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Offener Blick

Déjà-vu Momente und MusikerInnenportraits – eine bemerkenswerte Fotoausstellung im mica – music austria.

Fritz Ostermayer © Magdalena Blaszczuk

Im Frühling steht Wien wieder ganz im Zeichen der Bilderkunst: Im mica (Music Information Center Austria) werden von 14 bis 25 März die unterschiedlichen Positionen zweier Bildkünstlerinnen präsentiert: Evelyn Rois und Magdalena Blaszczuk.

Aus der Serie „rapid eye movement“ © Evelyn Rois

Das Gewirr kahler Baumstämme in einem winterlichen Wald, wehende Plastikplanen, Möwen im Flug, verschlungene Kabel – die Fotografien von Evelyn Rois zeigen bekannte, fast könnte man sagen, banale Motive. Dennoch sind die Arbeiten, die unter dem Titel „rapid eye movement“ zusammengefasst sind, voller unaufgelöster Spannungen. Sie sind auf eine verstörende Art geheimnisvoll, schwer fassbar. Es geschieht nur wenig auf den Bildern der Wiener Fotografin, manchmal fast gar nichts. Es ist eine Welt, in der die Zeit zum Stillstand gekommen ist, in der die sich auftuenden Räume eine Vielzahl von Assoziationen und Deutungen zulassen. Ähnlich wie eine Überblendung im Film markieren die Fotoarbeiten Momente des Übergangs zwischen zwei Zuständen. Sie sind weniger Zeugnisse der realen Welt, sondern bilden vielmehr innere Landschaften ab, erzeugen in ihrem manchmal repetitiven Charakter eine Art Rückkoppelung oder Déjà-vu. Und sie fordern Zeit ein – im Entstehen wie in der Betrachtung entziehen sich dem schnellen Konsum und erschließen sich erst auf einen zweiten oder dritten Blick. Insofern sind sie auch ein Statement gegen die permanente, oft schrille Bilderflut die täglich auf Instagram und anderen Social-Media Kanälen über uns hereinbricht.

Kevin Blechdom, 2008 © Magdalena Blaszczuk

Auch die unverfälscht-authentischen Porträts von Magdalena Blaszczuk – übertitelt mit „SOUNDCHECK #2“ – sind keine schnell konsumierbaren Bilder. Blaszczuk sucht und findet für ihre Arbeiten den Augenblick der Ehrlichkeit, den Moment, in dem das Gegenüber einen Blick auf das ungekünstelte Selbst freigibt und die Rolle der Performerin, des Performers, ablegt. Dass alle Porträtierten Musikerinnen und Musiker sind, erschließt sich über die bekannten Gesichter und Namen – auf den Fotos selbst sind nur ganz selten Bühnenposen oder Instrumente zu sehen. Magdalena Blaszczuk zeigt ruhige und offene, fast private Aufnahmen von Menschen, deren Musik die Fotografin auch persönlich sehr schätzt. Mehr noch ist diese grundlegende Wertschätzung der Musik der Porträtierten – die lange Liste reicht von Nick Cave über Julee Cruise und Suicide bis hin zu Soap&Skin – die spürbare Basis und Chemie für diese beeindruckende, über die letzten fast 30 Jahre entstandene Serie. In ihrer Dichte und Tiefe sind Blaszczuks Porträts zugleich auch eine spannende visuelle Chronik der Musik- und Konzertszene Wiens seit der Mitte der 1990er Jahre.

Evelyn Rois
rapid eye movement

Magdalena Blaszczuk
SOUNDCHECK #2

Eröffnung: 11. März 2022, 18 Uhr,
Ausstellung: 14. – 25. März 2022
MICA – MUSIC AUSTRIA
Stiftgasse 29, 1070 Wien

 

| | Text: Bruno Stubenrauch
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