Vordergründig mutet die langjährige Existenz des Kremser Donaufestivals genauso anachronistisch an wie die offiziöse Robe des Eingangspersonals vor Ort. Ausgerechnet im Land des Fürsten mit der markanten Haarpracht und der geballten Macht des Giebelkreuzes geht seit zwölf Jahren an zwei Wochenenden um den sozialistischen Tag der Arbeit das einzige Festival von internationalem Format in dieser Dimension in Österreich über die Bühne. Verlässt man das Festivalgelände in Richtung des weiteren Spielorts Klangraum Minoritenkirche findet man sich in traditionell geprägter Kleinstadtidylle wieder. Doch irgendwie scheinen sich die Besonderheiten einer solchen Großveranstaltung mit der zahlreichen Anwesenheit von Musikern, Performance Artists und bildender Künstlern, die naturgemäß verschiedenste Sprachen sprechen, gut zusammenzufinden. Ganz im Sinne des ÖVP-Credos „Das Gute bewahren“ wird sich in der Festivalzentrale auch heuer kaum etwas verändert haben. Die Schnitzelsemmeln sind bekömmlich und bieten immer wieder gute Unterlage oder gar Zwischenschichten, um nicht mit steigendem Bier-, Wein- und/oder Spirituosenkonsum unfit für das anspruchsvolle künstlerische Geschehen zu werden. Wird es heuer wieder aktuelle Bierbecher mit der bis dato noch nicht bekannten, übergeordneten Parole 2016 geben, oder werden wieder alte verwendet? Zugegeben, es gibt dringlichere Fragen, aber es soll Fans geben, die diese Becher sammeln! Die letzte markante Neuigkeit, seit Thomas Zierhofer die Festivalagenda 2005 total umkrempelte, war vor ein paar Jahren die quasi-Schließung der großen, mäßig kompatiblen Halle für die bekannteren musikalischen Acts, die seitdem entweder im vorgelagerten Stadtsaal oder auf der gegenüberliegende Seite des Geländes ihre Bühne finden, was eine merkbare Verbesserung darstellt. Nebenbei erwies sich die inhaltliche Gestaltung Ziehrhofers als durchaus publikumswirksam, fünf von sechs Festivaltagen waren 2015 restlos ausverkauft.
Verantwortung einfordern
Das bis dato bekannte Programm von Zierhofers finalem Festival braucht sich gegenüber dem der vergangenen Jahre nicht zu verstecken. Die programmatische Verortung über alle Genregrenzen hinweg wird unter anderen mit Performance-Acts wie den beinahe-Stammgästen God’s Entertainment sowie dem amerikanischen Ausnahmekollektiv Saint Genet konsequent fortgesetzt. Saint Genet wird mit der an physische und psychische Grenzen gehenden Uraufführung „Frail Affinities“ das Publikum zu verstören versuchen. Stattfinden wird diese Premiere im Rahmen einer raumgreifenden Installation von Derrick Ryan, Claude Mitchell, Ben Zamora und Casey Curran in der zentralen Halle der Kunsthalle Krems. God’s Entertainment, die mit ihrem Menschenzoo bereits 2014 für ambivalente Furore sorgten, werden unter dem Titel „Niemand hat euch eingeladen“ die Rollenverteilung von Zuseher und Darstellendem aufbrechen. Als theatrale Collage mit begehbarer Installation wird diese Performance versuchen, jedem Einzelnen Verantwortung bewusster zu machen, und damit einen gesellschaftspolitischen Anspruch einfordern.
Vollständiger Artikel in der Printausgabe.
Donaufestival 2016
29 April bis 1. Mai & 5. bis 7. Mai 2016