1989
Am 25. August 1989 spielten New Order am letzten Festivaltag in Reading, eine Autostunde von London entfernt, ein Abschiedskonzert. Die Stimmung unter den Besuchern war ernst, und über dem Festivalgelände hing mehr als ein Hauch von Wehmut. Das Konzert der Headliner war die Bestätigung, dass man hier eine Band erlebte, die nicht dafür gedacht war, als Fußnote der Geschichte zu enden. Ihr Augen- und Ohrenzeuge erinnert sich, dass die Einheit von Sound und Licht auch die hinteren Ränge beeindruckte und alle in den Bann zog, die sich am Abend des dritten Festivaltages noch auf ihre Sinne verlassen konnten. „Ceremony“, „True Faith“, „Temptation“ waren schon verklungen, und als das kühle, aber immer majestätische Intro zu „Blue Monday“ in den Nachthimmel drang, war klar, dass das Ende der Band tatsächlich vor der Tür stand. Aber dieser eine Moment jedoch war für alle Zeit in den Herzen der Menge eingebrannt. Es folgte noch „Fine Time“ und New Order waren das erste Mal Geschichte. Die Menge strömte zu den Zelten, ertrank den Kummer mit den noch verbliebenen halbvollen Flaschen und tröstete sich mit Geschichten, in denen die gerade verblichene Band die Hauptrolle spielte.
Bassist Peter Hook lässt uns in seinem großartigen Buch „Substance – Inside New Order“ zu diesem Abschied wissen: „Als ich von der Bühne ging, waren meine Freunde wie immer schon komplett daneben und die Drogen waren auch schon verbraucht, also ging ich mit sechs warmen Bierdosen in mein Hotel. Ich habe gehört, dass die Aftershow-Party verrückt war. Ich ging nicht hin und sah von meinem Hotelzimmer aus, wie sich alles auflöste.“
Soviel zur Wahrnehmung des Fans und des Musikers. Es war jedenfalls ein Abschied auf Zeit: Die Soloprojekte verliefen alle mehr oder weniger im Sand und nach vier Jahren erschien mit „Republic“ wieder ein Album von New Order.
1980
Spulen wir noch einmal neun Jahre zurück. 1980 erhängte sich Ian Curtis, Sänger, Antreiber und kreativer Kopf von Joy Division, noch vor Erscheinen des Albums „Closer“ und der Single „Love Will Tear Us Apart“. Die drei verbliebenen Bandmitglieder Peter Hook, Stephen Morris und Bernard Summer bekamen den Erfolg der Single und des Albums kaum mit, da Joy Division ohne Ian Curtis keine Zukunft hatten und sie es dennoch irgendwie schaffen wollten, weiter ihre Musik zu machen.
Nachrichten, Moden und Hits reisten damals wesentlich langsamer als heute und so war das Erste, was der musikaffine Hörer in Österreich von den Musikern der späteren New Order hörte, eine Coverversion von Chuzpe, die eigentlich dem Punk entstammten, und mit „Love Will Tear Us Apart“ bis auf Platz 8 der Ö3-Hitparade vorstießen.
Gleichzeitig formierten sich in England die Überlebenden von Joy Division unter dem Namen New Order neu. Im November 1981 erscheint das Debütalbum „Movement“ auf Factory Records. Die Grundlage für den klassischen Sound zwischen Gitarren, Drumcomputer, treibenden Bass und lakonischen Melodien, die die Welt bedeuten können, war gelegt.
2018
Ein halbes Leben später eröffnen New Order die Wiener Festwochen. Vor gut zehn Jahren verließ Peter Hook die Band, die nun ohne den persönlichen Dauerzwist zwischen Summer und Hook ihren Status als Dauerausstellungsstück des Popmuseums genießen kann. Wie Kraftwerk, denen New Order die eine oder andere Inspiration zu verdanken haben, werden Konzerte zu Aufführungen des eigenen Erbes. Perfekt und dank der Technik mit einem Sound, von dem man in den Achtzigern manchmal zu träumen wagte. In Wien wird die Band um ein 12-köpfiges Synthesizer-Orchester erweitert, die Musik wurde in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Joe Duddell dekonstruiert und neu aufgebaut. Zusätzlich wird die optische Umsetzung von Liam Gillick vorgenommen, der sich mit raumgreifenden Installationen einen Namen gemacht hat. Die Pioniere von einst sind damit endgültig in der Hochkultur angekommen. Auf die opulente Neudeutung darf man gespannt sein. Was am Ende wichtig ist, haben New Order in „Blue Monday“ schon 1983 festgelegt: „How does it feel“.
New Order + Liam Gillick
12. und 13. Mai, Museumsquartier, Halle E