Robert Longo, Jahrgang 1953, ist ein Mann vieler Talente. Der gebürtige New Yorker, der u. a. an der Kunstakademie in Florenz studierte, probierte sich in Kunstsparten wie Skultpur und Malerei aus, führte Regie bei TV-Serien, Musikvideos (u. a. für New Order, R. E. M oder Megadeth) und beim Cyberpunk-Film Johnny Mnemonic (eine William-Gibson-Adaption mit u. a. Keanu Reeves und Takeshi Kitano, 1995). Das Medium jedoch, mit dem er berühmt wurde, und das ihm in den Nullerjahren auch einige Auktionsrekorde bescherte, ist das der Kohlezeichnung. Diesen eindrucks- und ausdrucksvollen Arbeiten, die so monumental wie fotorealistisch daherkommen, widmet die Albertina von 30. August bis 12. Jänner eine umfangreiche Ausstellung. In seinen Kohlezeichnungen gehe es dem Künstler dabei, so Albertina-Kuratorin Elsy Laher, „um das Aufzeigen von Macht – in Natur, Politik und Geschichte. Longo verwendet tausendfach publiziertes Bildmaterial, das Teil unserer Populärkultur, oft unseres kollektiven Gedächtnisses geworden ist.“
Longo begann in den siebziger Jahren, inspiriert von einem Filmstill aus Rainer Werner Fassbinders Der amerikanische Soldat (1970), mit seinen hyperrealistischen Zeichnungen. Die revolutionäre Serie „Men in the Cities“, die ein Teil der Schau ist, brachte ihm den Durchbruch; Longo fotografierte dafür Personen aus seinem Bekanntenkreis in allerlei Verrenkungen, aber auch liegend. Mit einem Projektor wurden die Fotos vergrößert, die Kleidung zu schwarzweißen Outfits vereinheitlicht. Viele dieser Arbeiten – 60 davon entstanden zwischen 1979 und 1982 – gelten als Studien von Todesmomenten, als Momentaufnahmen von Personen, die gerade erschossen werden. Eine scheinbar paradoxe, höchst spannende Verbindung von Morbidität und Dynamik. Dazu passend zeigt die Albertina auch die Serie „Bodyhammers“, in der Longo die „gun culture“ der USA in den Blick fasst. Weiters in der Ausstelltung vertreten sind die Serien „God Machines“ – eine Untersuchung monotheistischer Weltreligionen – und „The Destroyer Cycle“, eine Auseinandersetzung mit globalen politischen Ereignissen.
Zu Longos Strategien heißt es in der Ankündigung der Albertina: „Er isoliert und reduziert die Motive mit dem Ziel der Potenzierung der Bildwirkung. (…) Die dramatischen Licht- und Schatteneffekte der Zeichnungen betonen die Plastizität der Objekte und die Tiefe des Raumes. “ Fotorealismus und Unwirklichkeit (die durch den Entzug von Farben sowie durch die großen Dimensionen entsteht) ergeben einen spannungsvollen Kontrast in unverkennbarer Longo-Ästhetik. Egal ob Bilder von Haien, gigantischen Wellen, Waffen oder menschlichen Protagonisten: Die Betrachterinnen und Betrachter erwartet in der Albertina einiges an hintergründiger Bild-„Gewalt“.
ROBERT LONGO
30. August 2024 bis 12. Jänner 2025
www.albertina.com