Kurz nacheinander drehte der vielseitige britische Regisseur Ridley Scott zwei der bemerkenswertesten Science-Fiction-Filme der Kinogeschichte: Alien (1979) war nervenzerrender Horror, der sein Weltraum-Setting zur Freilegung unterbewusster Ängste nutzte, Blade Runner (1982) erschuf detailliert ein heruntergekommenes Los Angeles der Zukunft und stellte Fragen nach dem Kern des Menschen. Beide Filme demonstrierten eindrucksvoll, welch dichte und stilisierte, dabei glaubwürdige Atmosphäre Scott zu kreieren vermag. 2012 kam das Alien-Prequel Prometheus (2012) in die Kinos, das eher durchwachsene Kritiken erhielt, wie alle Filme des Regisseurs (The Duellists, 1977; Thelma & Louise, 1992) jedoch mit visueller Brillanz bestach. Mit der Adaption von Andy Weirs Roman „The Martian“ verbindet der 77-Jährige nun die Schauplätze Erde und Weltall, um Science-Fiction im eigentlich Sinn handelt es sich dabei allerdings nur in Nebenaspekten – im Zentrum steht vielmehr das menschliche Drama.
The Martian beginnt in medias res: Ein Sturm überrascht das erste Forschungsteam, das in naher Zukunft auf dem Mars gelandet ist. Angesichts der drohenden Gefahr entscheidet die Kommandantin Melissa Lewis (Jessica Chastain) zugunsten einer Evakuierung, in deren Verlauf allerdings der Astronaut Mark Watney (Matt Damon) verletzt und für tot gehalten wird. Der ist jedoch am Leben und sieht sich nun vor eine gewaltige Aufgabe gestellt: Wie soll er auf einem Planeten überleben, auf dem nichts wächst und wie kann er, nachdem der Sturm die Kommunikationssysteme zerstört hat, Kontakt mit der Erde aufnehmen? Zum Glück ist Watney sowohl Botaniker als auch Optimist, der mittels Kartoffeln und Fäkalien einen Teil der Basisstation agrarisch kultiviert und mit Erfindungsreichtum Kontakt zur Erde aufnehmen kann. Auf dem blauen Planeten spielt sich auch der zweite Handlungsstrang ab: Hier sieht sich die NASA-Führung nicht nur mit der schwierigen Aufgabe einer Rettungsmission konfrontiert, es gilt auch abzuwägen, ob man der Crew, die sich wieder auf dem Weg zur Erde befindet, mitteilen soll, dass Watney lebt. Diese Information könnte nämlich neben Freude ebenso Schuldgefühle auslösen und die Mission doch noch gefährden. Und schließlich muss im Laufe der Handlung auch die Crew noch eine schicksalsträchtige Entscheidung treffen …
Scott inszeniert mit sicherer Hand und „Lone Star“ Damon liefert als Robinson Crusoe der nahen Zukunft eine sympathische Soloshow ab (auch der Rest des Films ist mit Kalibern wie Chiwetel Ejiofor, Jeff Daniels oder Kate Mara hochkarätig besetzt), was dem Film allerdings ein wenig abgeht, ist ein Gefühl von Dringlichkeit – zu selten sieht man die psychischen Auswirkungen dieser monatelangen Extremsituation. Die Intention des familienfreundlichen Blockbusters, der der Situation des Alleinseins auch einige humorvolle Aspekte abzugewinnen vermag, scheint eher in der Feier von (gerne den USA zugeschriebenen) Tugenden wie Optimismus, Tatkraft und Kameradschaftsgeist zu liegen. Mit US-Patriotismus hält sich der Film übrigens angenehm zurück; dass einmal ausgerechnet die Chinesen als selbstlose Retter in der Not erscheinen, ist vielleicht der utopischste Aspekt von The Martian.
Elaine Lipworth: Waren Sie überrascht, als Sie den Film sahen?
Matt Damon: Ridley benutzt alle Einstellungen, die er dreht. Wenn man sich also die Sets angesehen hat – und das habe ich ja die ganze Zeit getan –, erkennt man schließlich jede Einstellung wieder. Ich bin vom Endergebnis eher dann überrascht, wenn ein Regisseur eine Menge Material dreht, denn dann ist man nicht sicher, welchen Take er verwenden wird. Ridley ist so bestimmt und seine Vision ist dermaßen klar, dass man im Grunde die ganze Zeit über weiß, welchen Film man da gerade dreht.
Wie sind Sie zum Projekt „The Martian“ gestoßen?
Ich las das Drehbuch und mochte es wirklich. Ich traf mich mit Drew Goddard, der es geschrieben hatte und Regie führen sollte, aber bevor wir uns einig waren, wurde ihm ein anderes Projekt angeboten, auf das er seit Jahren gewartet hatte. Also zog er sich von dem Projekt zurück und ich schrieb es gewissermaßen ab. Eine Woche später erhielt ich einen Anruf, dass Ridley Scott es machen wollte, also bin ich schnell in sein Büro gefahren – und das war es dann im Grunde.
Kannten Sie sich bereits?
Nein, ich hatte ihn zuvor nie getroffen, was eigenartig war, weil wir beide schon eine Weile im Geschäft waren. Wir hatten uns auch nie auf einem Event, nicht mal auf einer Cocktailparty getroffen, das war also großartig. Das Treffen verlief ziemlich locker. Er sagte im Grunde nur: „Wir haben uns noch nie getroffen.“ Ich sagte: „Ja, das stimmt.“ Dann sagte er: „Das Drehbuch ist großartig.“ Ich sagte: „Ja.“ Er sagte: „Warum zur Hölle machen wir das nicht einfach?“ (Lacht.)Das war im Grunde das gesamte Treffen.
Welche von Ridley Scotts Filmen hatten sie zuvor schon bewundert?
Eine Menge davon. Ich glaube, dass die wahrscheinlich bahnbrechendsten meines Lebens Alien und Blade Runner waren. Diese Filme weckten in mir den Wunsch, selbst Filme drehen zu wollen. Sie hatten großen Einfluss auf mein Leben.
Haben Sie Geschichten über das Filmemachen ausgetauscht?
Nein, wir sprachen nur von Filmen, die Ridley in der Vergangenheit gemacht hat. (Lacht.) Ich bombardierte ihn mit Fragen. Das macht im Grunde jeder, der ihn trifft. Wenn man derart ikonische Filme macht wie er, gewöhnt man sich wahrscheinlich daran, dass Leute auf einen zukommen und etwas über die Filme erfahren möchten. Er ist also sehr großzügig mit Geschichten und seinem Wissen über das Filmemachen. Es macht einfach Spaß, sich in seiner Nähe aufzuhalten.
Ridley Scott ist ein sehr talentierter Künstler. Hat er Dinge gezeichnet, um Ihnen zu zeigen, wie eine Szene aussehen würde?
Ja, ständig. Das ist seine Art, Dinge zu beschreiben. Er sagt beispielsweise: „OK, ich werde auf dieser Seite stehen, die Linse wird auf diese bestimmte Distanz eingestellt.“ Er skizziert eine Einstellung und zeichnet einen Kopf hinein oder einen Körper und sagt: „OK, so wird die Sache ungefähr aussehen. Und du wirst mit dem Rover zu diesem Zeitpunkt so und so in Beziehung stehen.“ Er zeichnet auch Storyboards, sodass man schon eine Menge hat, bevor man überhaupt mit dem Dreh beginnt. Man hat eine ziemlich gute Vorstellung davon, was er machen will.
Haben Sie zuerst den Roman oder das Skript gelesen?
Ich habe zuerst das Skript gelesen und ich liebte es. Dann las ich den Roman und fand heraus, dass Ridley an Bord war. Das war die Reihenfolge.
Was gefiel Ihnen an der Geschichte?
Es war die Hauptfigur. Was Andy im Roman so gut hinbekommen hat, und was Drew auch im Drehbuch eingefangen hat, sind all die Risiken und die Spannung, die diese furchtbare Situation mit sich bringt – aber auch den Humor, über den die Figur verfügt. Es gibt eine Leichtigkeit, die den Film wirklich unterhaltsam und humorvoll macht, ohne jedoch die Intensität zu opfern.
Ohne diese Leichtigkeit wäre es ein ziemlich anderer Film geworden.
Ja, ich glaube nicht, dass es Spaß machen würde, sich den Film anzusehen, wenn der Typ zwei Stunden lang bloß die Fäuste ballen würde. Ich glaube, es ist ein anderer Film geworden, eine ganz andere Erfahrung. Ridley und ich haben beim ersten Treffen darüber gesprochen. Ich habe mit ihm über Touching the Void geredet, ein Film, von dem ich glaube, dass er einige dieser existenziellen Fragen sehr gut verhandelt hat. Wie bekommt man also etwas davon in unseren Film? Man muss die reale Gefahr, den Druck und den Schrecken, mit denen dieser Typ lebt, spüren, aber man will auch, dass der Film unterhaltsam ist und Spaß macht – was das Buch und der Film hoffentlich auch sind.
Jessica Chastain sprach davon, dass sie zur Vorbereitung für ihre Rolle die NASA besuchte und einen Astronauten getroffen hat. War ihre Vorbereitung ähnlich?
Nein, ich habe nichts davon gemacht. (Lacht.) Ich glaube, alle Schauspieler haben vorher richtig gut trainiert, weil Astronauten sehr fit sind. Das war ein großer Teil unserer Vorbereitungen. Als Ridley und ich begannen, über den Film zu reden, sprach er von „Robinson Crusoe“ – davon, dass er diesen Roman immer verfilmen wollte und wie er eine Parallele zu unserem Film sah. Das war seine Chance, es zu machen. Für mich bestand der Prozess des Probens darin, mit Ridley zusammenzusitzen und Zeile für Zeile, Moment für Moment das Skript durchzugehen. Wir entwarfen eine Art Angriffsplan dafür, was wir mit jeder Szene erreichen wollten.
Über weite Strecken des Films sind Sie auf sich selbst gestellt und können sich nicht an anderen Schauspielern reiben. Ist das etwas, was sie besprochen haben?
Ja, wir haben intensiv darüber gesprochen, das war für uns beide die zentrale Herausforderung. Nicht nur für mich, sondern auch für Ridley, weil er das Ausmaß der Einsamkeit ausbalancieren und dabei noch an anderen Teilen der Handlung arbeitete. Er musste sich auch um jenen Teil der Geschichte kümmern, die sich um die NASA dreht und um die Geschichte der anderen Astronauten, die die Entscheidung treffen, umzukehren, um mich zu holen. Das war die Herausforderung bei dieser Geschichte.
Das zentrale Thema, jemanden nach Hause zu holen, ist ein sehr kraftvolles, oder?
Das ist es wirklich. Es geht um die Wichtigkeit eines Lebens und die Vorstellung, dass diese Art von Forschungsunternehmen möglicherweise größer ist als dieses eine Leben. Und um die Vorstellung, dass Menschen bereit dazu sind, sich für Ideen zu opfern, die größer sind als sie selbst. Ich glaube, all das war wirklich kraftvoll.
Haben Sie darüber nachgedacht, ob Sie ein Astronaut hätten werden können?
Ja, sicher. Es ist schwer, einen Film zu drehen, ohne an ein paar dieser Dinge zu denken. Und nein, ich glaube nicht, dass ich dafür geschaffen bin. Zum Glück gibt es ein paar andere Menschen, die das sind.
Welche Art von Persönlichkeit braucht man für diesen bemerkenswerten Beruf?
Es ist die Art von Geist, den auch die Pioniere hatten. Sie machten sich auf in Richtung Westen und viele von ihnen ließen dabei ihr Leben. Es sind Menschen, die Grenzen überschreiten. Sie sind Forschungsreisende, und die brauchen wir, um weiterzumachen. Möglicherweise müssen wir uns einen Weg überlegen, wie einige von uns diesen Planeten verlassen können, um das Überleben der Menschheit zu sichern. Die Astronauten sind jene Menschen, die diese Reise für uns beginnen.
Der Film fühlt sich nicht wie Science-Fiction an. Man hat das Gefühl, als würde all dies sehr bald passieren. Glauben Sie, dass bemannte Missionen Richtung Mars in Reichweite sind?
Ja. Als Andy Weir den Roman schrieb, wollte er, dass dieser wissenschaftlich verankert ist. Er wollte die Vorstellung vermitteln, dass alles, was da passiert, nicht so weit von uns entfernt ist. Und die Mittel, mit denen dieser Typ überlebt, sind genau die, die man einsetzen müsste, wenn man sich tatsächlich in so einer Situation befindet. Alles basiert auf Wissenschaft, und der Spaß dabei ist, dass es keine Science-Fiction ist. Das alles wartet bereits an der nächsten Ecke.
War es deshalb wichtig, die wissenschaftlichen Aspekte richtig hinzubekommen?
Nun, das ist im Grunde das Anziehende am Buch – dass das Gedankenexperiment durchgespielt wird, ob jemand auf dem Mars überleben könnte. Man kann nicht schummeln. Man muss wirklich alles wissenschaftlich fundieren, denn wenn man diese Frage stellt – sogar in einer unterhaltsamen, fiktionalen Situation wie in einem Roman – stellt man sie entweder ernsthaft oder gar nicht. Andy hat diese Frage wirklich ernsthaft gestellt.
Watney überlebt, indem er Kartoffeln anpflanzt. Wie ist ihr aktuelles Verhältnis zu Kartoffeln?
Ich hatte sein Monaten keines! (Lacht.)
Wir haben bereits ein wenig über die körperlichen Herausforderungen der Rolle gesprochen. Wie gestaltete sich der tägliche Dreh? Die Raumanzüge sehen ziemlich unbequem aus.
Ridley machte es uns wirklich leicht. Es gab Tage, an denen es hier und dort ein wenig ungemütlich war. Mir war ein wenig heiß, als wir in der jordanischen Wüste drehten. Aber wir hatten kühlende Anzüge darunter an, die die Hitze ein wenig milderten. Ich glaube, der Dreh wäre mit einem anderen Regisseur, der sich seiner selbst nicht sicher ist, unerträglich geworden. Es hätte dann drei Mal so lange gedauert und wäre viel anstrengender geworden. Aber Ridley hat vier Kameras auf einmal laufen und treibt die Dinge mit einer absolut klaren Vision voran, die er auch den Leitern der verschiedenen Abteilungen kommuniziert. Es macht einfach großen Spaß.
Es gibt eine sehr bemerkenswerte Weltraumszene – von der hier nicht zuviel verraten werden soll – mit Ihnen und Jessica Chastain. Hingen sie dafür an Drähten?
Ja, die Szene am Ende mit Jessica hing von der Arbeit der Stuntleute ab, die uns auf Drähten herumfliegen ließ. Das spielte sich alles vor dem Green Screen ab.
Der Sandsturm ist offensichtlich eine Schlüsselszene, weil ihre Figur dort verwundet wird und ihre Kameraden Sie für tot halten. Könnten sie vom Dreh der Szene im Budapester Studio erzählen?
Es sah im Film so großartig aus und so furchtbar, als wir drehten. In Wirklichkeit bestand die Sache nur aus ein paar riesigen Ventilatoren, großartiger Lichtsetzung, guter Inszenierung und guter Kameraarbeit. Es ist einfach eine sehr gut inszenierte Szene. Ja, es sieht aus wie die Hölle auf Erden – oder die Hölle am Mars – aber bei Szenenende wurden die Ventilatoren ausgemacht und das Licht eingeschaltet. Dann haben wir unsere Helme abgenommen, sind zum Zelt gegangen, haben uns das Playback angesehen und gesagt: „OK, was können wir das nächste Mal besser machen?“ Alles war sehr kontrolliert. Alles war sehr Ridley Scott. (Lacht.)
Ridley Scott drehte in 3D, was dem Film noch eine weitere Ebene hinzufügt. Sind Sie ein Fan von 3D?
Ich habe den Film nicht in 3D gesehen, aber Ridley war sehr stur, was diese Sache betrifft. Er war richtig aufgeregt. Wir drehten in 3D, mit 3D-Kameras und er war wirklich davon begeistert, also halte ich mich mit meinem Urteil zurück. Ich habe nicht viele Filme in 3D gesehen. Ich glaube, jeder denkt jetzt darüber nach, in 3D zu drehen, also werden die Filme hoffentlich besser. Wir alle sind noch dabei, es zu lernen.
Ihr nächster Film ist „The Great Wall“ von Zhang Yimou? Ist der Film bereits abgedreht?
Ja, ist er. Ich bin sehr glücklich damit und ich konnte wieder mit einem großartigen Regisseur drehen.
Stimmt es, dass Sie wieder einen „Bourne“-Film drehen?
Ja, ich freue mich darauf.
Interview: Elaine Lipworth
Übersetzung: Oliver Stangl
Der Marsianer – Rettet Mark Watney /The Martian
Science-Fiction/Drama, USA 2015 − Regie Ridley Scott
Drehbuch Drew Goddard nach dem Roman von Andy Weir
Kamera Dariusz Wolski Schnitt Pietro Scalia Musik Harry Gregson-Williams
Production Design Arthur Max Kostüm Janty Yates
Mit Matt Damon, Jessica Chastain, Jeff Daniels, Sean Bean, Chiwetel Ejiofor,
Kristen Wiig, Michael Peña, Kate Mara
Verleih 20th Century Fox, 141 Minuten
Kinostart 9. Oktober