Hach, waren das noch Zeiten, als eine weltweite Gemeinde von Cineasten auf die Werke europäischer Auteurs wartete – ein Umstand, der heute kaum noch vorstellbar erscheint. Einer, dessen Filme sehnsuchtsvoll erwartet wurden, war der Italiener Federico Fellini (1920–1993), zweifellos einer der bedeutendsten Regisseure des Weltkinos. In seinen Filmen rangen Lebenslust und Tragik miteinander – das alles vor einer bildgewaltigen Kulisse (oftmals Rom), bevölkert mit Figuren, die glamourös, zwielichtig oder liebenswert (manchmal auch alles auf einmal) waren. Diese Bildgewalt und dieser radikal subjektive Stil drückten sich auch in einem enormen zeichnerischen Talent aus, das ihm beispielsweise bei frühen Beschäftigungen als Zeitungskarikaturist überaus gelegen kam.
Das Museum Folkwang präsentiert bis 20. Februar in der Ausstellung „Von der Zeichnung zum Film“ selten bis noch nie öffentlich gezeigte Zeichnungen Fellinis: Über 220 Arbeiten des Filmemachers können dort mit den schließlich realisierten Szenen in Filmstills und -ausschnitten, Drehbuchauszügen und Filmpostern verglichen werden.
Schnell wird klar, welch essenzielles Arbeitsmittel Zeichnungen für Fellini bei der Konzeption seiner Filme (ähnlich wie bei Hitchcock oder Eisenstein) darstellten – sie erfüllten nämlich gleich einen doppelten Zweck: Einerseits wollte sich der Meister damit selbst über bestimmte Figuren klarer werden, andererseits waren sie auch den Mitarbeitern im Filmstudio Cinecittà, die sie als Vorlagen für Kostüme, Maskenbilder oder Kulissen nutzten, eine Hilfe. In der Schau sind zwölf Filme vertreten, wobei der Schwerpunkt am Mittel- bis Spätwerk liegt: Amarcord (1973), Il Casanova (1976), La cittàdelle donne (1980) und E la nave va (1983).
Erste zeichnerische Arbeiten Fellinis – er hatte Teilnehmer eines faschistischen Zeltlagers karikiert – erschienen bereits 1937 in der Zeitschrift „Balila“. Gemeinsam mit einem Freund, dem Maler Demos Bonini, eröffnete der junge Federico das Atelier Febo (Federico-Bonini), das sich Zeichnungen von Frauen (eine lebenslange Obsession Fellinis) verschrieb. Der Eigentümer eines Kinos wurde so auf Fellinis Talent aufmerksam und beauftragte ihn, Karikaturen angesagter Stars zu zeichnen. Die erste Rutsche zum Kino war gelegt. In den 1940er Jahren war Fellini dann zunehmend auch als Drehbuchautor tätig, darunter für Roberto Rossellinis neorealistischen Klassiker Roma città aperta (1945). 1952 konnte er mit Lo sceicco bianco schließlich seine ersten Regiearbeit vorlegen – der Rest ist Filmgeschichte.
Der gleichnamige Katalog zur Schau ist in der Edition Folkwang / Steidl / Diogenes erschienen – und es ist ein wirklicher Prachtband geworden. Zitiert wird darin u. a. aus einem Interview, in dem Fellini 1983 über seine „Besessenheit“ spricht: „Das ist so etwas wie eine Manie von mir, ich mache solche Kritzeleien schon immer, schon als ich noch ganz klein war, schmierte ich stundenlang mit Bleistiften, Kreiden und Farben auf jeder weißen Fläche herum, die mir in den Weg kam (…). Bei den kleinen Zeichnungen, die ich vor jedem Film mache, handelt es sich, meine ich, einfach um eine Art und Weise, sich etwas zu notieren, Ideen dingfest zu machen; der eine wirft hastig ein paar Worte, eine Empfindung aufs Papier, und ich zeichne eben, entwerfe die Züge eines Gesichts, Einzelheiten eines Gewands, die Körperhaltungen einer Person, ihren Ausdruck, gewisse anatomische Eigenheiten.“ Freilich zeichnete Fellini auch Figuren aus dem echten Leben – besonders häufig seine Frau und mehrmalige Hauptdarstellerin Giulietta Masina oder seinen Stammkomponisten Nino Rota (erste Bücher mit Fellini-Zeichnungen erschienen bereits in den 1970er Jahren in Italien, Deutschland und der Schweiz).
Sieht man sich im Katalog die Gegenüberstellungen von Porträt und Filmfigur an, muss man mitunter schmunzeln, so nahe ist Fellini im Film den Entwürfen gekommen. Die versammelten Zeichnungen seiner Protagonisten sind humorvoll überzeichnet, aber selten böse – ein Zeichen dafür, dass Fellini seine Figuren aufrichtig liebte. Und sie funktionieren durchaus auch für sich, ganz unabhängig vom Film.