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Komm unter die Patchworkdecke

Foto: Hanna Fasching

Wenn 5K HD mit einer Platte winkt, ist es Zeit, sich drei Tageslichtlampen bei Amazon zu ordern, die Patchworkdecke zu flicken und kauernd darauf zu warten, dass bald wieder die Sonne aufgeht. Die Wiener Fünfer-Partie mit der Gabe, bildungsbürgerliche Altmännervereine genauso aufzugabeln wie berufsjugendliche Craftbeer-Hipster, hat sich selbst gefressen. Und aus dem Pop-Pantscherl auf FM4 ein Album für den Jazzkeller rausgetrötet. Dafür ziehen die Barden um Mira Lu Kovacs den Stecker, machen sich nackt und husten dermaßen akustisch, dass sogar überzeugte Puristinnen wieder Biedermeiermöbel in die Altbauwohnung schleppen. Auf „Creation Eats Creator“ schimmert eine Ästhetik des Rückzugs in einer Welt, in der ohnehin alle permanent hören. In der alle content createn und husteln, sich selbst optimieren und zum Ayahuasca-Retreat in den Amazonas jetten. Nur um anschließend wieder in dieselbe Shitshow aus 80-Stunden-Entfremdung in der agilen Matrix zurückzukehren. Damit wollen 5K HD in ihrem happy gefickten Leben nichts zu tun haben, während sie vor dem Kamin hocken und in Suhrkamp-Büchlein über radikale Sanftheit blättern. In dieser Knister-, Knarz- und Kuschelwelt hat das Ohr keine natürlichen Feinde. Kovacs haucht ins Mikro, dass sich staatlich geprüfte ASMR-Youtuber vor lauter Entspanntheit aus dem Fenster werfen. Manu Mayr zwirbelt am Kontrabass mehr Groove aus seinem kleinen Finger als andere im Beckenboden haben. Und wer beim Gedanken an ein Candle-Light-Dinner mit Martin Eberles Lippenspannung nicht zwei, drei Tropfen in die Unterhose streut, hat Miles Davis nie verstanden. Die Stücke, allesamt Cover-Versionen von Vorgänger-Alben wie „High Performer“ stapeln in ihrer Akustik-Adaption mehr Ebenen als in veganer Lasagne. Wer sich darauf einlässt, kübelt das Dessert und nuckelt in dicken Ledergarnituren an Zigarren, die nach Patschuli duften. Oder den Soul auf der nach oben offenen Richterskala zu einem mittelschweren Erdbeben im Lendenbereich überführen. Keine Frage, „Creation Eats Creator“ ist kein Schuss aus der Hüfte, keine Handlung im Affekt. Einfach weil das Ding so sanft daherkommt wie fünflagiges Toilettenpapier. Das reißt nichts auf, sondern befriedigt. Und eröffnet das ideale Setting, um seinen Allerwertesten festzunageln, die Arbeit zu verweigern und Gedanken nicht ständig kreiseln zu lassen, sondern einzufangen und zu bündeln – ohne Absicht, Zweck oder Verwertungslogik. Dafür aus der Gewissheit, dass es schon gut ist, wenn Beständigkeit nicht Stillstand heißt.

5K HD „Creation Eats Creator“ (Ink Music)

 

| | Text: Christoph Benkeser
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