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Jäger der gestohlenen Schätze

Text: Jörg Schiffauer | Fotos: 20th Century Fox

Im November 2013 veröffentlichte das Nachrichtenmagazin „Focus“ einen Artikel, der noch Monate später Wellen schlagen und für große Aufmerksamkeit sorgen sollte. Der Inhalt war allerdings auch einigermaßen spektakulär, denn im Zuge eines Finanzstrafverfahrens hatten die Behörden bereits Anfang 2012 die Schwabinger Wohnung des Kunstsammlers Cornelius Gurlitt durchsucht und dabei mehr als 1200 Bilder beschlagnahmt. Darunter befanden sich Werke so renommierter Künstler wie Marc Chagall, Pablo Picasso, Oskar Kokoschka, Max Liebermann, Pierre-Auguste Renoir oder Henri de Toulouse-Lautrec. Abgesehen davon, dass es schon erstaunlich genug war, dass jemand eine Sammlung, die jedem Museum alle Ehre machen würde, jahrzehntelang in einem unscheinbaren Münchner Apartment vor der Öffentlichkeit völlig verborgen aufbewahrt hatte, tauchten schon bald Fragen nach der Herkunft einer so einzigartigen Kunstsammlung auf – und da begann die Sache richtig brisant zu werden. Denn knapp 600 dieser Bilder gerieten mittlerweile in Verdacht als Raubkunst aus der Zeit des Nationalsozialismus eingestuft zu werden, weil ihr Erwerb durch Gurlitts Vater Hildebrand auf – vorsichtig formuliert – nicht immer ganz saubere Art erfolgt sein könnte.

Das weltweite Aufsehen, das der Fall Gurlitt erregte, wäre eigentlich das ideale Zugpferd für George Clooneys neue Regiearbeit The Monuments Men gewesen. Was könnte einem Spielfilm besseres passieren, als mittels einer aktuellen Diskussion einen Anknüpfungspunkt zu seiner Geschichte zu finden? Im Mittelpunkt steht die titelgebende Truppe –, offiziell das „Monuments, Fine Arts, and Archives program“ – die während des zweiten Weltkriegs von den USA ins Leben gerufen wurde, um im Zuge der militärischen Aktionen der alliierten Streitkräfte Kunst- und Kulturgüter vor der Zerstörung zu bewahren, aber auch von den Nazis geraubte Kunst aufzuspüren, um sie den rechtmäßigen Eigentümern wiederzuerstatten. Da insbesondere Raubkunst und vor allem die Frage der Restitution in Deutschland und Österreich ein seit vielen Jahren heftig diskutierter Themenkomplex – auch deshalb, weil von offizieller Seite dieses Problem lange verschleppt worden war – ist, waren in die Erwartungen an The Monuments Men hoch. Dass diese zum großen Teil auf Spekulationen basierten und in eine ziemlich falsche Richtung gingen, hat möglicherweise zu einigen Missverständnissen geführt.

Mission Impossible

Der Plot von The Monuments Men eröffnet mit der Aufstellung der Truppe. Dazu muss Frank Stokes (George Clooney), Kunsthistoriker und Restaurator am renommierten Museum der Harvard University „The Fogg“, allerdings jede Menge Überzeugungsarbeit leisten, denn im Kampf gegen Hitler-Deutschland zählt die Rettung von Kunst nicht zu den obersten Prioritäten der alliierten Armeen. Anhand eines drastischen Beispiels, nämlich der Zerstörung der Abtei Montecassino, gelingt es Stokes Präsident Roosevelt zu überzeugen, das der Bewahrung kulturellen Erbes erhebliche Bedeutung zukommt. Also darf er eine kleine Einheit rekrutieren, die sich diese Aufgabe vornehmen soll. Die diversen Kunstexperten bilden eine reichlich bunte Truppe aus ziemlich exzentrischen Individualisten, die in ihren Uniformen – die recht unterschiedlichen Physiognomien der Darsteller John Goodman, Bill Murray, Matt Damon, Bob Balaban, Hugh Bonneville und Jean Dujardin geben da schon einen äußeren Eindruck – reichlich deplatziert wirken.

Dennoch machen sie sich auf, um nach der Landung in der Normandie mit den Einheiten der Alliierten vorzurücken. Weil jedoch die Soldaten an vorderster Front wenig Verständnis für die Bemühungen zur Rettung von Kulturgut aufbringen – schließlich hat man eigentlich einen Krieg zu führen – und kaum Unterstützung leisten, erweist sich der Auftrag der Monuments Men als äußerst schwierig. Doch mit einer Mischung aus Enthusiasmus, Improvisationsgabe und Unkonventionalität stürzen sich Stokes und seine Männer in das Unternehmen, nach und nach stellen sich allen Widrigkeiten zum Trotz die ersten Erfolge ein. Nach der Befreiung von Paris wird ihnen vor Augen geführt, welche Ausmaße der Kunstraub durch die nationalsozialistischen Besatzer – insbesondere Hermann Göring tat sich da unrühmlich hervor – angenommen hatte. Denn die Kuratorin Claire Simone (Cate Blanchett), die in ihrer Arbeit beinahe täglich mit diesem gigantischen Raubzug konfrontiert gewesen war, hatte heimlich genaue Aufzeichnungen darüber geführt, welche Kunstschätze – darunter auch viele private Sammlungen, die die Nazis den jüdischen Eigentümern gestohlen hatten – abtransportiert wurden. Eine wichtige Informationsquelle für die Mannschaft von Frank Stokes, doch die Verstecke – darunter die Salzmine in Altaussee, die zum Schauplatz des großen Finales werden soll – aufzuspüren, in die die Nazis ihre Beute gebracht hatten, verlangt von den Monuments Men geradezu detektivische Fähigkeiten inmitten der Kriegswirrnisse.

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| FAQ 26 | | Text: Jörg Schiffauer | Fotos: 20th Century Fox
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