Für 100 Millionen Dollar könnten Sie einen Fußballer wie Kaká, 35 edelste Rennkamele oder eine 70-Meter-Yacht kaufen. Ein stolzer Betrag in jedem Fall, den laut „Art News“ mindestens fünf Kunstliebhaber weltweit jedes Jahr für ihre Sammlungen ausgeben. Im Ranking der 200 bedeutendsten Privatsammler, das die New Yorker Kunstzeitschrift alljährlich herausgibt, tummeln sich Größen wie François Pinault, Roman Abramovich oder Sheikh Saud bin Mohammad bin Ali al-Thani. Unter dem Dutzend gelisteter deutscher Sammler, findet sich auch sein Name: Thomas Olbricht. Essen, Germany. Inheritance (Beauty Products), Medical Practice and Investments. Modern and contemporary art; Wunderkammer objects.
Kapitel 1: Die Feinde
Thomas Olbricht ist ein bunter Hund im millionenschweren Kunstgeschäft. Der gelernte Mediziner hat mithilfe seines Erbes und mit viel Hingabe über die Jahre eine bedeutende Sammlung aufgebaut. Das brachte ihm auch viele Neider. Manche Experten halten ihn für unseriös, für einen der nicht viel von Kunst versteht, sie beliebig einkauft, kombiniert und nach Lust und Laune zur Schau stellt. Warum das so ist? Womöglich weil Olbricht sich nicht an die Regeln der internationalen Kunst-Community hält. Er kennt keine starren Konzepte, kein striktes Samm¬lungsthema, keine objektiven Bewertungsmaßstäbe.
Olbricht geht mit seinen Budgets kreativ um. Er lässt sich zwar oft beraten, entdeckt aber auch gerne selbst Neues. „Ein Freund von mir, der in Essen eine kleine Galerie hat, ist schon vor Jahren den Weg nach China gegangen. Ihn habe ich mehrfach begleitet. Ein chinesischer Galerist hat uns dann Wege direkt zu den Künstlern geöffnet. Das hat mein Leben bereichert und ich habe erkannt, dass nicht das westliche Kunstverständnis das allein Allheil bringende ist.“
Er habe mit den Jahren gelernt, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Und auch sein eher distanziertes Verhältnis zu den Künstlern habe sich gewandelt. So kam es dann auch zu einigen sehr schönen Begegnungen, erzählt er: „Der Künstler Feng Sheng Shi hat ein großes Atelier von über 2.000 Quadratmetern im Außenbezirk von Bejing. Dort stehen praktisch nur grün-rosa hergestellte Gemälde. Sein Markenzeichen. Alles ist in diesen Farben, einschließlich des Künstlers, der zwei Schuhe trägt, der eine rosa, der andere grün. Und da kam mir bei einem Besuch aus der Freude heraus die Idee: Mensch, mach doch mal die Haare in einer anderen Farbe! Und da hat er glaube ich vier Bilder mit Blondinen gemalt und eins habe ich später erworben.“
Olbricht hat eine Vorliebe, für alles, was ihn zu berühren, aufregen und begeistern vermag. Und das muss nicht immer in den großen Galerien und Museen dieser Welt hängen. Darum sammelt er Matchboxautos mit derselben Leidenschaft, wie bildende Kunst. Darum mischt er Alt mit Neu und Gebrauchs- mit hoher Kunst. Ohne Einschränkungen. Hauptsache es gefällt. Apropos gefallen. Auch schlechter Geschmack wurde dem 62-Jährigen von der Presse schon attestiert. Als „höchst wunderliche Sammlung“ oder „Monströsitätenkabinett“ betitelte man seine Kollektion und mit den wenig schmeichelhaften Attributen „Großsammler“, „Dr. Sex“ und „Dr. Tod“ ihn selbst. Über seine jüngste Ausstellung waren gar Worte wie „unterirdisch“, „kitschig“ und „naiv“ zu lesen.
Olbricht nimmt sich Kritik zu Herzen, reflektiert jedes Feedback, aber er könne und wolle es schließlich nicht allen recht machen. Dieser Mann ist schwer zu fassen. Und gerade das macht ihn so angreifbar.
„Das Problem ist, dass ich in den Himmel gehoben und verdammt werde. Ich glaube das hängt damit zusammen, dass ich mich in einem Sammelgebiet bewege und dass ich Positionen aufnehme, die man so in einem öffentlichen Raum nicht ausstellen würde. Ich entziehe mich dem Konsens, welcher Künstler gezeigt werden muss und darum bin ich nicht normal kritikfähig. Akzeptanz und Anerkennung dauert eben. Da muss man Geduld haben oder warten, bis man tot ist.“
Rauer Gegenwind ist in dieser Branche nichts Neues. Eine Erfahrung, die auch andere bedeutende Sammler machen mussten. Rudolf Leopold etwa, der vor kurzem verstorbene österreichische Kunstliebhaber, wurde Anfang der 50er Jahre im Wiener Dorotheum öffentlich ausgelacht, als er ein Selbstporträt Egon Schieles für umgerechnet 200 Euro ersteigerte. Heute ist dieses Bild geschätzte 80 Millionen Euro wert.
Kapitel 2: Das Erbe
Seit Olbricht Anfang des Jahrzehnts seine Anteile am Familienkonzern Wella verkaufte, hat er viel für Kunst ausgegeben. Wie viel sagt er nicht. Es ginge den Medien ja immer nur ums Geld und nicht um die Kunst, meint er. In die Nähe anderer Sammler mit ererbtem Familienvermögen, wie Friedrich Christian Flick oder Frieder Burda, will er nicht gerückt werden. „Mit diesen Namen können sie mich nicht vergleichen, da ich von diesen Vermögen ganz ganz weit entfernt bin (muss herzlich lachen) und ich ob meiner kleineren Mittel ganz anders denken muss, was ich in die Kunst stecke.“ Seine bescheidenen Anfänge als Sammler machte der Unternehmersohn noch als Schulkind: mit den Briefmarken der Geschäftspost aus Übersee. Später kamen Matchboxautos dazu. Ein einfacher Kellerschrank diente als Ausstellungsfläche. Das Interesse für Kunst weckte sein Großonkel Karl Ströher, selbst leidenschaftlicher Sammler und bedeutender Mäzen. „Mein Urgroßvater war der Gründer der Firma Wella in einer Gegend die eher ländlich ist, im Erzgebirge, im Vogtland, in Sachsen. Von den fünf Brüdern fielen drei im Ersten Weltkrieg und zwei, nämlich mein Großvater und Karl Ströher, übernahmen diese Firma, hatten aber lange keine finanziellen Möglichkeiten. Zwischen meinem Großvater und ihm hat es darum immer Diskussionen gegeben, ob es richtig ist, soviel Geld für Kunst auszugeben. In meiner direkten Familie ist die Kunst eher stiefmüttlerlich behandelt worden. Aber durch meinen Großonkel waren wir immer irgendwie mit dem Thema verbunden. Das erste Mal, als ich wirklich spürte, da ist etwas, war bei der Eröffnung des so genannten Beuys Block im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt. Ich war knapp Zwanzig. Da fiel mir dieser Beuys auf, mit seinem Hut und der Jacke und mein von Statur auch nicht gerade großer Onkel, der damals schon Ende Siebzig war. Es gab einen Riesenauflauf an Menschen und dann ging man durch die Säle mit den Vitrinen und mit dem ganzen Wachs und Filz und ich wusste überhaupt nicht, was das bedeuten sollte. Und das wussten offensichtlich die meisten Menschen nicht, die da hingingen. Erst sehr viel später habe ich begriffen, dass mein Großonkel in dem hohen Alter noch mal alles über Bord geworfen hat, was er vorher in mehr als zwanzig Jahren etabliert hat. Und was dieser Kunstsammler Ströher da mit seinem Weitblick vollbracht hat.“
Kapitel 3: Die Leidenschaft
Zum Schluss bleibt uns die Frage: Was für ein Sammler ist Thomas Olbricht? Da gäbe es zum einen den Spekulanten, wie den britischen Szenestar Charles Saatchi. Der Pionier der neuen Privatmuseen sammelt Anlageobjekte und treibt mit ihnen Handel im großen Stil. Kaufen, verkaufen. Entdecken, vermarkten. Millionenwerte, Millionengewinne. Am anderen Ende der Skala wäre ein Yves Saint Laurent gewesen, der Schöngeist, der Connaisseur, der Idealist mit Hang zum Exklusiven. Irgendwo dazwischen ist sicher auch Thomas Olbricht anzusiedeln.
Er hat in den vergangenen dreißig Jahren eine der umfangreichsten Privatsammlungen Europas zusammengetragen. Wie viele Objekte es tatsächlich sind, ist schwer zu sagen. Rund 2.500 Kunstwerke aus den letzten fünf Jahrhunderten, dazu noch Jugendstil- und Wunderkammerobjekte sowie eine umfangreiche Spielzeugmodellsammlung.
In der Olbricht Collection f nden sich die großen Namen der Gegenwartskunst wie die Chapman Brothers, Cindy Sherman oder Gerhard Richter neben Neuentdeckungen wie Tomoko Nagai, Ouyang Chung und Rachel Goodyear. Seit Mai hat die Sammlung ihr eigenes Haus in Berlin. Auf 1.300 selbst finanzierten Quadratmetern sollen im „me Collectors Room“ drei Mal pro Jahr Ausstellungen stattfinden. Olbrichts neues Museum ist eigentlich gar kein Museum, sondern wie er selbst sagt „eine Art Versuchsanstalt, ein Laboratorium.“ Wie in den privaten Kabinetten der Renaissance-Fürsten werden hier Objekte unterschiedlichster Herkunft nebeneinander präsentiert: Naturalien, Artefakte, Raritäten, Tierpräparate und Kunstwerke. In dieser Wunderkammer darf man staunen und entdecken. Ganz ohne Vorwissen. Denn Olbricht will auch das nicht Kunst affine Publikum erreichen.
Neben solch hehren Ansprüchen gehe es natürlich auch um das Schaffen einer Wertanlage, räumt der fünffache Familienvater ein: „Es wäre wirklich fatal, wenn alles was ich gesammelt habe, in zehn Jahren komplett vom Kunstmarkt verschwunden ist und meine Kinder sagen müssten: ‚Och der Alte, der hat ja nicht mehr alle. Der hat nicht nur soviel, der hat auch noch das Falsche gesammelt.‘ Außerdem freue ich mich natürlich, wenn Werke von weniger bekannten Künstlern im Wert steigen. Dass sich also das, was ich gesehen habe am Anfang, auch später im Marktwert niederschlägt. Das ist ein Ansporn, den ein enthusiastischer Sammler braucht. Das ist das Elixier um weiterzumachen.“
Kunst Halle Krems: Olbricht Collection „Lebenslust & Totentanz“