Frau Krastewa, Sie haben gerade das Fotoshooting absolviert, mögen Sie das Im-Mittelpunkt-Stehen? Oder betrifft das „nur“ die Bühne?
Für mich ist wichtig, dass meine Arbeit, meine Leistung auf der Bühne, ernst genommen wird. Dass man mich für meine Arbeit schätzt. Im Privatleben ist es mir nicht wichtig, im Mittelpunkt zu stehen. Mir ist sogar lieber, wenn ich inkognito bin.
Ihre Mutter ist Fotografin, wenn ich recht informiert bin? Hat Sie das geprägt, künstlerisch beeinflusst?
Natürlich, ich empfinde das Fotografieren oder Malen als genetische Frage. Meine Mutter malt sehr schön, sie hat eine große Gabe, die sie meinem Bruder vererbt hat. Er ist Maler geworden. Ich selbst male auch, nur bleibt leider nicht genug Zeit dafür, aber manchmal gönne ich mir das. Oder ich schreibe Gedichte. Ich denke, dass einem diese Gabe, das Schöne und Ästhetische in den Dingen zu sehen, vererbt wird.
Welche Engagements haben Sie zur Zeit, und wie sehen Ihre weiteren Pläne aus?
Nach „Carmen“ hatte ich einen Liederabend im Gläsernen Saal des Wiener Musikvereins und jetzt läuft gerade „Eugen Onegin“ (Tschaikowsky) an der Staatsoper. Es gab viele Proben, und dazwischen muss ich noch nach Zürich für „Boris Godunow“ von Mussorgskij. Weiters bin ich Cover (Zweitbesetzung, Anm.) für die Premierenvorbereitung der Venus („Tannhäuser“, Wagner) und muss die Rolle musikalisch wie szenisch vorbereitet haben. Danach kommt „Die Macht des Schicksals“ von Verdi, das Abschiedskonzert für Herrn Direktor Ioan Holender, bei dem ich teilnehmen werde und wieder Eboli in Verdis „Don Carlos“ an der Bayerischen Staatsoper München … Es gibt viel zu tun.
Sie sind gut darin, in kürzester Zeit Rollen einzustudieren, wenn ich daran denke, dass Sie die große Arie der Leonor in Donizettis „La Favorita“ in weniger als 24 Stunden gelernt haben.
Ich kannte die Arie schon, nur handelte es sich um die ganze und noch verlängerte Version. Man muss alles perfekt auswendig können, von heute auf morgen! Danach musste ich die Partie in genau einer Woche musikalisch und szenisch erarbeiten. Ich habe bis spät nachts gelernt, am nächsten Morgen haben die Regieproben begonnen. In den Probenpausen habe ich wieder gelernt … nach dieser Woche war ich ganz erschöpft. Hätte ich einspringen müssen, wäre ich nicht ganz frisch gewesen, aber die Partie habe ich gut gelernt. Die Rolle war auf Französisch, das ich nicht perfekt beherrsche. Wenn man es will und sich anstrengt, ist es möglich in so kurzer Zeit. Ich musste schon öfter einspringen, zum Beispiel in Zürich als Amneris in „Aida“. Ich konnte die Partie zwar, ich musste sie aber auffrischen, man vergisst doch einiges davon. Am Abend probt man im Kostüm, schaut Video, lernt weiter, am nächsten Tag gibt es szenischen Proben mit dem Dirigenten, und dann ist auch schon Vorstellung. Amneris ist eine große Rolle, die recht schwer ist. Aber es ist so gut gegangen, dass man mich immer wieder für die Amneris eingeladen hat. Und auch für andere Partien wie die Marina Mnischek („Boris Godunow“). In Parma war es ähnlich, wo Riccardo Muti im Rahmen des Verdi-Festivals das „Requiem“ dirigierte. Er hat mich eingeladen, und ich musste wieder im Flugzeug die Partie auffrischen. Um ein Uhr nachts kam ich im Hotel an, am nächsten Morgen um neun Uhr hatte ich mit Muti Probe und am Abend die Aufführung. Aber es lief gut! Man muss in dem Beruf nicht nur singen, sondern auch fleißig und konzentriert sein, riskieren, und wenn notwendig, schnell vorbereiten.
Was denken Sie, wie viel Prozent sind Talent und wie viel Gesangstechnik?
Schwer zu sagen, weil sich die Stimme genauso ändert wie der Körper eines Menschen. Mit 18 oder 19 Jahren hat man einen anderen Körper als mit 35, und so verhält es sich auch mit der Stimme, unabhängig von der Technik. Man muss lernen, mit der Stimme umzugehen, mit der Stimme, die man im Moment hat, weil sie sich ändert. Wenn man sich an einem Tag nicht zu hundert Prozent gut fühlt oder Probleme hat, muss man schnell reagieren. Man muss sich schnell anpassen, nicht steif an technischen Punkten festhalten, man muss flexibel sein! Man braucht innere Konzentration und ein gutes inneres Gefühl. Ich lerne hauptsächlich allein, das bin ich gewohnt. Es ist gut, wenn man sich ab und zu aufnimmt. Mit den Dirigenten und Korrepetitoren gemeinsam zu arbeiten, ist wichtig, da kann man vergleichen, wie die anderen die eigene Stimme hören. Selbstverständlich ist auch die Wirkung auf das Publikum bedeutend. Jede Reaktion ist hilfreich, so kann man den richtigen Weg für die eigene Entwicklung finden. Man lernt das ganze Leben. Man kann nie sagen, jetzt bin ich fertig, es gibt nichts Neues mehr zu lernen. Man muss immer offen sein. An der Wiener Staatsoper trifft man sehr viele große Sänger mit jahrelangen Karrieren, von solchen Künstlern kann man viel „kaufen“, also lernen, vom Zuhören und Zuschauen. Das passiert nicht von heute auf morgen, sondern im Laufe der Zeit.
Wenn Sie sagen, man kann von den Kollegen auch viel lernen, wie gehen Sie generell an Ihre Rollen heran? Bei der „Carmen“ etwa, orientiert man sich da an Vorbildern, an großen Darstellerinnen wie Grace Bumbry oder Agnes Baltsa?
Ich bin eigentlich sehr frei in dieser Angelegenheit, ich versuche alles aus einem inneren Gefühl zu machen, und von äußerer Beobachtung. Wenn man zu viel von anderen übernimmt – und sei es noch so gut – dann riskiert man, dass man sich selbst verliert. Man kann ein bisschen übernehmen, aber nicht zu viel. Sonst denkt man bei der eigenen Performance an die Gestik und Mimik einer anderen Sängerin, und das ist störend. Für mich ist wichtig, ich selbst zu bleiben, den eigenen Weg zu finden, dass man sich selbst ausdrückt und wenig kopiert. Mir gefallen die Baltsa, Bumbry und andere, aber man muss seinen eigenen Weg finden.
Ist es so, dass Sie immer versuchen, von sich selbst etwas in eine Rolle, eine Partie hineinzulegen?
Ja, selbstverständlich. Auf der Bühne versucht man immer seine eigene Gefühle und Aspekte seiner eigenen Persönlichkeit zu vermitteln. Manchmal ist es auf der Bühne leichter, sich selber auszudrücken als im Alltag.
In „Eugen Onegin“ singen Sie die Olga. In einer Arie erzählt sie davon, wie lebenslustig sie ist. Wie viel von Ihnen steckt in Olga?
Das Gefühl der Lebenslust kennt jeder, dass man sorglos herumläuft und das Leben genießt, jungfräulich an Dinge herangeht. Aber natürlich bieten diese Rollen weniger, hier kann man weniger zeigen. Ich mag es, wenn eine Partie wie zum Beispiel die Carmen, mehr Aspekte hat, einen vielschichtigeren Charakter besitzt, genauso wie Eboli in „Don Carlos“, das ist eine Figur, die mich sehr reizt. Und die ich in letzter Zeit in mehreren Opernhäusern gesungen habe. Bei Eboli ist die Figur zu Beginn eher oberfl ächlich, später kommt eine verliebte, hernach folgt die wütende Phase, sie ist wahnsinnig enttäuscht, weil Don Carlos sie nicht liebt, sondern eine andere. Sie nimmt Rache, und am Schluss kommt die Reue. Sie sagt „Ich verfluche dich, meine Schönheit“, weil sie zu bösen Taten fähig ist. Auch bei Carmen sieht man anfangs eine lebenslustige Frau, und je länger das Stück dauert, desto besser erkennt man, wie leidenschaftlich sie ist und wie verzweifelt. Sie hat keinen einfachen Charakter und versteht sich selbst manchmal nicht. Sie will lieben und geliebt werden, sie weiß nicht, ob sie lieber frei sein oder sich binden will. In der Carmen zeigen sich unterschiedliche Konflikte. Das spiegelt sich auch in der Musik wider, hier kommt die Fatalität in der Karten-Arie im dritten Akt als Ausdruck dafür zum Tragen, dass sie eine Person ist, die viel tiefere Gefühle empfindet, als man zu Beginn des Stückes gesehen hat. Erst am Ende wird gezeigt, wie sie wirklich ist. Sie will und kann sich nicht quälen. Was ihr Herz nicht begehrt, das kann sie sich nicht befehlen. Sie geht keinen Kompromiss ein – sie will und kann Don José nicht folgen. Ihr Motto: Ich bin frei geboren und frei werde ich auch sterben. Das ist die Tragik dieses Stoffes.
Wie schaut Ihr Arbeitsalltag aus, wenn Sie eine Rolle lernen müssen?
Ich arbeite viel alleine, aber natürlich auch mit Korrepetitoren. Es hängt auch davon ab, wie viel Zeit man hat. Wenn man fünf Sachen gleichzeitig lernen muss und unter Zeitdruck steht, dann kann man nicht alles step by step machen. Aber es ist natürlich besser, wenn man zuerst die Partie anschaut, wie lange, wie hoch, wie intensiv ist die Rolle, welche Person ist die darzustellende Figur, die Hintergründe der Geschichte, „wer, was, warum“. Natürlich auch der Komponist, die Epoche, die Ästhetik der Zeit, damit man weiß, wie das gesungen worden ist. Die Rolle allein mit dem Klavier durchzugehen, auch den Text.
Sind Sie eher „Prima la parola“ (orientiert am Libretto, Anm.) oder „prima la musica“ (Priorität liegt in der Musik, Anm.)?
Ich denke, beides sollte in einer engen Symbiose wirken. Ich glaube, bei mir, ist es ein klein wenig mehr die Musik, die mich bewegt. Es ist mir lieber, wenn ich weniger vom Text verstehe, aber dafür vom Gesang stark beeindruckt werde! Wenn ich jedes Wort ganz deutlich verstehe, aber das Singen in den Hintergrund tritt, das ist nichts für mich. Am besten ist es, wenn die Worte die Musik unterstreichen und umgekehrt. Ein Wort kann der Musik mit dem Ausdruck sehr helfen. Die wichtigen Worte des Librettos muss man wie unterstrichen singen, so dass der Zuhörer das, was der Text transportieren soll, gut verstehen kann.
Auf der Bühne ist durchaus auch schauspielerisches Talent gefordert. Spielen Sie gerne …
Sehr gerne!
Gibt es hier Unterschiede? Vor allem in Bezug auf die unterschiedlichen Inszenierungen: Sie haben die „Carmen“ u. a. am Bolschoi Theater in Moskau in einer recht modernen Inszenierung gesungen – da ergeben sich ja andere Anforderungen … wie wichtig finden Sie, dass die Oper ein „neues Gesicht“ bekommt? Vor dem Hintergrund, dass die Inszenierung von Franco Zeffirelli an der Staatsoper schon mehr als 30 Jahre alt ist.
Am Bolschoi-Theater war die Carmen moderner, erotischer, ich jedoch trat in einem ganz einfachen schwarzen Kleid auf und hatte so das normalste aller Kostüme. Ich habe mich von den anderen damit unterschieden, Escamillo zum Beispiel war an Elvis Presley angelehnt. Ich bin offen für solche Inszenierungen, aber dennoch ist es mir lieber, wenn man an der klassisch erzählten Geschichte festhält.
Ihnen geht es um den historischen Hintergrund?
Der Komponist erzählt eine Geschichte, die er mit Musik unterstreicht. Er hat die Musik für diese Geschichte geschrieben. Wenn man diese Geschichte stark ändert, etwa, wenn man eine Oper plötzlich in einer U-Bahn-Station wiederfindet, und nicht dort, wo sie hingehört, dann ist sie schwer einzuordnen. Und das ist schade. Ich bin modernen Inszenierungen gegenüber durchaus positiv eingestellt, aber nur wenn es einen guten Grund dafür gibt, wenn es einen erkennbaren Sinn hat …
… und wenn die Geschichte, die erzählt wird, nicht verloren geht …
Die Inszenierung darf die Musik nicht stören. Es muss genügend Freiraum für die Musik bleiben, und die Musik immer an erster Stelle stehen.
Sie sind verheiratet und haben eine 13-jährige Tochter. Hat sie Opernambitionen?
Sie ist sehr musikbegeistert, sie hat an der Staatsoper auch im Kinderchor gesungen, wir sind sogar zusammen auf der Bühne gestanden. Wir haben einige gemeinsame Aufführungen zusammen erlebt, das war eine tolle Erfahrung für sie. Wenn man sagen kann, die Carmen ist meine Mama! Sie war stolz auf mich – und ich bin froh, wenn sie sich freut. Sie mag klassische Musik und kommt gerne zu meinen Vorstellungen und unterstützt mich. Aber sie singt lieber Pop-Songs. Sie singt gerne, und ihre Stimme entwickelt sich gut …
Welche Musik hören Sie privat, abseits der Oper?
Meinen musikalischen Stil betreffend bin ich sehr vielfältig und offen. Ich höre gerne auch Pop, Rock und Disco … und Heavy-Metal-Musik, zu der ich immer eine besondere Zuneigung hatte.
Sie haben eine Familie, die Ihnen wichtig ist. Ändert das etwas innerhalb des Karrierewegs? Nimmt das den Druck?
Es ist kein so großer Druck. Ich habe oft in Interviews von großen Sängern mit Weltkarrieren gelesen, dass sie nicht so glamourös und glücklich sind, wie es manchmal dargestellt wird. Man hat nur ein Leben. Natürlich möchte man viel erreichen, aber es gibt andere wichtige Dinge abseits der Bühne: Familie, Mutter-Sein … Wenn man nur herumreist, da würde ich verrückt werden. Das Singen ist ein sehr großer Teil meines Lebens, aber sowohl meine Familie als auch viele andere Dinge sind mir auch sehr wichtig. Ich habe viele Angebote von guten Opernhäusern für schöne Rollen. Einige habe ich annehmen können, andere nicht, weil ich in Wien gerade zu beschäftigt war. Wien ist mein Lebensmittelpunkt. Ich habe das Gefühl, dass die Direktion der Wiener Staatsoper mich schätzt, und ich bin sehr dankbar dafür, dass man mir einen Freiraum auch für Gastspiele lässt. Ich habe zu Wien und dem Opernhaus hier eine starke Bindung. Ich habe Angebote aus Washington, San Francisco, Los Angeles, Hamburg ausgeschlagen, aber es tut mir nicht Leid, weil in der Zeit hier in Wien Wichtiges passiert ist – zum Beispiel eine Premierenproduktion, wo man mich gebraucht hat. Die Wiener Staatsoper ist meine erste große Liebe. Ich mag auch das Wiener Publikum sehr gerne … die Menschen, die nach der Vorstellung auf uns Sänger warten, um Autogramme oder ein gemeinsames Foto zu kriegen, ich mag diese tolle Unterstützung! Es ist ein Teil meines Lebens, ich fühle mich der Stadt sehr verbunden. Ich bin dankbar, dass ich hier an der Oper meine goldene Mitte für meine Seele gefunden habe. Dass ich mich gut fühle und langsam eine Karriere machen kann. Ich will aber nicht um jeden Preis Karriere machen. Dafür würde ich nicht alles aufgeben, ich will ein normales Leben haben. Ich könnte viel mehr machen, will aber nichts überstürzen. Die Dinge sollen sich langsam entwickeln. Wenn man versucht, die Karriere zu beschleunigen, führt das zu Stress – ich mag das nicht. Mir ist die goldene Mitte viel sympathischer!
In diesem Beruf, braucht man da diese „goldene Mitte“, wie Sie das nennen … die innere Gestimmtheit?
Ja, ich kenne mich und weiß, was mir gut tut.
Ich kann mir vorstellen, dass der Druck, dem Sie unterworfen waren, als Sie für Elina Garancˇa eingesprungen sind, recht heftig war … obwohl Ioan Holender gesagt hat, ich zitiere: „Frau Krastewa ist kein Ersatz, sondern eine Luxusbesetzung!“
Das hat mich sehr gefreut, ja! Für mich war es aber dennoch eine schwierige Situation. Schon als bekannt wurde, dass ich die „Carmen“ übernehme, wollten einige Journalisten ein paar Fakten unterschlagen. Übrigens habe ich „Carmen“ schon 50 Mal gesungen – in Moskau, in Berlin, Amsterdam, Wien, St. Margarethen, Hamburg, Riga, Sofia, Savonlinna. Wer mich und meine Biografie kennt, der kann daraus ablesen, dass ich viele Möglichkeiten gehabt und auch genutzt habe, und mich trotzdem freiwillig dafür entschieden habe, hierher nach Wien zu kommen, um im Ensemble zu singen. Es hat mich gekränkt, dass man mich als Person instrumentalisiert hat. Ich singe nicht nur an der Staatsoper, ich trete selbstverständlich auch anderswo auf. Im Ensemble zu singen und gleichzeitig viele andere Aufführungen zu absolvieren, ist anstrengend, aber es ist mein Wunsch, und ich mache es gerne. Es braucht viel mehr Kraft und Ausdauer, nach einem Gastspiel zurück nach Wien zu kommen und nicht die Zeit zu haben, sich ausreichend auszuruhen, sondern gleich weiter zu arbeiten. Es ist mein Wille und meine Entscheidung, dass ich hier bin!
Aber Sie sind schon gerne unterwegs?
Ja schon, aber nicht ständig. Ich habe das Glück, dass man mir hier an der Staatsoper Zeit gibt, wenn ein gutes Angebot kommt, das ich annehmen möchte. Nächstes Jahr bin ich für vier Monate nicht in Wien. Ich werde die Fremde Fürstin in „Rusalka“ (Dvorˇák) in München singen. Dann kommt noch die „Carmen“ in Chicago und in Berlin „Don Carlo“. Es wird oft vergessen, dass ich nicht nur Ensemblemitglied, sondern auch international tätig bin! Ich mache beide Sachen gleichzeitig. Für mich ist es besser wenn ich eine Basis habe, hier in Wien, und daneben alle Produktionen und Konzerten machen kann, die ich zeitlich gut mit der Staatsoper vereinen kann.
Die eigenständige Karriere wartet auf Sie …
Ja, aber zum jetzigen Zeitpunkt fühle ich mich in meiner Lebenslage gut. Ich höre immer auf meine innere Stimme. Wenn ich das Gefühl habe, dass etwas richtig ist, nehme ich keine Ratschläge von anderen an und mache das, von dem ich glaube, dass es das Beste ist.
Haben Sie eine Lieblingspartie?
Nein, eigentlich nicht. Es gibt ein paar Partien, die ich sehr gerne gemacht habe, eine davon ist die Carmen, jeder mag diese Musik,diese Geschichte … ich mag auch die Rolle der Amneris in „Aida“ sehr gerne, Eboli in „Don Carlos“, Leonor in „La Favorite“ und viele andere, aber eine spezielle Lieblingspartie habe ich nicht.
Gibt es irgendwelche Rollen, die Sie unbedingt noch singen wollen? Den Cherubino („Die Hochzeit des Figaro“, Mozart), den Oktavian („Rosenkavalier“, Strauss) oder den Hänsel („Hänsel und Gretel“, Humperdinck)?
Normalerweise beginnt man mit Mozart und endet bei Verdi. Bei mir was es umgekehrt. Ich habe mir ein großes Repertoire erarbeitet, das nicht viele in meinem Alter haben. Ich bin eher im italienischen und im russischen Repertoire zuhause, aber ein Oktavian … Ich bin offen für alles. Wenn ein guter Vorschlag kommt, dann würde ich das sehr gerne ausprobieren.
Sie sind Bulgarin, und Bulgaren wird nachgesagt, abergläubisch zu sein ...
Im angemessenen Rahmen – es ist nicht so sehr Aberglaube, aber ich habe vielleicht ein offenes Auge für Aspekte, die nicht alle spüren.
Sie haben als Kind in Bulgarien rhythmische Gymnastik gemacht, und waren auch recht talentiert. Wie kam es zu Ihrem Wechsel vom Sport zur Musik?
Wir Bulgaren waren oft Weltmeister in dieser Disziplin, und wenn man so etwas macht, dann mit 120 Prozent oder gar nicht. Ich hatte zu dieser Zeit auch mit dem Singen und dem Klavierspielen begonnen und habe gemerkt, dass ich „zu viele Melonen unter einem Arm trage“, es wurde mir einfach zu viel! Bei der Gymnastik muss man alles geben, diese Disziplin verlangt viel von den Sportlern, ich wollte nicht Sklave werden.
Man muss das, was man macht, gerne machen!
Ja, es muss von Innen kommen und Spaß machen. Man darf auch nicht Sklave seiner Stimme werden. Es ist nicht gut, wenn jemand Anderer großen Einfluss auf einen hat. Ich bin der Meinung, dass man sich frei fühlen muss, um man selbst zu sein und seine Gefühle frei ausdrücken zu können.
Schlussfrage: Das Interview findet in Ihrer Garderobe in der Staatsoper statt, kurz vor Beginn des „Eugen Onegin“. Sind Sie nervös?
Eine gewisse Aufregung ist natürlich immer da, aber viel größer ist die Freude vor der bevorstehenden Aufführung. Und ich bin immer froh, wenn ich auf der Bühne der Wiener Staatsoper auftreten darf.