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FAQ – Music #58

Text: Günther Bus Schweiger | Fotos: Press
J.S. Ondara. Foto: Ian Flomer

Seamus Fogerty folgte dem Weg vieler irischer Musiker nach London, denn dort können sie ihre Herkunft viel besser fühlen als auf der grünen Insel selbst. Es ist der Weg vieler Generationen von irischen Auswanderern, die mit der Fähre nach England kamen, um meist die eher dreckigen und schlechtbezahlten Jobs zu erledigen. Singer/Songwriter ist ja auch ein eher prekärer Beruf, aber Fogerty ist mit „A Bag Of Eyes“ (Domino) schon beim dritten Album angelangt – und man merkt, dass er an Selbstvertrauen gewonnen hat, denn der Schalk biegt in fast jedem Song um die Ecke. Der bekennende Bewunderer der Sparks lehnt seine akustische Gitarre ins Eck, produziert selbst und gibt Sounds aus dem Laptop die gleichen Chancen wie den Instrumenten seiner Kollegen. Da jubilieren auf „Johnny K.“ die vom Drumcomputer angetriebenen Geigen, nur um dann wieder in eine sehr dunkle Soundwelt abzutauchen, ehe die nie ganz ernste Stimme von Fogerty den Song wieder zum Refrain führt. Der Mann erklärt uns nicht die Welt, aber er schreibt witzige Songs über Nonnen beim Fußballspielen oder die Gefühle, die man hat, wenn man bei nicht gerade freundlichem Wetter auf den Bus wartet. Damit outet er sich als kreativer Songwriter, und man darf vermuten, dass die Sparks seinen Horizont durchaus erweitert haben.

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Seamus Fogerty, A Bag Of Eyes (Domino)

„Lernen sie Geschichte!“ ist eines der berühmtesten Zitate von Bruno Kreisky, und Cat Stevens gibt den Spätgeborenen eine Chance, das auch zu tun. Er nahm sein erfolgreichstes Album „Tea for the Tillerman“ nach 50 Jahren noch einmal auf und zwar mit den Musikern, die damals schon dabei waren sowie mit einigen Mitgliedern seiner Liveband. Das Vorhaben, als alter Mann auf die Songs seiner Jugend zurückzublicken und ihnen eine Deutung zu gönnen, wäre spannend, wenn nicht der junge Cat Stevens schon klassische Songs wie „Father and Son“ aus der Perspektive eines weisen alten Vaters geschrieben hätte und die Musik des alten Albums nicht so zeitlos wäre. Da und dort wird jetzt mit Streicherarrangements nachgeholfen und an ein paar Ecken üppiger aufgetragen. Unterm Strich bleibt aber die Erkenntnis, dass hier eine ganz gute Version eines wahrlich monolithischen Albums eingespielt wurde und der Begriff Neudeutung ganz weit entfernt ist.

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Yusuf/Cat Stevens, Tea For The Tillerman² (Universal)

Einer ganz anderen Songwritergeneration gehört der 1992 in Nairobi geborene J.S. Ondara an. Er wurde von seinen älteren Schwestern mit dem frühen Bob Dylan infiziert und überzeugte einen Freund, dass „Knockin’ on Heaven’s Door“ kein Song von Guns n’ Roses ist. Er gewann eine Green Card und zog augerechnet nach Minneapolis in die Nähe von Dylans Geburtsort Duluth, Minnesota. Auf seinem zweiten Album „Folk N’ Roll Vol. 1: Tales of Isolation“ (Universal) verabschiedet er sich Schritt für Schritt vom musikalischen Übervater und findet zwischen all den großen Songwritern seine eigene Nische. Das beinahe weltweite Lob für sein Debütalbum dürfte die Sache etwas erleichtert haben, denn hier schreibt und singt er sich in seinen akustischen Arrangements frei und definiert für sich das Wort „zeitlos“ neu. Diese Songs haben kein Ablaufdatum, und solange Ondara so einfache und gleichzeitig geniale Ideen wie den „Shower Song“ hat, auf dem er sich vom Klatschen seiner Hände begleiten lässt, muss man sich um die Zukunft dieses unbändigen Talents keine Sorgen machen.

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J.S. Ondara, Folk N’ Roll Vol. 1: Tales of Isolation (Universal)

Kommen wir aus dem kalten Minneapolis ins doch klimatisch begünstigte Wien. Bernhard Schnur ist eines der bestgehüteten Geheimnisse dieser Stadt, seine Songs sind oft unverstandene Perlen aus einem Paralleluniversum, in dem Kinder im Geist von Paul McCartney erzogen werden und Singles als höchste Errungenschaft der Kultur gelten. Nach der auch schon lange zurückliegenden Auflösung der Gitarrenpop-Pioniere Snakkerdu Densk machte Schnur solo weiter und veröffentlichte fünf Alben und mehrere Singles. Im letzten Jahr erreichte ihn eine Einladung seines irischen Bruders im Geiste Kieran Kennedy, der ihn einlud und das Programm des Besuchs eindeutig festlegte: „Let’s record!“. Schnur packte seine besten Songs aus der Vergangenheit aus und ließ Kennedy bei der Musik freie Hand. Das Ergebnis „Return of the Bees“ (Plagdichnicht) ist eine Werbung für den Soundbastler Kennedy: Er verleiht diesen Songs und dem Interpreten neue Flügel, so wird das ohnehin grob unterschätzte „Whole Lotta Shakin’“ durch die Pedal Steel Gitarre in neue luftige Höhen geführt, „Steam Engine One“ wird noch zarter und der Mut ungewohnte Wege zu gehen wird auf Linien belohnt. Wenn schon Rückschau, dann bitte genau so.

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Bernhard Schnur, Return of the Bees (Plagdichnicht)

Joy Denalane hat allen Grund, nach vorne zu schauen. Die Berlinerin mit einer auch schon längeren Karriere in der zweiten Reihe veröffentlicht als erste Deutsche ihr neues Album mit dem schönen Titel „Let Yourself Be Loved“ auf Motown – und damit ist Richtung schon festgelegt. Denalanes Kernkompetenz ist der Soul, und das darf sie hier mit ihrer wunderbar gereiften Stimme in allen Facetten demonstrieren. Da haben Anklänge an den symphonischen Soul eines Isaac Hayes genauso Platz wie Anklänge an eine Vorgängerin wie Anita Baker. Sorgfalt und Genauigkeit konnte man unseren Nachbarn schon immer unterstellen, aber hier regiert nicht nur musikalische Raffinesse, sondern die Leidenschaft einer Stimme, die eine Heimat gefunden hat.

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Joy Denalane, Let Yourself Be Loved (Vertigo Berlin)

Leidenschaft ist ein perfektes Stichwort für die Blind Boys Of Alabama: Sie sind die älteste Boygroup der Welt und sie preisen seit den frühen Fünfzigern mit ihren Gospels Gott, den Himmel und die Hoffnung auf eine bessere Welt. Clarence Fountain, der jahrzehntelang Mittelpunkt der Liveshows war, ist hochbetagt im letzten Jahr ausgestiegen, aber die Blind Boys sind mehr als die Summe ihrer Mitglieder – sie sind eine Armee ohne Waffen, die mit ihren Songs ins Feld zieht. Das hochverdiente Label Single Lock Records von Songwriter John Paul White, das tatsächlich in Muscle Shoals, Alabama beheimatet ist, bringt nun „Almost Home“ heraus. Wie nicht anders zu erwarten, ist es wieder ein Triumph geworden. Produziert u.a. von Steve Berlin und John Levental, werden sowohl die gut ausgesuchten Coverversionen wie Dylans „I Shall Be Released“ oder Billy Joe Shavers „Live Forever“, als auch die eigenen Songs, darunter der Titelsong oder „Stay On The Gospel Side“, zu groovenden Monstern der Hoffnung und Menschlichkeit. Sich der Kraft dieser Lieder zu entziehen, ist wohl nur Menschen möglich, denen Gefühle vollkommen fremd sind. Alle anderen werden diese alten Herren bis zum Ende ihrer Tage und darüber hinaus loben und preisen.

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Blind Boys Of Alabama, Almost Home (Single Lock Records)

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