Mit seiner künstlerischen Arbeit erreichte Erwin Wurm weltweite Bekanntheit. Autos lässt er übergewichtig, fett, aufgebläht erscheinen. Oder er verbiegt sie wie Spielzeug. Gurkerl oder Würstchen transformiert er in Skulpturen. Eingeschliffene Rituale des Alltags und männliche Eitelkeiten nimmt er durch Übertreibung auf die Schaufel. Wo er Kunst im öffentlichen Raum plaziert, generiert er Ikonen, die dauerhaft in Erinnerung bleiben. Auf dem Dach des Hotel Daniel in Wien ist ein gekrümmtes Segelboot gestrandet. Ein umgedrehtes Einfamilienhaus auf dem Dach des mumok wurde zum Publikumsliebling und Werbeträger für Erwin Wurms Retrospektive ebendort 2006. Nicht immer ist es Ironie oder farbenfrohe Satire. Das Haus seiner verstorbenen Eltern und auch deren Ehebett verkleinerte er dramatisch, während er für eine Ausstellung in der Albertina eine Serie mit Aktfotografien bekannter Kollegen aus der Kunst – wie Franz Graf oder Hermann Nitsch – erstellte, die gar nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen. In diesem Jahr feierte der jugendlich wirkende Kunststar seinen 60. Geburtstag.
Erwin Wurm, in ihrer künstlerischen Arbeit scheint ein Werk das nächste vorzugeben. Viele Ideen beziehen sich aufeinander. Häuser, Autos, Alltagsgegenstände, Menschen, Gebrauchsartikel geraten aus den Fugen, werden dicker, höher, schmäler, erscheinen aufgeblasen oder verbogen. Aus ihren berühmten „One Minute Sculptures“, wo immer wieder andere Personen in ungewohnten Posen ausharren, entstand eine geradezu unüberblickbar umfangreiche Serie fotografischer Arbeiten. Es gelingt Ihnen, aus bestimmten Themen eine Vielzahl von Variationen zu generieren. Würden Sie sagen, dass Sie so etwas erleben wie eine „glückliche Produktion“ im Sinne stetiger Weiterentwicklung ihres Vokabulars?
Nein, kann ich nicht sagen. Weil jede Arbeit immer erkämpft ist. Ich glaube, dass man sich als Künstler immer weiterentwickeln muss, zwar etwas mitnehmen aus dem Bisherigen, aber sich stückchenweise neu erfinden. Das ist enorm schwierig. Sich zu wiederholen wäre einfacher und entspannter. Ich versuche eben jedes Mal, etwas anderes zu machen, und das ist ein Kampf. Wenn dieser Kampf gelöst ist in einem positiven Sinn, tauchen allerdings schon Glücksgefühle auf.
Durchgehende Momente in ihrem Œuvre sind zum einen die menschliche Figur und zum anderen die Skulptur. Als sie in den 1980er Jahren anfingen, war dies ziemlich anachronistisch. Da setzten sie unkonventionelle Schritte, indem sie originale Figuren aus Neuguinea oder ehemaligen französischen Kolonien mit Alltagsgegenständen wie Ölkanister oder Abfalleimer zusammen taten. Aus ihre Skepsis dem Etablierten gegenüber verwendeten sie Blechtrümmer, Holzstücke, Bretter oder Kübel. Letztlich ging es um Oberfläche und Bedeutung; um Themen wie Hülle und Kern, Hohlraum und Volumen, Befragungen der Skulptur aus einem subversiven Blickwinkel also, wie in der Wiener Secession 1991.
Das hängt auch damit zusammen, dass ich eigentlich Maler werden wollte. Ich kam aber in die Bildhauerklasse. Das war für mich zuerst ein Schock und großes Fragezeichen. Dann entschied ich mich für die Auseinandersetzung mit den Parametern dieser dreidimensionalen Kunstform. Was kann das? Davor hatte ich mich ja nie mit Skulptur beschäftigt, das waren für mich immer graue Dinger, die herumstehen. So kam ich zur Untersuchung gleichsam von der Zwei- zur Dreidimensionalität. Masse, Hülle, Volumen, Haut, Oberfläche, Zeit. Alle diese Themen habe ich dann immer wieder durchgespielt. Das habe ich lange Zeit gemacht; mache ich jetzt aber nimmer. Das habe ich irgendwann verloren.
Die meisten Ihrer Arbeiten beinhalten eine subtile Ironie, die einen zum Schmunzeln bringen kann, einen Humor, der einen aber kaum jemals richtig auflachen lässt.
Ich habe mir zum Thema genommen: unsere Zeit und unsere Gesellschaft. Da versuche ich, von einem anderen Blickpunkt drauf zu schauen: auf das, was uns ausmacht, wie wir uns definieren. Durch unsere Kleidung, durch Besitz. Der Schönheitswahn und der Jungendkult spielen eine Rolle. Wenn wir genau drauf schauen, dann ist das sehr lächerlich. Was ist eigentlich los mit uns? Wie organisieren wir uns in unserer Welt, in unserer Zeit? Da können manche lachen! Manchmal ist es böse, manchmal zynisch, manchmal eben nur lächerlich.
Angesicht mancher Künstler, die sich als gesellschaftkritisch verstehen und sehr diskursiv vorgehen, würde ich Ihre Arbeiten aber nicht als massiv kritisch einstufen. Eher ironisch.
Ich bin mit der Kunst der 1960er und 1970er Jahre aufgewachsen.
Vollständiger Artikel in der Printausgabe.