„Don’t undertake a project unless it is manifestly important and nearly impossible.“ (Edwin Land)
Viel hört man dieser Tage wieder von der einst weltberühmten Marke Polaroid. Was ist eigentlich Polaroid? Jeder weiß es, und doch weiß es kaum einer wirklich. Der Name ist eine Kombination aus Polarisation und Zelluloid, und gegründet wurde die Firma 1937 von dem US-amerikanischen Studienabbrecher und Physiker Edwin Herbert Land (1900–1991), und von George Wheelwright, einem Dozenten für Physik in Harvard. Ursprünglich stellte man Polarisationsfilter für militärische Zwecke und blendfreie Sonnenbrillen her. Der Entstehungsmythos will es, dass Land eines Tages von seiner dreijährigen Tochter gefragt wurde, warum sie auf ihre Urlaubsbilder so lange warten müsse – eine Frage, die nicht nur Land zum Grübeln, zum Forschen und Entwickeln brachte, sondern auch die Fotografie revolutionierte.
Nach einer spektakulären Demonstration Lands vor der Optical Society of America im Februar 1947 war eineinhalb Jahre später die erste Sofortbildkamera, das Modell 95, in den USA marktreif, für Schwarzweißaufnahmen, versteht sich. 1963 kamen die ersten Farbfilme, aber der große Durchbruch gelang 1972, als die heute legendäre Kamera SX-70 zum Massenprodukt wurde. Doch nicht nur die Massen begeisterten sich für die Tatsache, dass man Fotos, die man gerade geschossen hatte, nun binnen 60 Sekunden ansehen, archivieren oder verschenken konnte, nicht nur zahllose Straßenverkäufer fanden ein neues Metier, indem sie arglosen Touristen an allen Sehenswürdigkeiten dieser Welt mit der Polaroid-Kamera auflauerten, sondern auch die Kunst-Welt hatte ihre helle Freude damit. Andy Warhol war ein großer Fan: „There is something about the camera that makes the person look just right. I take at least 200 pictures and then I choose.“ Warhol arbeitete bevorzugt mit der Big Shot, einer Porträt-Kamera mit einer 220mm-Linse, die nur von 1971 bis 1973 produziert wurde. Koryphäen wie Ansel Adams, David Hockney, Robert Mapplethorpe, Walker Evans, der übrigens der Überzeugung war, „niemand unter 60“ solle eine Polaroid in die Hand nehmen, Helmut Newton („It’s a wonderful sketchpad, the Polaroid. Polaroids often contain a freshness and spontaneity that is lacking in the carefully planned final shots on what I call ‚real film‘“) – die Liste ist endlos lang und reicht bis zu Julian Schnabel, dessen Polaroids jüngst in einem Bildband veröffentlicht wurden (siehe Kasten).
Polaroid wurde ein gigantischer Welterfolg, spielte als Marke in einer eigenen Liga, in die man allenfalls noch Coca-Cola, Apple, Sony und einige wenige andere einordnen kann – Marken, die buchstäblich „jeder“ kennt und, wie Polaroid, sogar zum Synonym für ihre gesamte Produktgattung werden. Doch so hoch die Firma auch aufstieg, so tief fiel sie auch – auch das gehört zu den „Klassikern“ der Wirtschaftsgeschichte. Wachsende Konkurrenz, unter anderem vom ehemaligen Geschäftspartner Kodak, gewaltige Fehlinvestitionen in nicht markttaugliche Produkte (so hatte Land eine Schmalfilmkamera erfunden, die niemand haben wollte), das Aufkommen von Fotolabors, die dem Kunden seine Bilder in weniger als einer Stunde liefern konnten, und dergleichen mehr setzten Polaroid zu. Auch 925 Millionen Dollar, die Land nach einem langjährigen Rechtsstreit – es ging um die Verletzung von einigen seiner mehr als 500 (!) Patente – von Kodak erfocht, konnten den Niedergang nicht aufhalten. 2001, zehn Jahre nach dem Tod des Firmengründers, musste Polaroid erstmals Insolvenz anmelden. 2005 kaufte Tom Petters, ein großer Elektrogeräte-Hersteller, den wieder sanierten Konzern, nur um ihn noch tiefer in den Graben zu fahren. Polaroid war bald erneut insolvent, und Petters wurde wegen unsauberer Machenschaften festgenommen. Im April 2009 ging die Konkursmasse für einen Betrag von 87,6 Millionen Dollar an eine Joint Venture, bestehend aus den den Firmen-Abwrackern Hilco und den Gordon Brothers. Und ausgerechnet das Flaggschiff von Polaroid, der Sektor Sofortbildfotografie, der noch einträglich war, wurde 2008 eingestellt, das Werk im niederländischen Enschede sollte geschlossen werden.
Was dann folgte und immer noch folgt, ist eines dieser fast unglaublichen Märchen, die heutzutage offenbar nur noch die Wirtschaft schreiben kann – eine dieser Geschichten von Aufbruch und Hoffnung, wie sie das Edel- Wirtschaftsmagazin Brand eins gerne veröffentlicht und auch in diesem Fall schon getan hat: Ein heute 40-jähriger Wiener namens Florian Kaps, promovierter Biologe und Website-Betreuer der Lomografischen Gesellschaft, begann sich 2004 für Polaroid zu interessieren – auch und gerade deswegen, weil rund um ihn herum alle in großer Aufregung waren wegen der so genannten digitalen Revolution: „Mein Gefühl war, dass das der ideale Zeitpunkt wäre, um noch mehr in die analoge Richtung zu gehen. Ich machte mich auf die Suche nach dem ‚analogsten‘ Material, das es auf der Welt gibt, und entdeckte dann relativ schnell Polaroid“, sagt Kaps im Gespräch vor dem Wiener Firmensitz von Impossible, wie er sein Projekt in Anlehnung an den eingangs zitierten Ausspruch von Edwin Land genannt hat. Er kaufte sich auf eBay seine erste SX- 70 und begann mit ihr zu experimentieren. Seine ersten Kontakte mit Polaroid waren „damals noch harmlos“. Er begann, im Internet mit den Filmen zu handeln und war schließlich der einzige Händler auf der ganzen Welt.
Das Geschäft lief gut. Kaps stellte fest, dass vor allem junge Leute begannen, sich mit Polaroid zu beschäftigen. Die Nachricht, dass Polaroid 2008 die Filmherstellung stoppen würde, überraschte ihn nicht, überraschend war nur der Zeitpunkt – zwei Jahre früher als geplant. Kaps versuchte, mit Polaroid zu reden, ohne viel Erfolg. Das einzige, was er erreichte, war eine Einladung zum großen Closing Event der Fabrik in Enschede, wo er seinen späteren Partner André Bosman, Produktionsleiter und Veteran der Polaroid-Filmherstellung, kennen lernte. Ihn konnte der junge Enthusiast überzeugen, dass es sinnvoll sei, die Produktion von Sofortbildfilmen neu aufzuziehen und diese über das Netz zu vertreiben. „2008 gab es keine der benötigten Komponenten mehr. Daher war bereits zu diesem Zeitpunkt Schluss, obwohl die Fabrik 30 Millionen Filme pro Jahr produziert und verkauft hat. Eine völlig absurde Situation.“
Die Chemikalien aber sind die Crux an der Filmherstellung. Man bräuchte viele sehr spezielle Zutaten, wollte man das Polaroid-Gemisch nachbauen. Doch selbst wenn man diese sehr aufwändige Synthese herstellen könnte, würde es zwei Jahre dauern, bis die Chemikalien im Labor reifen und wirklich verwendet werden könnten: „Es war von vornherein klar, dass wir mit der Originalrezeptur keine Chance haben würden, schnell wieder auf den Markt zu kommen. Es ging darum, neue Formeln zu entwickeln, basierend auf verfügbaren Komponenten und solchen, deren Verfügbarkeit in den nächsten Jahren gewährleistet ist.“
So komplex wie die Rezeptur ist auch der Entwicklungsprozess, der ja den Kick der Instant-Fotografie ausmacht: „Das Geheimnis sind die fotoaktiven Schichten, die auf die Folien aufgebracht werden und aus denen durch den Entwickler, also, wenn das Bild aus der Kamera kommt, das Bild entsteht. Das Bild wird auf der untersten Schicht belichtet und wandert durch den Entwickler in die oberste Schicht. Diese enthält das Bild. Das Geheimnis ist, bis zu 29 Schichten auf dieses Trägermaterial so aufzubringen, dass sich das Bild richtig entwickelt.“
Seit März gibt es nun einen Schwarzweißf lm von Impossible, der den eher schlichten Namen „PX“ trägt: „Polaroid dürfen wir ihn nicht nennen, und wir versuchen das auch zu vermeiden. Es hat sich aber in den Köpfen der Leute unglaublich festgesetzt. Sofortbild ist Polaroid, und Sofortbild-Film ist Polaroid-Film.“ Üblicherweise werden Filme drei Jahre lang getestet, bevor sie auf den Markt kommen, ein Luxus, den Impossible sich natürlich nicht leisten kann. Doch die Zeiten haben sich geändert, und Kaps stellt erfreut fest, dass seine Kunden gerade das Unvorhersehbare spannend finden: „Es ist eine Gratwanderung zwischen einem Abenteuer und einem gemeinsamen Lernprozess. Wie der Film, den wir heute haben, in einem Jahr ausschauen wird, das kann man nur vermuten, aber nicht wissen.“
Noch im Juli soll der erste Farbfilm auf den Markt kommen. Wie das Produkt sich langfristig entwickeln wird, kann man aber wahrscheinlich erst Ende des Jahres sagen. Deswegen, so Kaps, würden die Filme auch über das Internet verkauft, „wo wir genau das auch kommunizieren, damit die Leute wissen, was sie erwartet – sicher nicht der traditionelle Polaroid-600-Film, aber ein sehr interessantes Material, das sehr viele Möglichkeiten und viel Potenzial hat.“
Der Schwarzweißfilm kostet derzeit rund zwanzig Euro: „Teurer wird es nicht mehr, wir hoffen, dass wir durch die größeren Mengen, die wir produzieren, auch wieder billiger anbieten können. Momentan liegen die Produktionskosten netto bei 9,50 Euro pro Film, das heißt, die Luft ist relativ dünn. Allein die spezielle Batterie, die wir verwenden, kostet 2,40 Euro.“ Der Preis ist stolz, gibt Kaps unumwunden zu, aber Polaroid sei für ein Massenprodukt immer schon teuer gewesen. Er setzt ganz auf ein verändertes Bewusstsein, vor allem der jüngeren User: „Im digitalen Zeitalter hat ein Bild keine Wertigkeit mehr. Man drückt hundert Mal ab, ladet es irgendwo hin, schaut es sich vielleicht einmal an, aber es ist nicht mehr greifbar. Wenn ein Bild zwei Euro kostet, wenn man sich überlegen muss, wann fotografiere ich, wenn man mitfiebert, wenn das Bild aus der Kamera kommt, bekommt das Bild wieder eine Wertigkeit. Man ärgert sich wieder, wenn es nichts wird.“ Es gehe genau um diesen Moment, um diese fassbare Reaktion, dass man sehen kann, wie Licht etwas verändert und was es verändert. Man kann es beeinflussen und sogar dabei zuschauen. „So wie das von uns kommuniziert wird, ist der Preis nicht nur kein Problem, sondern ein wesentliches Element der Positionierung.“ Die Entwicklung des Films gemeinsam mit experimentierfreudigen Usern, das ist für Florian Kaps der Spaß an der Sache und das Besondere. Er ist sich der Tatsache bewusst, dass noch viel Arbeit zu leisten ist. Es geht darum, dass die Bilder stabil bleiben, dass sie möglichst schnell trocknen. Der Film muss in aller Welt, unter völlig unterschiedlichen Bedingungen getestet werden, es bringt nichts, das nur im Labor zu testen.
Gerüchteweise heißt es inzwischen, die neuen Eigentümer von Polaroid hätten die Absicht, einen Rückzug vom eigenen Rückzug zu machen, ja sogar von einer neuen Sofortbildkamera wird gemunkelt. Florian Kaps sieht dem gelassen entgegen, auch wenn er sich freuen würde, wenn das gelänge: „Ich glaube, sie unterschätzen ein wenig die Komplexität des Projekts. Sie haben ja keine Fabrik mehr, die haben wir. Was diese neue Investoren-Gruppe gekauft hat, ist ja der reine Brand. Es wird für sie schwierig, eine neue Kamera herzustellen, denn auf die Tools und die Experten, die dafür notwendig sind, haben sie keinen Zugriff mehr.“ Da nützt auch der inzwischen in der Business-welt weit verbreitete Glaube, man könne in China jedes Produkt in drei Wochen nachbauen, gar nichts: Bei Sofortbildfilmen ist das nicht möglich. Aus dieser Tatsache erklärt sich auch, dass es nie eine Kopie von Polaroid gab, selbst als die Firma noch erfolgreich war. Diesen äußerst präzisen, hochwissenschaftlichen Prozess „nachzuempfinden“, dazu sind nicht einmal die findigen Ingenieure im Fernen Osten in der Lage. Es handelt sich um das komplizierteste Fotosystem der Welt. Allein die Geschwindigkeit, mit der der Film aus der Kamera kommt, muss immer konstant sein, sonst funktioniert das Ganze nicht.
Sowieso wären die neuen Eigentümer von Impossible abhängig. Florian Kaps: „Kurz nach der Übernahme bekam ich einen Anruf. Sie wollten zehn Millionen Filme bestellen. Ich habe gesagt: ‚Okay, die Kosten sind 9,50 Euro pro Film, wenn ihr mir das vorfinanziert – sehr gerne.‘ Bis jetzt haben sie noch nichts überwiesen.“ Hier klafft ein Abgrund zwischen dem neuen Polaroid-Management und dem Produkt, das sie gekauft haben. „Sie haben natürlich das Problem, dass sie überall, wo sie hinkommen, gefragt werden: ‚Wo ist die neue Polaroid-Kamera?‘, und dann zeigen sie ihre schicken neuen Digitalkameras, und jeder sagt: ‚Ja, ja, ich weiß schon, aber Polaroid…‘ Für mich ist das so, als würde man Coca-Cola kaufen, aber das Rezept nicht haben, um Coca-Cola herzustellen. Als habe man die Flasche, aber nichts, was man einfüllen kann. Und dann füllt man irgend etwas ein und behauptet, es sei das neue Coca-Cola. Das ist absurd.“
Über die Kombination von Top-Managern und ihrem Unverständnis für die eigene Geschichte kann Kaps nur noch den Kopf schütteln. Er berichtet von einer gemeinsamen Präsentation im Oktober 2009 auf einem Schiff im Hafen von Hongkong: „Man trägt eine SX-70 in Tortenform herein. Und diese Amerikaner in den schlecht sitzenden Anzügen und in den Gesundheitsschuhen stehen auf und beglückwünschen sich gegenseitig zum großen Erfolg. Da konnte ich nicht anders und sagte: ‚Entschuldigung, meine Herren, aber ohne einen gewissen Edwin Land, der nicht nur das Sofortbild erfunden hat und Polaroid zu einem der bekanntesten Brands der Welt gemacht hat, würden wir hier alle nicht sitzen.‘ Und der neue Präsident von Polaroid beugt sich zu seinem Nachbarn hinüber und fragt: ‘Who is this Edwin Land?’ Der kannte nicht einmal den Firmengründer, den Godfather.“
Schöne neue Wirtschaftswelt: Heute lässt Polaroid Kameras in Asien produzieren, etwa bei Fuji, versieht sie mit dem Polaroid-Logo und verkauft sie als „die neue Polaroid-Kamera“ – etwas, was Florian Kaps fast die Wände hochgehen lässt. Auf seine diesbezüglichen Einwendungen hin, so der Impossible-Gründer, ernte er nur blankes Unverständnis: „Leider ist es so, dass die Leute, die den Brand um 87 Millionen Dollar gekauft haben, das gar nicht checken. Die wussten zum Teil gar nicht, dass sie keine Filme mehr herstellen können, dass wir die letzte Fabrik gekauft haben. Man glaubt es nicht, aber es ist so.“
Zu den Absurditäten zählt auch, dass Polaroid erst kürzlich niemand Geringeren als Lady Gaga zu seiner Werbebotschafterin erkoren hat. Sie soll Polaroid wieder „cool“ machen. Mit der ihr eigenen Dynamik brachte sie die Werbestrategen des Konzerns allerdings ziemlich ins Schwitzen, als sie 300 Packungen Schwarzweißfilm anforderte. Also rief man in Wien an, um Schwarzweißfilm für die SX-70 zu bestellen, worauf Florian Kaps antworten musste: „Es hat nie Schwarzweißfilm für die SX-70 gegeben, wie ihr sicherlich wisst“. Jedenfalls bekam die Lady die gewünschten Filme geschickt und dazu noch eine Big-Shot-Kamera, wie sie Andy Warhol verwendet hatte. „Jetzt bewerben sie ihre neue Kamera, die ja eigentlich eine Fuji-Kamera mit Polaroid-Logo drauf ist, mit den Bildern, die Lady Gaga mit der alten Big Shot fotografiert hat. Aber das machen sie schon seit Jahren, dass sie von Fotoagenturen Polaroid-Bilder kaufen, mit denen sie ihre neuen Kameras bewerben. Absurd. Das beste Marketing, das hatte schon Edwin Land erkannt, ist doch, dass man die Leute selber animiert, Bilder zu machen und ihnen Raum zu geben, wo sie diese Bilder ausstellen können. Der Film ist nur so gut oder so schlecht wie die Bilder, die die Leute damit machen. Wir entwickeln das, wir arbeiten tatsächlich gemeinsam mit dem Kunden. Das ist nicht neu, aber ich glaube, das ist ein sehr moderner Ansatz.“
Kaps’ eigenen Ambitionen, selbst eine Kamera auf den Markt zu bringen, sind begrenzt. Das wäre natürlich schön, sagt er, aber im Moment gehe es darum, einen Film zu entwickeln, der allen Ansprüchen genüge. Und die Firma auf soliden Beinen zu halten. Das Geschäftsmodell sei zwar vor allem „Friends and Family“, aber durchaus ein seriöses. Im Jahr 2009 wurden etwa 300.000 Filme verkauft, ein Umsatz von etwa vier Millionen Euro generiert. Die Nachfrage nach den Filmen ist unverändert hoch. Wenn Impossible es schafft, den Film gut zu etablieren, dann gibt es auch niemanden, der das nachbauen kann. Das sei ein interessanter Mix und das seien gute Zahlen, sagt Kaps selbstbewusst. Das Ziel seien drei Millionen Filme pro Jahr, maximal zehn Millionen. Und: „Viele Magazine und auch Polaroid machen für uns Werbung. Überall ist Polaroid noch sichtbar. Letztes Jahr z.B. gab es einen Spot von Adidas, der hieß ‚Pol-adidas‘. Da kommt zwar ein Mädchen mit Adidas-Schuhen vor, aber das merkt man nur peripher. Eigentlich geht es darum, dass sie in der Früh aufwacht und beginnt, mit Sofortbildern ihren Tag zu dokumentieren, während sie mit dem Fahrrad durch Berlin fährt. Am Abend klebt sie sie alle an die Wand und legt sich zufrieden ins Bett. Da kann ich nur sagen: ‚Danke! Wieder Unsummen für eine teure Kampagne gespart.‘“
Großes Interesse gibt es auch aus von Künstlerinnen und Künstlern: „Wir wollen extrem viel mit Künstlern zusammenarbeiten, da brennen wir darauf. So wie die Polaroid Collection das früher gemacht hat, also Künstler unterstützen mit Filmmaterial, dafür diese Bilder auch sammeln, weil Kunst ja unser Kommunikationsmittel ist. Wir sind nur jetzt noch sehr vorsichtig, weil wir in Sachen Stabilität noch viel Arbeit vor uns haben. Alles der Reihe nach, einen Schritt nach dem anderen. Wir sind ein kleines Team und sehen uns als eine Art Manufaktur. Wir sind kein Massenhersteller.“ Exklusivität ist das Zauberwort, dazu gehören die Positionierung und die Preisgestaltung. „Man muss heutzutage schon ein bisschen verrückt sein oder eine große Liebe dazu haben, um sich das anzutun – eine Kamera zu finden, sie zu putzen, herzurichten, dann uns zu finden, den Film teuer zu bestellen, ohne genau zu wissen, was einen erwartet. Aber genau das macht ja auch den Spaß aus. Und man wird immer angesprochen, wenn man Sofortbilder macht, egal ob bei Hochzeiten oder sonstwo: ‚Wow, das gibt es noch?‘ Das ist nicht nur ein Produkt, da sind Emotionen dabei.“
Petra Giloy-Hirtz:Julian Schnabel Polaroids
Gebunden, Leinen, 208 Seiten 104 farbige, 2 Schwarzweiß-Abbildungen ISBN 978-3-7913-5076-9 € 45,- [D], € 46,30 [A] Prestel Verlag, München 2010 www.randomhouse.de/prestel
Julian Schnabel, Maler, Bildhauer und Filmregisseur – nun als Fotograf. Die Polaroids, ungewöhnlich groß, aufgenommen mit einer spektakulären 20×24-Inch-Kamera aus den Siebzigern, in Schwarz- weiß und in brillanten Farben, sind aufregend schön; manche sind übermalt. Dem Künstler scheint es eine Lust zu sein, sie zu be- trachten, zu kommentieren und zu ordnen. Jetzt gehen Schnabels Polaroids auf Reisen. Im NRW-Forum Düsseldorf und in der Galerie Bernheimer Fine Art Photography in München werden sie zum er- sten Mal überhaupt öffentlich gezeigt. Der Prestel Verlag gibt den Katalog zu diesen Ausstellungen heraus.