Margot Robbie bremst nicht gern. Stillstand ist ein Wort, das in ihrem Vokabular nicht existiert. Deshalb hat die australische Schauspielerin auch gleich die lästigen Stopper an den neongelben Rollschuhen abgeschraubt, mit denen sie im vergangenen Sommer gemeinsam mit ihrem Film-Partner Ryan Gosling für einen Promo-Shoot während der Dreharbeiten zu Barbie am Venice Beach in Los Angeles die Strandpromenade entlangfuhr. Die Bilder, die dabei entstanden, gingen wie ein Lauffeuer um die Welt. Kurze Zeit später verriet Robbie dem Talkmaster Jimmy Fallon bei einem Auftritt in dessen US-Late-Night-Show, wie peinlich ihr und Gosling die Aktion war. Aber das lag nicht an ihren Fahrkünsten, sondern allein an den quietschbunten Outfits, die sie dabei tragen mussten: Sie als Barbie, er als Ken.
Robbie liebt das Risiko und einen Hauch Adrenalin. Sonst hätte sie kaum die Hauptrolle in Greta Gerwigs Barbie angenommen, der grellen Realfilm-Adaption über die mit Abstand berühmteste Anziehpuppe der Welt. Die Handlung des Films ist auch nach der Veröffentlichung des offiziellen Trailers noch unklar. Barbie wird aufgrund einiger besorgniserregender Unregelmäßigkeiten aus ihrem Alltag im Spielzeugland in die Wirklichkeit geschubst, um „die Wahrheit über das Universum“ zu erfahren, so viel steht fest. Auch, dass neben Robbie noch weitere Schauspielerinnen dabei sind, die alle verschiedene Versionen des Mattel-Klassikers darstellen, ist mittlerweile bekannt: Die Sängerin Dua Lipa übernimmt die Rolle der Meerjungfrauen-Barbie, Emma Mackey spielt die Physikerin; es gibt eine Doktorin (Hari Nef), eine „verrückte“ Barbie (Kate McKinnon) und eine Richterin (Ana Cruz Kayne).
Für Robbie ist die Rolle ein weiterer Höhepunkt in einer Karriere, die seit zehn Jahren nur in eine Richtung weist: nach ganz oben. Die heute 32-jährige Schauspielerin, die in Australien im Bundesstaat Queensland aufgewachsen ist, kommt quasi nicht mehr zur Ruhe, seit sie 2013 in Martin Scorseses The Wolf of Wall Street die Frau von Leonardo DiCaprios skrupellosem Börsenmakler Jordan Belfort spielte – eine sexy Blondine, die sich, wie man so sagt, mit den Waffen einer Frau in einer schmutzigen Männerwelt zu behaupten versteht. Herrlich selbstironisch erschien sie zwei Jahre später als Champagner trinkende Tussi in Adam McKays Finanzthriller The Big Short (2015), um dem gewillten Publikum mit nichts als Badeschaum bedeckt zu erklären, wie es 2008 zur großen Finanzkrise kam.
Etwa zur gleichen Zeit machte sie außerdem als lernfähige Trickbetrügerin an der Seite von Will Smith in der Krimi-Romanze Focus (2015) von sich reden, spielte eine selbstbewusste Jane im Dschungelabenteuer The Legend of Tarzan (2016) und gab noch im selben Jahr ihren Einstand im DC-Comic-Universum als durchgeknallte Kriminalpsychologin Harley Quinn in Suicide Squad. Ihr schauspielerisches Repertoire erweiterte sie als Daphne de Sélincourt, der Frau des Winnie-the-Pooh-Erfinders A. A. Milne, an der Seite von Domhnall Gleeson in Goodbye Christopher Robin (2017), sowie in Mary Queen of Scots (2018), in dem sie als Königin Elisabeth I. von England ihr Volk durch den Konflikt mit Schottland führen muss. Aber keine dieser Rollen gab Robbie so viel Profil wie die Darstellung der in den neunziger Jahren durch einen Angriff auf eine Rivalin in Ungnade gefallenen Eiskunstläuferin Tonya Harding, für die sie 2018 ihre erste Oscar-Nominierung erhielt.
„You’re. In. My. Way.“, faucht die 15-jährige Eiskunstläuferin mit blonden Locken und Zahnspange in einer bezeichnenden frühen Szene des Films. Gerade wollte sie eine komplizierte Drehung üben, als ein anderes Mädchen ihre Bahn kreuzt. Mit zielbewusstem Blick drängt sie die verängstigte Läuferin zur Seite und setzt erneut zum Absprung an. Der Moment ist bezeichnend, nicht nur für die Teenagerin auf dem Eis, sondern auch für die Darstellerin dahinter. Robbie selbst setzte bereits früh alles daran, sich ihren Traum von der Schauspielerei unbedingt zu erfüllen. Sie ging erst nach Melbourne, um beim Fernsehen in australischen Soaps anzuheuern, bis ihr schließlich der Sprung über den Teich nach Amerika gelang. Sie ist eine derer, die nicht locker lässt, wenn sie sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hat. Vor den Dreharbeiten zu I, Tonya trainierte sie monatelang auf dem Eis, bis sie sich irgendwann eine Nackenverletzung zuzog: „Als Kind ist man furchtlos, weil man sich nicht bewusst ist, was alles passieren kann“, erinnerte sie sich in einem Interview mit dem Branchenblatt „Hollywood Reporter“ an die Proben. „Aber mit sechsundzwanzig musste ich meinen ganzen Mut zusammenfassen.“ Es hat sich doppelt gelohnt. Denn I, Tonya war nicht nur ein Part, der Robbie auf den Leib geschrieben schien. Es war das erste große Projekt, das sie fast ausschließlich über LuckyChap finanzierte, die Produktionsfirma, die sie seit 2017 zusammen mit ihrer Freundin Josey McNamara und ihrem Ehemann Tom Ackerley betreibt.
Mit ihrem strategischen Instinkt für gute Stoffe arrangierte sie kaum ein Jahr später ein erstes Treffen mit dem CEO von Mattel, um ihre Firma für den Barbie-Film ins Gespräch zu bringen, der mittlerweile die ganze Welt begeistert. Das war noch bevor Greta Gerwig als Regisseurin und Drehbuchautorin ins Bild rückte. Frühere Versuche, eine adäquate Geschichte zu erzählen, waren bisher immer gescheitert. Zunächst war Amy Schumer involviert, dann war von Anne Hathaway als potenzieller Barbie die Rede. Weil jedoch keiner dieser frühen Pläne tatsächlich Fuß zu fassen schien, behielt Robbie die Sache im Auge. Als Produzentin sah sie ein riesiges Potenzial in der Barbie-IP, auch wenn sie zunächst nicht auf die Idee gekommen wäre, die Rolle am Ende selbst zu übernehmen …
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BARBIE
Komödie, Fantasy, USA 2023 — Regie Greta Gerwig
Drehbuch Greta Gerwig, Noah Baumbach Kamera Rodrigo Prieto
Musik Mark Ronson, Andrew Wyatt Schnitt Nick Houy
Mit Margot Robbie, Ryan Gosling, Ariana Greenblatt, Will Ferrell, John Cena, Ritu Arya, Emma Mackey, Simu Liu, Dua Lipa, Michael Cera
Verleih Warner Bros., 114 Minuten
Filmstart 21. Juli 2023