Noch immer ist es keine Selbstverständlichkeit, Fotografie und Malerei gleichberechtigt nebeneinander zu stellen. Im Kunstforum Wien wagt man dies aktuell in Sachen chinesischer Kunst – und das Ergebnis ist einnehmend: Die junge Malerin Bai Di, Jahrgang 1986, ist eine Meisterin des Expressionismus, der sich bei ihr in Themen wie Isolation und (politischer) Gewalt auf in zumeist großflächigen Werken niederschlägt. Dabei sind ihre Anfänge auf dem Gebiet der Landschaftsmalerei noch zu erahnen (besonders eindrucksvoll gestalten sich zwei Triptycha in rot respektive blau), wenn sie die Natur mit ausdrucksstarken Farben und Farbklecksen verfremdet. Doch immer wieder tauchen Menschen auf: Eine Frau, die dabei ist, aus großer Höhe in einen kleinen Pool, der eher wie ein alles verschlingendes Loch anmutet, zu springen, erscheint als individuelles Drama; eine Gruppe von Personen, die in angedeuteter urbaner Umgebung von Flammen umgeben sind, lässt sich als politische Metapher auslegen.
Individuell im Wortsinn – und dabei möglicherweise subtil politisch – sind die Fotografien des 54-jährigen Feng Jianguo: Zwischen 2007 und 2010 schuf er einen Zyklus, der in Tibet lebende Menschen zeigt. Der Professor für Fotografie, der sich auf Großbildkamera spezialisiert hat, rückte Bauern, Mönche, Frauen, Kinder oder Mechaniker von der Taille aufwärts ins Bild. Die Gesichter, die er stets in schwarz-weiß vor neutralem weißem Hintergrund ablichtete, treten dabei durch den gewählten Stil besonders markant hervor. Details wie traditionelle, aber auch alltägliche Kleidung geben viel von den zwischen Religion und harter Arbeit pendelnden Lebensbedingungen auf dem größten Hochplateau der Welt preis. Viele der Männer und Frauen wirken, nicht zuletzt im Vergleich mit im Wohlstand lebenden Europäern, frühzeitig gealtert (neben den Fotos ist das Alter der Porträtierten vermerkt), doch vermeint man zumeist dennoch, unerschütterliche Lebensfreude ausmachen zu können. Es sind Gesichter, die im Betrachter noch lange nachhallen.
Der Reiz der empfehlenswerten Ausstellung liegt nicht zuletzt in einer Art komplementärem Kontrast: Während die expressiven Bilder von Bai Di mit realistischen Themen unterlegt sind, findet sich im Realismus Feng Jianguos ein nicht unbeträchtliches Maß an Stilisierung. Von einem Leben, das nicht einfach ist, erzählen beide.
Bai Di / Feng Jianguo
Noch bis 17. September
Bank Austria Kunstforum Wien
Freyung 8, 1010 Wien
Eintritt frei