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Mumford & Sons

Text: Günther Bus Schweiger | Fotos: Universal Music

Es ist ein mittlerweile gewohnter Anblick: Vier Musiker stehen nebeneinander auf gleicher Höhe auf der Bühne, der Gitarrist und Leadsänger hat vor sich eine kleine 18” Bassdrum, die er mit dem Fuß bedient und den Grundrhythmus vorgibt. Im Hintergrund werden zwar mittlerweile ein paar Gastmusiker beschäftigt, und sogar ein Schlagzeuger versieht von Zeit zu Zeit seinen Dienst, aber die Grundaufstellung bleibt unverändert. Genauso alltäglich ist es, dass sich Publikumsmassen einfinden, die die Texte auswendig kennen, mit Tränen in den Augen mitsingen und voller Inbrunst das Konzert durchleben. Und als ob das nicht genug wäre, gibt es dann noch das Phänomen „I’ll wait“. Die Band tourt seit guten sieben Jahren ohne Ende durch die Welt und die Saat ging ohne Zweifel auf, aber es ist dieser Song, der Millionen von Herzen gebrochen hat. Ein Ohrwurm, der dem schlechten Gewissen jedes Romantikers, der mit Optimismus leidet, eine Gestalt verleiht und der die Qualität hat, ein Evergreen des 21. Jahrhunderts zu werden. Ein Song, der in langen Jahren des Tourens erworbene Fähigkeit, Folk und Pop zu mischen auf den Punkt bringt. Es ist alles vorhanden: Der Refrain, in den man sich wie in eine Daunendecke fallen lassen kann, das treibende Banjo und die breiten Akkorde des Keyboards. Dazu kommt noch die immer unschuldige Stimme Marcus Mumfords und fertig ist einer der unwahrscheinlichsten Stadienacts des Planten.

Mumford & Sons zeichnen sich durch viele Dinge aus. Eines davo ist die in der Band herrschende Demokratie. Obwohl der Name der Formation anderes ahnen lässt und Marcus Mumford wohl der Antreiber in den Anfangszeiten war, werden die Songwritingcredits und damit die Tantiemen gleichmäßig aufgeteilt. Das beugt Spannungen vor, birgt aber durchaus Stoff für zukünftige Schlagzeilen aus Gerichtssälen – man denke nur an die zaghaften Versuche von Paul McCartney, die Anteile an „seinen“ Songs zurückzuverlangen. Diese Demokratie kann man aber einer Band abnehmen, die sich seit Kindheitstatgen kennt und noch bei jeder Gelegenheit darauf besteht, dass sie eine „Band of friends and equals“ sind.

Und tatsächlich sind Marcus Mumford und Ben Lovett, Keyboarder und Multiinstrumentalist, zusammen in die Schule gegangen, genauer gesagt auf die christliche King’s College School in Wimbledon. Dort standen diverse Predigten an der Tagesordnung und beide sangen natürlich auch im Chor. „Ich sang Alt“, erinnert sich Mumford, „aber ich schaffte es nur in den zweiten Chor. Sie gaben dir den Grundton eines Liedes und wenn du am Ende mehr als einen halben Ton von der Notation entfernt warst, dann war das höchste der Gefühle der zweite Chor. Ben sang im ersten Chor, aber ich lernte viel über Harmonien und das Leben und Überleben in einer Band.“ Außerhalb der Schule spielten die beiden als Buben auf Hochzeiten und Partys. „Ben spielte ‚Girl from Ipanema‘. Den Text stoppelte er sich aus seinem frei erfundenen Spanisch zusammen, aber wir haben 40 Pfund dafür bekommen und unseren ersten Champagner getrunken!“

Bassist Ted Dwane tauchte in der Teenagerzeit auf, als sich in West London eine Songwriterszene bildete und jeder Musiker irgendwann mit der heute erfolgreichen Laura Marling spielte. Dwane ist auch der ruhende Pol der Band, der die Streitparteien immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholt und für Gleichgewicht sorgt. Aber er sorgte auch für den größten Schreckmoment in der Karriere der Band: Eine Blutgerinsel machte eine Notoperation im Kopf erforderlich, der Stoiker in ihm schaffte am Ende einen Kommentar, der viel über ihn aussagt: „Es ist wirklich nicht erwähnenswert, die meisten müssen im Leben etwas Grausames oder Schreckliches bewältigen.“

Jugenderinnerungen sind schön und gut, aber was haben sie mit den heutigen Stars zu tun, die jede Arena in Windeseile ausverkaufen, jede Gage fordern können und sie auch bekommen? Es geht bei Mumford & Sons aktuell tatsächlich nicht um Personenkult oder die Sucht nach Anerkennung und Applaus, es geht auch in Allzweckhallen, Stadien und Stadthallen um das Schaffen einer gemeinsamen Erfahrung mit dem Publikum. Das ist schwer genug, aber noch gibt es diesen Energieaustausch zwischen allen Beteiligten, der tausende Fans begeistert zurücklässt. Diese Idee und dieser Anspruch haben ihren Ursprung wohl in der Szene, die sich in einem Pub namens Bosun’s Locker in der Kings Road in Fulham entwickelt hat. Jeder trank mit jedem und jeder spielte mit jedem. Dazwischen gab es noch wechselnde Liebschaften, die wieder Stoff für neue Songs lieferten. Drogen spielten kaum eine Rolle, „es gab nur Alkohol, Gitarren, Songs und das Zuhören“, merkt Mumford an. Die Anzahl der Musiker, die aus diesem Keller in die Welt traten, ist erstaunlich. Jay Jay Pistolet gründete die Vaccines, Charlie Fink hatte Erfolg mit Noah and the Whales und Laura Marling wurde die bestimmende Songwriterin ihrer Generation in England. Der Ehrgeiz und das Gemeinschaftsgefühl, das in diesem Keller herrschte, macht heute die Anziehungskraft aus.

Der Zugang der Band zu Fans und Geschäftsentscheidungen ist besonders und unterscheidet sich von fast allen Kollegen, die möglichst jeden Euro einkassieren, der am Weg zu finden ist. Eines der großen Anliegen ist es, die Ticketpreise auf einem zumindest erträglichen Niveau zu halten und den Wiederverkäufern den Kampf anzusagen. Dazu ist natürlich auch die Solidarität der Fans notwendig und diese hört bei der Geldbörse bekanntlich oft auf. Hauptziel sind aber Ticketagenturen und Verkäufer, die sich mehr oder weniger legal Kontingente sichern und dann mit absurden Aufschlägen auf den einschlägigen Websites anbieten. Die Band versucht nur mit solchen Ticketfirmen zusammenzuarbeiten, die präventive Vorkehrungen gegen solche Praktiken treffen, arbeitet hinter den Kulissen mit Parlamentsausschüssen, um die Gesetze anzupassen und zeigt so ein Profil, dass kaum bekannt ist, aber doch die Glaubwürdigkeit unterstreicht, die diese Band ausstrahlt. Ein rares Gut, dass es zu verteidigen gilt.

Mumford & Sons: Wilder Mind (Island / Universal)

Live: 16. Mai, Hallenstadion, Zürich

17. Mai, Olympiahalle, München

19. Mai, Stadthalle, Wien

20. Mai, O2 Arena, Prag

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