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Ocean of Sound

Text: Koroschetz Stefan 2 | Fotos: Lorenzo Castore

Mit einem trefflich „Bécs“, dem ungarischen Namen für Wien, benannten Album markiert Christan Fennesz seine Rückkehr zu Mego und nach Wien als Wohnsitz.

Zeitraffer. Bevor Christian Fennesz sich der Elektronik zuwandte, erregte er in der Wiener Underground-Musikszene als Gitarrist und Sänger das unorthodoxen Trios Maische Aufsehen. Bereits mit Hotel Paral.lel (Mego,1997), seinem Elektronik-Debüt auf Albumdistanz, sorgte der vielleicht unbekannteste internationale „Popstar“ aus dem A-Land für Rauschen im einschlägigen Blätterwald. Es folgten diverse Kooperationen, von denen jene mit Jim O’Rourke und Peter Rehberg als Fenn O’Berg die wohl bekannteste ist, bis Fennesz mit Endless Summer (Mego) 2001 geradezu einen Blockbuster der elektronischen Musik veröffentlichte. Nicht nur im Titel eine Referenz an die Beach Boys, versprüht das Album eine bis dahin im Genre nicht gehörte Wärme und Eingängigkeit, die stark auf die Soundquelle der verfremdeten E-Gitarre setzt. Neben den Soloalben veröffentlicht(e) Fennesz eine kaum mehr überschaubare Menge an Werken mit musikalischen Partnern, davon mehrere mit Ryuichi Sakamoto und eine EP mit dem 2010 unter tragischen Umständen ums Leben gekommenen Mark Linkous alias Sparklehorse. Die Soloalben Venice (2004) und Black Sea (2008), die stärker auf das Sounddesign fokussieren, brachte Fennesz via Touch (Label) auf den Markt. Sein ursprüngliches Label, Mego, kämpfte zu der Zeit mit Problemen, hat sich aber inzwischen als Editions Mego neu erfunden.

Unlängst erschien also Bécs, und Fennesz war beim Donaufestival Krems endlich wieder live in Österreich zu erleben. Bécs erinnert im besten Sinn an Endless Summer, ist aber weit davon entfernt, nur eine Variation davon zu sein. Fennesz selbst spricht sogar von Songs, wenn er über das aktuelle Album redet, und entsprechende Strukturen sind zu erahnen – wenn auch von jeder Menge Wabern, Rauschen und Knistern zugedeckt.

Am deutlichsten wird das im zentral postierten „Liminality“, das in zehn Minuten mit viel modulierter Gitarre und Trommeln von Tony Buck für Fennesz-Verhältnisse fast schon ein Mitgröhlstück ist. Von einer sehnsüchtigen Melodie getragen ist der Titeltrack, bei dessen ozeanischem Rauschen man sich in die Tiefen eines Korallenriffs imaginieren kann. „Paroles“, das finale Stück, packt gar die Akustische aus, und könnte ein weltumarmendes Gute-Nacht-Lied sein, wären da nicht die Glitch-Partikel, die es als Fennesz-Stück erst kenntlich machen. Stärker fordert „The Liar“ mit schroffer Noise-Schichtung und Melodieverweigerung. Mit seinen teils ausladenden Ambientflächen ist Bécs ein an der Oberfläche entspanntes Album, unter der es vulkanisch brodelt; ein Album wie eine Plüschjacke, die mit kratzigem Walk gefüttert ist und die man trotzdem ständig tragen möchte.

| FAQ 28 | | Text: Koroschetz Stefan 2 | Fotos: Lorenzo Castore
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