Als wir uns in einem Kaffeehaus im 14. Wiener Bezirk treffen, kommt Wenzl gerade aus Frankreich zurück, wo er an der Orgel und als Sänger der vierköpfigen Band Kreisky bei einer Musikmesse gespielt hat. Ideal platziert, nach einem Akustik-Set von Pete Doherty – als willkommener, rockig-querulanter Energieschub, bei dem die Sprachbarriere für das dankbare Publikum keine Rolle spielte. Franz Adrian Wenzl ist, nicht nur geografiebedingt, die Antithese zu Doherty. Er wirkt, wenn, dann durch seine Kunst. Dabei liegt die Frage nahe, ob jetzt der Mann, der bei Kreisky singt, näher am „wirklichen“ Franz Wenzl ist oder der überlebensgroße Austrofred. Die Antwort „weder noch“ kommt nicht von ihm selbst, ergibt sich aber zwingend daraus, dass er erzählt, wie in beides viel (Text-)Arbeit fließt. Aktuell steht das dritte Buch von Austrofred an und eine erste Aufnahmesession in Klagenfurt für ein neues, drittes Kreisky-Album. Über den internen Prozess seiner Band sagt Franz: „Wir sind alle sehr genau. Verschieden genau.“ So rechnen sie selbst damit, dass der Nachfolger von „Meine Schuld, meine Schuld, meine große Schuld“, ihrem 2009 erschienenen, zurecht gefeierten zweiten Album, im Herbst 2011 veröffentlicht werden wird.
Kreisky sind dabei die zwingende Konsequenz der Musik, die der 1976 im oberösterreichischen Steyr geborene Wenzl mit seinem Freund Martin Max Offenhuber (bei Kreisky an der Gitarre) als 15-, 16-Jähriger zu machen begonnen hat.
Gelée Royale nannte sich das Duo, aus dem, erweitert um Schlagzeuger Klaus Mitter (der bei Austrofred alles Grafische betreut) und Bassist Gregor Tischberger, 2005 eben die Band mit dem Namen des sozialistischen Über-Kanzlers wurde. Aus Anfängen mit rudimentären Texten und Loops, einem Instrumentarium, bei dem eine gefundene Bontempi-Heimorgel eine zentrale Rolle spielte, entstand nach und nach ein gern und bewusst verquerer Pop, der nicht zuletzt im lustvollen Spielen mit textlichen Positionen auf das verwies, was noch kommen sollte. Etwa den Austrofred, diese projektionsträchtige und brillant erdachte Figur, die die Quadratur des Kreises in einem Popstar voller Regionalismen und Vorurteile schafft. Anders als seine bekannteste Schöpfung – wenn Franz Wenzl ihn liebevoll „Cash Cow“ nennt, hat das damit zu tun, dass bei Austrofred-Auftritten keine Gagen zu teilen sind und er Booking und Management selbst in der Hand hat – liebt der Mann hinter der Kunstfigur die Band Queen gar nicht so sehr. Siebziger-Jahre-Rock („Da entdecke ich immer wieder Ungeheures“) oder Prince spielen da eine größere Rolle. Bücher und Platten stecken die Bezugsrahmen des Franz Adrian Wenzl ab, bei dem eine Aussage wie „An aktueller Popmusik flasht mich schon so lange nichts mehr“ nicht als kulturpessimistische Bestandsaufnahme der Welt zu verstehen ist. So, wie er nicht in Versuchung gerät, sich an tagespolitischen oder gesellschaftspolitischen Zuständen abarbeiten zu müssen. „Ich fühle mich da eher nicht zuständig, manches ist auch einfach unter meiner Würde.“
Nach der Matura hat Franz Wenzl Anglistik studiert. „Mein Englisch ist trotzdem furchtbar, ich hab‘ das eher über den literaturwissenschaftlichen Aspekt gemacht.“ Seit drei Jahren lebt er offi ziell als Schriftsteller mit Akzeptanz des Künstlersozialversicherungsfonds. Was ihm als Musiker versagt blieb („In der Jury sitzen Menschen, die das, was ich mache, nicht als Musik definieren“), geht sich als Buchautor und mit der kleinkunstaffinen Figur Austrofred (das Rabenhoftheater wurde auch schon bespielt) aus.
So wie er allfällige Obsessionen, die Austrofred- und Kreisky-Texte unterfüttern, für sich behält (obwohl er zugesteht, dass sich schon Dinge kanalisieren lassen, „die ich mich sonst nicht trauen würde“), hütet sich Franz Adrian Wenzl auch davor, seine Arbeits-Ethik zum Maß aller Dinge zu machen. Sich etwa gar als österreichische Ausgabe von Henry Rollins zu stilisieren, die sich die Welt und das Leben allzeit erarbeiten muss. Sein Modell ist viel unaufgeregter, er macht und verblüfft lieber mit den Ergebnissen, lässt seine Figuren sich exponieren. Was fast immer kenntnisreich, reflektiert, gewitzt und oft ungeheuer pointiert gerät. Oder wie dem Abseitigsten und Niedrigsten vom Mund abgeschaut, was anregend sekkant an der Diskretionszone der (nicht nur) österreichischen Seele kratzt.
Etwas leichtgewichtiger gerät wahrscheinlich ein Buch gemeinsam mit seiner Lebenspartnerin über Hotels mit traurigen Namen. Er schreibt dafür „Micro-Stories“, sie machte Fotos vom – zum Beispiel – Hotel Leiden oder dem Wiener Hotel Kummer. „Irgendwann kommt der Roman“, sagt Franz Adrian Wenzl, „bestimmt“. Wir warten gerne.