Im Juli wird David Hockney, einer der prominentesten Maler der Gegenwart, 85 – und die Schaffenskraft des Briten ist nach wie vor ungebrochen. Kein Wunder, denn der Mann fühlt sich, das hat er in Interviews immer wieder betont, sehr wohl mit dem, was er tut. Im englischen West Yorkshire als viertes von fünf Kindern geboren, bekam Hockney schon früh Kunstunterricht und studierte am Royal College of Art. Ging er zunächst noch diversen Lehrtätigkeiten nach, beschloss er nach einer ausverkauften Einzelausstellung, ein Künstlerleben zu führen. Nach einer expressionistischen Phase kam der Durchbruch Mitte der 1960er Jahre in den USA: In L.A. schuf Hockney jene Swimmingpool-Gemälde, die zu den bekanntesten künstlerischen Arbeiten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zählen. Diese Bilder wurden von der Kunstkritik oft als Ausdruck von Hockneys Persönlichkeit interpretiert: Der darauf vorkommende männliche Körper spiegle die erotische Seite des homosexuellen Künstlers, andere Arbeiten der Serie würden ebenso von innerem Frieden wie emotionaler Aufgewühltheit erzählen, etwa „A Bigger Splash“ (1967).
Im Pariser Musée de l’Orangerie war bis Februar 2022 eine Ausstellung mit aktuellen Arbeiten zu sehen: „A Year in Normandie“ ist ein 90-Meter-Fries, das Hockney während des Lockdowns 2020 am iPad kreierte. Es besteht aus zahlreichen Einzelwerken und zeigt die wechselnden Naturlandschaften im Laufe der Jahreszeiten des Pays d’Auge, wo der Künstler lebt. Gleichzeitig spiegelt das Fries die impressionistischen „Wasserlilien“ Claude Monets wider, die für das Museum emblematisch sind. Zunächst habe man ihm noch gesagt, dass man heutzutage keine Landschaften mehr malen könne, worauf er geantwortet habe: „Landschaft an sich kann gar nicht langweilig sein. Was langweilig geworden ist, ist nur die Art, sie abzubilden.“, so Hockney. Die Ankunft des Frühlings mit konventionellen malerischen Mitteln einzufangen, sei dabei aufgrund der Geschwindigkeit des Vorgangs stets schwierig gewesen. Das iPad habe sich hier als bedeutendes neues Werkzeug erwiesen und ihm erlaubt, während der Arbeit in seinem geheizten Toyota zu sitzen – mit 83 spüre man die Kälte eben schon. Hockney wollte sich zunächst auf den Frühling beschränken, der Sommer habe ihm jedoch eine Atempause verschafft und ihn im Entschluss bestärkt, sich gleich dem Jahreszyklus zu widmen. Das Ergebnis ist eine von kräftigen Farben dominierte Auseinandersetzung mit dem Impressionismus, die von einer friedvoll-kontemplativen Grundstimmung geprägt ist; naturalistische Elemente treffen auf digital-abstrakte Details.
Taschen hat nun ein Künstlerbuch mit über 220 iPad-Zeichnungen veröffentlicht: Alle Arbeiten sind auf blauem Papier aufgeklebt, ein zusätzlicher Band enthält Faksimiles von zwei Skizzenbüchern, die im Vorfeld des einjährigen Projekts entstanden sind. Ein Buch für Sammler und Kunstliebhaber, das wohl schnell selbst an Wert gewinnen wird.
David Hockney. 220 for 2020
Hans Werner Holzwarth (Hg.)
Taschen Verlag, Hardcover, 2 Bände in einer Schlagkassette
Band 1: 43,6 x 31,2 cm, 236 Seiten
Band 2: 28 x 19,8 cm, 174 Seiten
www.taschen.com