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Licht ins Leben

Text: Günther Bus Schweiger | Fotos: Press
Foto: Eliot Lee Hazel

Es ist einer der Widersprüche im gesamten Kulturbetrieb, dass einerseits natürlich alles künstlich erschaffen wird, andererseits geradezu eine verzehrende Gier nach dem „Echten“ herrscht. Eine Sucht nach dem echten Leiden, den echten Schmerzen, dem echten Wahn- und Irrsinn. Und natürlich sind wir als Zuseher und Zuhörer immer auch Voyeure und sensationslüsterne Mittäter. Konzertbesucher erzählen sich Heldengeschichten von besoffenen Musikern, die den Abend einzigartig machten, weil die Spannung, ob das jetzt daneben geht oder doch nicht, zur eigenen Kurzweil beiträgt. Das Showbusiness ist grausam. Dabei geht es immer nur darum: Was macht der Künstler mit seinen Eindrücken, wie verarbeitet er sie, kommt ein Lied dabei heraus, das noch nicht geschrieben wurde und das der Kunstform Song etwas abringt, das bewegt und Gefühle –egal ob Mitleid, Freude oder was auch immer – auslöst In diesem Zwiespalt zwischen tief empfundenem Schmerz und Gafferei bewegt sich auch die Karriere von Cat Power. Es gibt hunderte Geschichten von Konzerten am Rande des Abbruchs, von immer nur angespielten Songs und einer Künstlerin, die gerade nicht im Vollbesitz ihrer Orientierung war, von Trennungen, Drogen, Geldproblemen und Spitalsaufenthalten. Und es gibt ihre Songs, ihre unglaublichen Coverversionen und ihre Stimme, die aus dem Meer der Mittelmäßigkeit herausragen und sie zu einer der Großen der Gegenwart machen. Die persönlichen Turbulenzen wird man vergessen, aber die Songs ihres Lebens begleiten jetzt schon fast eine Generation, die sie aus sicherem Abstand verehrt.

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Foto: Eliot Lee Hazel 

Mit „Wanderer“ kehrt Cat Power nun sechs Jahre nach ihrem letzten Album mit eigenen Songs auf die große Bühne zurück – und es ist so ziemlich der leiseste Paukenschlag, den man sich vorstellen kann. Auch die letzten Jahre waren kein Spaziergang, aber am Cover zeigt sie uns zwei Säulen, an denen sie sich festhalten kann: ihren Sohn und die Gitarre. Und auch wenn der Angel of Death einmal um die Ecke blickt, so zeigen doch Zeilen wie „The doctor said I was not my past / he said I was finally free“, in „Woman“, einem Duett mit Lana Del Rey, dass auch neue Lebensentwürfe abseits von permanenten Abstürzen auf einmal als ernste Möglichkeit ins Auge gefasst werden. Die Songs auf „Wanderer“ lassen ahnen, dass sie dabei ist, den Kampf zu gewinnen. Auf einen Produzenten wurde verzichtet und damit eine hochpersönliche Klangumgebung erschaffen, die Schlankheit zulässt und der Stimme viel Platz gibt. „Wanderer“ ist eine wesentliche Wegmarke für diese singuläre Songwriterin.

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Cat Power: Wanderer (Domino Records) 

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