Im Jahr 1837 fing alles mit Koffern an: Zu Beginn war Louis Vuitton Kofferpacker am Hofe von Napoleon III., ehe er einige Jahre später sein erstes Geschäft in Paris eröffnete. Das typische Monogramm mit den zwei Buchstaben wurde aber erst nach Louis’ Tod von seinem Sohn Georges erfunden. Was als nette Geste dem Vater zu Ehren gedacht war, entwickelte sich, nach anfänglicher Ablehnung des verwöhnten Pariser Volkes, zu einem der gefragtesten Objekte der Modewelt und findet sich heute nicht nur auf Reisegepäck sondern eigentlich überall. Auf Gürteln, Schuhen, ja sogar auf Teeservices wurde es bereits gesichtet. In die Geschichte geht die Tasche mit dem bekannten Muster leider auch als die am meisten gefälschte ein. Ob offensichtlicher Fake oder gut nachgemachtes Urlaubsmitbringsel – so wirklich sicher ist man sich bei ihrer Sichtung nie.
Obwohl ein Konzern wie Louis Vuitton nie so ganz vom Bildschirm verschwindet, schafft es das Team um Vizepräsidentin Delphine Arnault und Kreativdirektor Nicolas Ghesquière in regelmäßigen Abständen, für fasziniertes Raunen in der Modemenge zu sorgen. Klar, dass man für das 160-Jahr-Jubiläum alles bisher dagewesene nochmal toppen musste und für einen richtigen Knaller sorgte, der sehr skurrile Ausmaße annimmt. „Die Ikone und die Ikonoklasten“ ist ein besonderes Projekt, das von Louis Vuitton ins Leben gerufen wurde, um das ikonische Monogramm des Hauses zu zelebrieren.
Ein Muster, das 1896 entstand und zum Symbol des modernen französischen Designs auserkoren wurde. Die ausgewählten Designer und Künstler bekamen für dieses Projekt völlige kreative Freiheit um einen ganz persönlichen Monogramm-Träger zu entwerfen. Gleichzeitig sollten diese den Geist des Hauses, ständige Innovation und immer etwas Neues zu wagen, widerspiegeln.
Die sechs Ikonoklasten könnten nicht passender sein. Der Mann, der die rote Sohle schuf, Christian Louboutin, Fotografin Cindy Sherman, Architekt und Spezialist für Schräglagen Frank Gehry, Unternehmer Marc Newson, Designerin Rei Kawakubo und – quelle surprise – Karl Lagerfeld. Letzterer scheint momentan fast überall seine beringten Finger mit im Spiel zu haben und verpasste dem Projekt seine typische, freche Handschrift. Für das Projekt designte er kurzerhand einen Louis Vuitton-Boxsack inklusive Boxhandschuhen und Schrankkoffer zur Aufbewahrung, den er „ein großes Spielzeug für verwöhnte Erwachsene“ nennt. Treffend.
Der kreativen Freiheit wurden tatsächlich keinerlei Grenzen gesetzt. So schuf die Fotografin Cindy Sherman, die für ihre kontroversen Ansichten und einen gewissen Hang zur Provokation bekannt ist, eine Reisetasche samt Schrankkoffer, mit Fächern für alles nur Mögliche, unter anderem auch für falsche Augäpfel. Zur bunten Farbgebung inspirierte sie ihr Haustier, ein Papagei.
Designer und Unternehmer Marc Newson, der vor allem für seine extravaganten Sitzmöbel bekannt ist und eigener Aussage nach so gar nichts mit Mode am Hut hat, ging etwas anders an das Projekt heran. Am liebsten entwirft er Dinge neu, deren bereits existierende Varianten er überhaupt nicht mag. Er mag keine Handtaschen, also kreierte er einen Rucksack, auf dem man mittels weichem Schaffell sogar ein Nickerchen machen kann. Pragmatisch, praktisch, gut. Herr Louboutin, seines Zeichens Schuhgott und Erfinder der roten Sohle, sieht seinen nietenbesetzten Monogramm-Trolley als Hommage an seine Heimatstadt Paris, wo die kleinen Einkaufs-Koffer vor allem auf den großen Märkten das Stadtbild prägen. Architekt Frank Gehry, Erbauer der gerade eröffneten „Fondation Louis Vuitton“ im Pariser Vorort Bois de Boulogne, startete mit der Überlegung, wie es wohl in so einer Handtasche aussehen könnte. Heraus kam ein Zwischending aus Koffer und Handtasche in für den Architekten typischer geschwungener Form.
Zu guter Letzt: Rei Kawakubo, Mastermind hinter Comme des Garçons und umjubelte Konzept-Designerin. Ganz klar eine der Führenden in der Modeszene, wenn es um hintergründiges Design und starke Messages geht. Bekannt für ihre Liebe zum Zerschneiden und Zerreißen, verpasste sie ihrem Monogram Bag auch einige große Löcher, durch die man auf den braunen Futterstoff durchblicken kann. Weniger Material, höherer Preis. Eigentlich ein Kuriosum, das die Frage aufwirft: Welche Preise sind noch gerechtfertigt und welche übertrieben? Ist Luxus überhaupt noch mit der besseren Qualität vertretbar oder dreht sich alles nur um die aneinandergereihten Buchstaben, die die ganze Welt mit richtig viel Geld verbindet? In einer Zeit, in der Fashion Bloggern schon mal Handtaschen und Schuhe im Wert mehreren Monatsmieten förmlich nachgeschossen werden und Goodie Bags bald mehr zählen als die Entwürfe am Laufsteg, keine leicht zu beantwortende Frage. Lasst es uns wie die Künstler selbst mit einem Augenzwinkern sehen und das Muster, das ganze 160 Jahre besteht, ein bisschen feiern und uns auf den nächsten Kracher freuen, den der Moderiese bestimmt schon in Planung hat. Denn ob’s einem gefällt oder nicht, die Botschaft dahinter ist nicht die schlechteste. Nämlich sich selbst, und vor allem die Modewelt nicht zu ernst zu nehmen.