Wenn es nicht mehr weiter runter geht, gibt es nur einen Ausweg: die Flucht nach oben. Das wissen auch die Kims, die in ihrer schäbigen Kellerwohnung mehr schlecht als recht über die Runden kommen. Während ihre erwachsenen Kinder in den verlorensten Ecken des Hauses vergeblich nach kostenlosem WLAN suchen, besorgt Mutter Chung-sook (Chang Hyae-jin) der Familie so undankbare Aushilfsjobs wie das Zusammenfalten von Pizzakartons, um irgendwie Geld ins Haus und Essen auf den Tisch zu schaffen. Als sich jedoch für Sohn Ki-woo (Choi Woo-shik) eines Tages die Chance auf ein gesichertes Einkommen als Nachhilfelehrer für die Tochter einer wohlhabenden Familie ergibt, mobilisieren sie alle ihre Kräfte: Seine gewiefte Schwester Ki-Jung (Park So-dam) bastelt ihm ein gefälschtes Zeugnis, mit dem Ki-woo bei der neurotischen Dame des Hauses (Jo Yeo-jeong) punkten kann und engagiert wird. Im Gegenzug empfiehlt er seine Schwester als Kunsttherapeutin für den hyperaktiven Sohn, woraufhin auch sie alsbald eine Anstellung im Haus der gutgläubigen Parks erhält. Und kaum haben sich die Kinder einmal als zuverlässiges Personal etabliert, sorgen sie dafür, dass auch ihre Eltern zum Zug kommen. Vater Ki-taek (Song Kang-ho) wird kurzerhand als neuer Fahrer eingestellt, nachdem der alte wegen Unzüchtigkeiten entlassen werden musste, schließlich muss auch die Haushälterin dran glauben, um der Mutter einen Platz in der Luxusvilla zu besorgen. Von den eigentlichen Verwandtschaftsverhältnissen ihrer neuen Angestellten erfahren die Parks natürlich erst, wenn es längst zu spät ist.
Was genau passiert, je mehr die verquere Handlung von Bong Jon-hos Parasite ihren genüsslich hinterhältigen Verlauf nimmt, ist so unglaublich wie genial. Der Film zeigt erneut in extrem ausgefeilter Manier, wie gekonnt und kreativ der südkoreanische Regisseur sich darauf versteht, feines Autorenkino mit allerhand Genreelementen zu kreuzen, um daraus beißende Sozialkritik entstehen zu lassen, die sich oft mit Wucht direkt in die Magengrube drückt. Als Meister des offenen wie des subtilen Humors, aus dem er seine stets tiefgreifenden Horrorszenarien entwickelt, hat Bong sich in der Vergangenheit unter anderem auf Monsterfilme (The Host), Endzeitthriller (Snowpiercer) und Sci-Fi-Satiren (Okja) berufen, um diese als Vorlage für seine gesellschaftlichen Allegorien zu nutzen. Parasite mag in der Hinsicht direkter sein, kommt jedoch keinesfalls weniger verspielt daher und ist seiner Wirkung bisweilen nachhaltiger als alles, was Bong bisher geleistet hat. Es ist ein Film, so unberechenbar wie der Regisseur selbst, und so brillant vielschichtig, dass sich oben und unten bald zu einem großen unheimlichen Ganzen vermischen, von dem aus es bis zur endgültigen Katastrophe nicht mehr weit ist.
Oscars 2020: bester Film, beste Regie, bestes Originaldrehbuch, bester Internationaler Film
PARASITE
Drama, Komödie – Südkorea 2019 – Regie Bong Joon-ho
Drehbuch Bong Joon-ho, Han Jin-won Kamera Hong Kyung-pyo
Schnitt Yang Jin-mo Musik Jung Jae-il
Mit Song Kang-ho, Lee Sun-kyun, Cho Yeo-jeong, Choi Woo-shik, Park So-dam