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Multifunktionale Black Box

Text: Michael-Franz Woels | Fotos: Peter Empl

Neben Theater, Tanz und Performance liege der Fokus auf ortsspezifischen Projekten, künstlerischen Schaffensprozessen, Dialogen mit der Stadt, Kooperationen mit benachbarten Kunstdisziplinen, theoretischen Reflexionen, avancierten Pop-Konzerten und Partys, so das aktuelle „Mission statement“ des brut. Koproduktionen und Kooperationen mit lokalen Künstlern bilden seit jeher einen wichtigen Schwerpunkt im Programm der multifunktionalen Black Box für performative Künste. Ein Highlight in diesem Jahr ist dabei die Uraufführung „Ravemachine“ von Doris Uhlich, nach „Universal Dancer“ und „Boom Bodies“ das dritte Stückes ihrer Techno-Trilogie. Diesmal tanzt sie ein Duett mit dem Choreografen und Tänzer Michael Turinsky (siehe FAQ 23) und erläutert im Gespräch: „Bei meinem Solo ,Universal Dancer‘ vor zwei Jahren im brut waren immer auch Menschen im Rollstuhl im Zuschauerraum. Vielleicht hatte das mit diesem Maschinenthema zu tun. Mir wurde dann klar, das Rollstuhlfahrer eigentlich Techno-Experten sind, da sie ja in Maschinen sitzen: Eigentlich ist ein Rollstuhl eine Ravemaschine. Nach dieser Erkenntnis habe ich dann Michael Turinsky angerufen.“

Menschen mit physischen Einschränkungen – der Choreograf, Tänzer und Philosoph Michael Turinsky leidet seit seiner Geburt an Zerebralparese – werden selten mit Energie und Ekstase assoziiert, wenn Doris Uhlich aber nun die Sounds des elektronischen Rollstuhls ihres Tanzpartners Turinsky sampelt und in wummernde Techno-Beats übersetzt, wird im Mensch-Maschine-Dialog Energieaufladung und Ekstase erfahrbar. Zwei unterschiedliche Körper – Uhlich im O-Ton: „der Knochenmann und die Fleischfrau“ – explodieren im Duett und erweitern dadurch die eigene körperliche Biografie.

Unter dem Label brut+ werden seit der Spielzeit 2015/16 vermehrt Projekte im öffentlichen Raum und im direkten Austausch mit der Stadt initiiert. Mit ortsspezifischen Projekten außerhalb des Theaters zielt brut+ darauf, Bezüge zu neuen Räumen und Akteuren der Stadt herzustellen. Das Projekt strebt eine Erprobung neuer Kunst- und Darstellungsformate an, die etwa den Fokus von der Kunstproduktion und -präsentation hin zu einem gemeinsamen Prozess der Rezeption und Kommunikation verlagern. Kunst wird über die Grenzen der Kunstinstitution hinaus verschoben, bietet alternative Zugänge und eröffnet neue Kommunikationsräume. Den Start macht heuer die Gruppe Rimini Protokoll, die in Wiener Privatwohnungen einlädt, um in „Hausbesuch Europa“ mit dem Publikum zum Thema Europa zu spielen. Ebenfalls im Oktober sind irreality.tv im 15. Gemeindebezirk vor Ort und inszenieren gemeinsam mit Passanten und Interessierten „Der Ring des Nibelungenviertels“. Im November gibt es dann Besuche in Wiener Ateliers mit den Rabtaldirndln und dem Grazer Theater im Bahnhof.

brut-wien.at

| FAQ 39 | | Text: Michael-Franz Woels | Fotos: Peter Empl
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