als Chance genützt werden, politischer Hetze solle man sich entgegenstellen. Ein Kritikpunkt an der insgesamt professionell gestalteten und mit interaktiven Performances aufgelockerten Gala war allerdings wie jedes Jahr die Überlänge – da half es auch nicht, dass manche der Politikerreden fast schon Wahlkampfcharakter hatten.

Die Preisträger waren jedenfalls allesamt verdient: Für sein Lebenswerk wurde der gebürtige Australier Jeffrey Shaw, der Vielen als Vater der Medienkunst gilt, geehrt. Die Goldene Nica für Hybrid Art ging an den Mexikaner Gilberto Esparza für die komplexe symbiotische Installation „Plantas Autofotosintéticas“ und im Bereich der Computer Animation wurde nach den Worten von Festivalleiter Gerfried Stocker mit der Auszeichnung eines nicht-narrativen Films erstmals eine Schallmauer durchbrochen. Zu Recht, den mit „Temps mort“ schuf die Belgierin Alex Verhaest eine bildgewaltige und geheimnisvolle Welt voller verschrobener und melancholischer Charaktere. Der Nachwuchspreis U19 ging an Gabriel Radwan für seinen poetischen Kurzfilm Inside & Between und mit dem Preis the next idea wurde ein indonesisches Frauenkollektiv prämiert, das mit dem Projekt Soya C(o)u(l)ture Wege aufzeigt, die bei der Soya-Produktion enstehende Wasserverschmutzung zu minimieren und gleichzeitig ein neues Produktionsverfahren einzuleiten, mit dem sich unter anderem Textilien oder Biotreibstoff herstellen lassen.

Letzteres passte gut zu einem weiteren Fokus des Festivals, der Mobilität. Für einiges Aufsehen sorgte dabei der selbstfahrende Mercedes F 015 Luxury in Motion (ein ausführlicher Artikel zum Wagen findet sich hier), während unter den Kunstwerken Segways aus Holz hervorstachen, die das Thema nachhaltiger Fortbewegung ironisierten. Im Ars Electronica Center gab es bewährte interaktive Kunst, die Symposien boten Stoff zum Nachdenken und die Nightlines eigneten sich gut, um mit Kunstinteressierten und Künstlern ins Gespräch zu kommen. Die rund 92.000 Besucher waren dem Festival zu gönnen.

| | Text: Oliver Stangl | Fotos: Press
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