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MÄNNERSACHE

Jane Campion wirft in „The Power of the Dog“ ein Auge auf die Männer im Wilden Westen … und findet die Liebe.

Benedict Cumberbatch als Phil Burbank © Kirsty Griffin, Courtesy of Netflix

Phil Burbank ist ein Mann fürs Grobe, schon immer gewesen. Einer, der einhändig Rinder kastriert und auch sonst jede Situation fest im Griff hat. Der gebildet ist und klug, so schnell im Kopf wie mit den Händen, und der allein deshalb von seinem Zuarbeitern auf der Ranch respektiert wird, von manchen sogar gefürchtet. Denn Phil, das ist kein Geheimnis, kann auch anders, wenn ihm jemand nicht in den Kram passt oder er leichte Beute wittert. Sein Bruder George, ein ernster Typ mit zartem Gemüt, bekommt die spitzen Kommentare und Phils herausfordernden Humor besonders regelmäßig zu spüren. Aber auch alle anderen müssen sich vor ihm hüten. Phil schießt, wenn er etwas sagt, mit Demütigungen so gekonnt aus der Hüfte wie andere mit dem Gewehr – ein Cowboy eben, durch und durch.
Dass sich Jane Campion in ihrem ersten Spielfilm seit Bright Star (2009) vor über zehn Jahren ausgerechnet eines Mannes wie Phil annimmt, überrascht im Voraus so sehr, wie das Ergebnis begeistert. The Power of the Dog, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Thomas Savage, ist ein so kraftvolles, fein durchdachtes und zugleich zermürbendes Werk, wie der Film, mit dem die mittlerweile 67-jährige Neuseeländerin 1992 ihren bisher größten Erfolg feierte. Damals hieß der Film The Piano, für den die Regisseurin nicht nur als erste Frau mit der Goldenen Palme des Festivals von Cannes geehrt wurde, sondern zudem einen Oscar für das beste Drehbuch erhielt. Im Zentrum stand Holly Hunter als Ada: eine zierliche Frau von kaum dreißig Jahren, stumm und scheu, den Körper in ein schwarzes Dienstkleid gedrängt, das Gesicht verschlossen, die Mine reglos, beinahe hart. Um diese Ada strickte Campion eine Liebesgeschichte. Und einiges mehr. Es war der Versuch, mit dem Kino, das so lange, zu lange von den Männern dominiert wurde, auf eine neue, eine ganz und gar andere Weise zu spielen – so wie Ada auf ihrem Klavier, von innen heraus, aus dem Herzen und mit dem Blick einer weiblichen Instanz.

Benedict Cumberbatch und Jesse Plemons © Kirsty Griffin, Courtesy of Netflix

Jane Campion am Set © Kirsty Griffin, Courtesy of Netflix

Dafür wurde Campion gefeiert, die sich bereits in ihren vorangegangen Kurz- und TV-Filmen sowie dem kühnen Leinwanddebüt Sweetie (1989) jenem female gaze verschrieben hatte. Doch besonders für letzteren musste sie zur Zeit der Erstveröffentlichung herbe Kritik einstecken: Während einige einflussreiche Kritiker wie Vincent Canby von der New York Times sich dafür begeisterten, taten andere es als „widerliches, unsinniges Melodrama“ ab. Dennoch ließ sich Campion nicht verunsichern, verfilmte zunächst die Autobiographien der neuseeländischen Schriftstellerin Janet Frame unter dem Titel An Angel at My Table (1990), bis Ada und ihr Piano die weibliche Perspektive im bildgewaltigen Kino der Regisseurin raffiniert perfektionierten.

Aber was hat das alles mit Phil Burbank zu tun? Als Rancher im Montana der 1920er Jahre könnte er mehr Mann kaum sein. Gemeinsam mit seinem Bruder hat er sich trotz Studium und bester Karriereaussichten der Rinderzucht und damit dem Macho-Dasein verschrieben, stets im Stall oder im Sattel, mit nach Vieh stinkender Kleidung und Dreck unter den Nägeln. Das feine Leben, das er und George sich durchaus leisten können, ist ihm nichts. Er braucht keine Badewanne, auch kein Silberbesteck – und schon gar keine Frau, denn genau damit fängt der Ärger zwischen den Brüdern an. Und einiges mehr.

Kirsten Dunst als Rose Gordon © Kirsty Griffin, Courtesy of Netflix

Fast ein größerer Dorn im Auge als die hübsche Wirtin Rose (Kirsten Dunst), die George (Jesse Plemons) in einem seltenen Anflug von Eigeninitiative zu seiner Gattin macht, ist Phil deren halberwachsener Sohn Peter (Kodi Smit-McPhee), der Blumen aus Papier bastelt und zu Übungszwecken wehrlose Hasen seziert. Schon ihre erste Begegnung im Gasthof seiner Mutter wird für den schmächtigen, sensibel wirkenden Jungen zum Spießrutenlauf. Schlimmer wird es, als alle vier gemeinsam unter einem Dach wohnen und Phil beinahe instinktiv nach immer neuen, immer treffsichereren Mitteln und Wegen sucht, um Rose und ihren Nachwuchs zu tyrannisieren. Peter wird in dieser fatalen Figurenkonstellation zur Schachfigur. Nur wer hier tatsächlich mit wem ein Spiel spielt, ist die eigentliche Frage. Am Ende kann es, zumindest im Film, nur einen Gewinner geben. In Wirklichkeit sind es drei …

Lesen Sie den vollständigen Artikel in der Printausgabe des FAQ 62

 

THE POWER OF THE DOG
Drama, Western – Neuseeland, Australien, USA, Kanada, UK 2021
Regie: Jane Campion, Drehbuch: Jane Campion, nach dem
gleichnamigen Roman von Thomas Savage, Kamera: Ari Wegner
Schnitt: Peter Scibberas, Musik: Jonny Greenwood
Ton: Robert McKenzie, Dave Whitehead, Kostüm: Kirsty Cameron
Mit: Benedict Cumberbatch, Kirsten Dunst, Jesse Plemons,
Kodi Smit-McPhee, Thomasin McKenzie, Keith Carradine
Netflix: 1. Dezember, 128 Minuten
Kinostart: 19. November 2021

 

| FAQ 62 | | Text: Pamela Jahn
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