Nachdem die Veröffentlichung von neuem Songs oder Tracks des Öfteren nur eine Entschuldigung ist, um auf Tour zu gehen und dort entweder den Lebensunterhalt zu verdienen oder noch ein paar Millionen abzustauben, ist die Dichte von neuen Releases eher dünn gesät. Eine Ausnahme sind die immer fleißigen weißen Männer, deren Geltungswut und Schaffenskraft auch in Zeiten wie diesen nicht nachgelassen hat. Nick Cave versucht nicht nur mit Gewinnspielen die Einkommen seiner Roadcrew zu sichern, er hat mit „Carnage“ (Goliath) auch ein Album mit seiner musikalischen rechten Hand Warren Ellis aufgenommen, das digital bereits erhältlich ist und in haptischer Form Ende Mai das Licht der Welt erblicken wird. Die restlichen Bad Seeds bleiben im Lockdown und dürfen auch nicht aus dem Homeoffice mitspielen. Und so stellt sich beim Hören die Frage, ob uns Cave mit seiner Band so konditioniert hat, dass wir die Bad Seeds einfach in ihrer ganzen Pracht hören wollen, oder ob die Band schlicht und einfach perfekt zu seinen Songs passt. Schon der Opener „Hand Of God“ reiht sich nahtlos in die Reihe der Songs ein, die die Fans lieben, aber irgendwann sehnt man sich nach dem emotionalen Breitwandsound der Band, den der Soundbastler Ellis einfach nicht ersetzen kann. Trotzdem heben sich die Songs von den emotionalen Gefühlserkundungen der beiden letzten Platten ab und werden die sicher lange Tour im nächsten Jahr um weitere Perlen ergänzen. Gebrochene Gewohnheiten können einen ja auch zu neuen Ufern führen.