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Patricia Highsmiths

Text: Jörg Becker | Fotos: Studiocanal

Vor siebzig Jahren lieferte ihr Romandebüt „Strangers on a Train“ die Vorlage für einen Hitchcock-Thriller, ihre Schöpfung eines straf- wie reuelosen Helden, Tom Ripley, steht in existenzialistischer Tradition – zu Patricia Highsmiths 100. Geburtstag erinnern wir an bedeutende Verfilmungen ihrer Romane.

Patricia Highsmith © Archiv Diogenes Verlag

Mordgeschichten, in denen es nicht um die Aufklärung von Verbrechen, sondern um die innere Notwendigkeit der Taten geht, füllen prominent das Romanwerk von Patricia Highsmith. Es enthält Meisterwerke an psychologischer Einfühlung, über die jene unheimlich anwachsende Kluft sich erahnen lässt, welche sich im Verlauf einer Erzählung zwischen der Wirklichkeit und ihrer Wahrnehmung durch den Täter auftut. Mit der Figur des Tom Ripley hatte Highsmith einen Helden mit durchaus eigenwilligen ethischen Maßstäben – wie etwa „Du sollst nicht töten, wenn es die Umstände nicht dringend erfordern“ – kreiert, der bis zuletzt ein freier Mann geblieben ist.

Kalte Persona

Man begegnet einem distinguierten Täter, dessen Kühle und Ungreifbarkeit, gepaart mit kalkuliert eingesetzter Gewalt im Leser ein Netz der Phantasie anregen, in dem Bilder großer Weltläufigkeit, einer aus Reichtum resultierenden Bewegungsfreiheit mit sicheren Refugien in der Rückhand entstehen, Eindrücke der Geschmackssicherheit eines gebildeten Sammlers und Repräsentanten kultivierten Lebensstils, der sich in rechtschaffener Gesellschaft zu bewegen weiß, aber zu allem fähig ist. Man fühlt sich angezogen von einer Autonomie, die allen Umständen gewachsen scheint, indem sie Abstand wahrt und nur beizeiten, wenn es sein muss, umso entschiedener handelt. Gleich ob kalte Persona im Gewand alteuropäischer Traditionen oder postmodernes Subjekt – der Darstellbarkeit Ripleys sind viele Möglichkeiten geboten.

Ähnlich dem Œuvre Georges Simenons, das zwischen „Maigrets“ und „Non-Maigrets“ unterschieden wird (zu denken an die Binarität: food / non-food), hat die amerikanische Autorin, die eine Vorliebe für Europa besaß, „Ripleys“ und „Non-Ripleys“ verfasst, die bezeichnend häufig auf dem Alten Kontinent verfilmt wurden, nach dem Roman oder, öfter noch, „nach Motiven aus …“. Tom Ripley, ein mittelloser, gebildeter junger Mann aus New York, wird von dem reichen Schifffahrtsunternehmer Herbert Greenleaf irrtümlich für einen ehemaligen Kommilitonen seines Sohnes Dickie in Princeton gehalten. Seit längerem sei dieser in Italien abgetaucht, und Greenleaf bezahlt Tom nun dafür, dass er seinen Sohn nach Amerika zurückbringt. In Europa – als Reminiszenz an die klassische Bildungsreise – findet Tom nicht nur Geschmack an dem angenehmen, sorglosen Leben der Upperclass, das Dickie führt, er ist auch fasziniert von der ihm unbekannten Sicherheit und Unabhängigkeit, die dieser ausstrahlt.

Matt Damon, Jude Law und Caterina Deregibus in The Talented Mr. Ripley, 1999. Regie: Anthony Minghella

 Die Furcht reist mit

In The Talented Mr. Ripley (1999) hat Regisseur und Drehbuchautor Anthony Minghella die Figur Tom Ripley (Matt Damon) als jungen Kulturträger und klassischen Musiker dargestellt, dem zum Bürger nur die ökonomische Basis fehlt. In Dickie (Jude Law) entdeckt Tom darüber hinaus jene Idealgestalt eines ungehemmten narzisstischen Hedonisten, die er selbst gern sein würde. Dieser ist keinesfalls bereit, sich in seiner Lust von irgend jemandem beschränken zu lassen, weder vom Vater noch von seiner Geliebten Marge (Gwyneth Paltrow), und vermag die Gunst seines strahlenden Blicks und seines gewinnenden Charismas ebenso willkürlich, wie er sie zu gewähren bereit war, in jene amoralische Kälte umschlagen zu lassen, die einer Highsmith-Figur würdig ist. Tom will Dickie als libidinöses Objekt nicht „haben“, sodass jede explizite Zurschaustellung homosexuellen Begehrens von Tom am Thema vorbeigeht; er buhlt auch nicht wirklich mit Marge um den Freund – er will sich vielmehr an Dickies Stelle setzen. Eine Facette des American Dream kommt ins Spiel: sich an neuem Ort, unter neuem Namen eine neue Identität zuzulegen, sich neu zu erfinden (was in der Filmgattung der Schwarzen Serie schließlich immer wieder mit dem verdrängten Vorleben eines Helden in Konflikt gebracht wird).

Toms Plan: Auf einer Bootsfahrt bringt er Dickie um, nimmt eine Zeitlang dessen Identität an, organisiert alles so, dass er nach Dickies offiziellem Tod dessen Vermögen erbt. Der falsche Dickie verschwindet, lässt eine Suizidnotiz zurück, während Tom wieder auftaucht, sich misstrauischen Verfolgern entzieht. Das von ihm gefälschte Testament wird von der Familie anerkannt, und er verschwindet Richtung Griechenland; endlich ist er unabhängig, doch von nun an reist die paranoide Furcht mit ihm, von dem Gesetz, das er überschritten hat, verfolgt zu sein.

Der Zuschauer als Komplize

Minghellas Umschrift des ersten Ripley-Romans von Patricia Highsmith stellt nicht nur die darin angedeutete Sexualisierung des Helden heraus, als gelte es, Chiffrierungen für schwules Begehren, welche die Autorin unter den prüden Bedingungen der 1950er Jahre in den USA vorgenommen hatte, zu entschlüsseln, da man nun, vierzig Jahre nach der Erstveröffentlichung des ersten Ripley-Romans, endlich offen sprechen könne. Diese Umschrift verschiebt die subversiv kalkulierte Betrugsstrategie ihrer Hauptfigur in Bereiche der Triebhandlung, lässt den Helden motiviert von Eifersucht und Verzweiflung morden, im deutlichen Gegensatz zum literarischen Vorbild, das diese Arbeit stets geschäftsmäßig und ohne Neigung, man könnte fast sagen: dezent erledigt. Die Affekte bleiben bei der Romanfigur unter Kontrolle, gleichsam eingehegt, Gewaltausbrüche sind ihr fremd, Taten werden eher wie Operationen ausgeführt. Highsmith: „Ripley könnte als Psychotiker bezeichnet werden, aber ich würde ihn nicht verrückt nennen, da seine Handlungen rational sind. (…) Ich betrachte ihn eher als zivilisierte Person, die nur mordet, wenn sie nicht anders kann.“ Wenn es notwendig dafür ist, das gut situierte Leben zu erreichen.

Alain Delon in „Plein“ soleil“, 1960. Regie: René Clément

 Vor dem Gesetz

Ripleys Kälte, seine automatenhafte Adaptionsfähigkeit ist in Minghellas Lesart von Highsmith einer traumatisierten Person gewichen, die aus Alpträumen hochschreckt. Turbulenzen des Gewissens kann der Betrachter nachfühlen, der völligen Gewissensruhe des Täters dagegen haftet ein unheimlicher Rest an, wenn man der Person einmal so nahe gekommen ist wie in Highsmiths Ripley-Romanen. Für Slavoj Žižek bleibt Tom Ripley von der Realität des Fleisches getrennt, angeekelt vom Realen. Regelmäßig einmal die Woche, so heißt es in „Ripley’s Game“, schlafe er wie in einem Ritual mit seiner Frau Heloise (so pünktlich wie seine Haushälterin zu bestimmten Tageszeiten den Barwagen für die Drinks in den Salon schiebt). Tom Ripley steht gewissermaßen noch vor dem Gesetz – im Sinne von: außerhalb – und damit vor jeglicher Überschreitung (zu diesen gleichsam engelhaften Merkmalen passt übrigens die Engelsgesichtigkeit des jungen Alain Delon in der ersten Ripley-Verfilmung Plein Soleil (1959, René Clément). Er empfindet weder Schuld noch Reue, und für diese mangelnde Integration in die symbolische Ordnung muss er der Leidenschaft entbehren. „Er ist der ultimative Psychotiker, das beste Exempel für das, was Jacques Lacan vor Augen hatte, als er die Normalität als spezielle Form der Psychose bezeichnete – eine Form, nicht traumatisch im symbolischen Spinnennetz gefangen zu sein und die ‚Freiheit‘ von der symbolischen Ordnung zu behalten.“ (Žižek, 2000) Minghellas Film habe, indem er seinen Helden in einen Bereich psychologischer Verständlichkeit geholt hat, die Wahrheit über das „postmoderne Subjekt“ verwischt, als dessen ideale Verkörperung die Figur Tom Ripley gelten könnte.

Alain Delon und Marie Laforêt in „Plein“ soleil“, 1960. Regie: René Clément

„Irgendwie tropfen seine Morde an ihm ab wie Wasser an einer Ente“, erklärte Highsmith Mitte der siebziger Jahre, als sie eine Autostunde von Paris entfernt lebte, am Rand des Waldes von Fontainebleau, wo sie auch den Helden ihrer Romane wohnen ließ. „Natürlich ist der Durchschnittsmensch nicht fähig zu töten, aber für mich laufen das Bewusstsein der Schuld und das Nichtempfinden von Schuld auf dasselbe hinaus.“ Highsmiths Romane erinnern an die verschiedenen Kränkungen und Entmachtungen, die das Ich im Lauf der Geschichte erfahren musste, und schreiben sie jenseits des Sinns für Moral und Gesetz konsequent fort. „Ripley Under Water“ (1992), Highsmiths letzter Ripley-Roman, lässt seinen Helden frei und ungestraft, in Plein Soleil musste Regisseur René Clément im Gegensatz zur Vorlage und um die Erwartungen nicht zu schockieren, seinen Helden schließlich in einem dazugesetzten, moralisch korrekten Ende in eine Falle gehen lassen, als im Schlepptau von Greenleafs Yacht der Leichnam des Ermordeten (Maurice Ronet) an Land gezogen wird. Die Autorin war überaus zufrieden mit der Besetzung mit Alain Delon, seiner Version der Ripley-Figur, die den findigen, über jeden Skrupel erhabenen Mörder in ihren Folgeromanen vorzeichnete. Bald begleitet der Zuschauer das methodische Vorgehen des Helden (etwa im erlernten Nachahmen der Handschrift Dickies) wie ein Komplize und folgt seiner geduldigen Einübung in den Identitätswechsel.

Farley Granger und Robert Walker in „Strangers on a Train“, 1951. Regie: Alfred Hitchcock

Unverhüllter Wahn

Auch Alfred Hitchcock, dem Highsmith im Alter von 29 Jahren ihren ersten Kriminalroman „Strangers on a Train“ (1950) verkaufte, konnte die mörderischen Konspirateure nach ihrem perfekten, weil motivlosen Verbrechen nicht ungeschoren davonkommen lassen. Hitchcock betonte, dass er diese „Geschichte eines ausgetauschten Mordes“ (François Truffaut) selbst ausgesucht habe: Im einem Zug stellt sich dem Tennis-Champion Guy (Farley Granger) ein Fan namens Bruno (Robert Walker) vor, der ihm ohne Umschweife den Vorschlag macht, jeder von ihnen solle für den anderen einen Mord begehen – „We swap murders. Your wife. My father. Criss-cross.“ Bruno würde Guys Frau, die mit der Scheidung Probleme macht, aus der Welt schaffen, wofür Guy Brunos strengen Vater umbringen solle. Obwohl Guy ablehnt, geht Bruno mit seinem Teil in Vorleistung: In einem Vergnügungspark erwürgt er die unsympathisch charakterisierte Frau, wobei die Mordszene etwas von einer perversen Liebesszene hat. Da Guy als Nutznießer der Tat kein Alibi besitzt, wird er von der Polizei beschattet. Wie auf seifigen Brettern, ohne Halt, treibt man einem Abgrund entgegen. Bruno, der erwartet, dass Guy seinen Part des Plans erfüllt, sieht sich von ihm getäuscht und will ein Feuerzeug des Tennis-Champions an den Tatort legen, um die Schuld auf ihn zu lenken. Um das zu verhindern, muss dieser ein Tennismatch in fünf Sätzen gewinnen: In der „Narrow escape“-Szene verliert Bruno das vermeintliche Corpus Delicti  durch ein Abflussgitter und wird zuletzt von einem überdrehten Karussell, das aus der Achse trudelt, erdrückt. Ohne Zweifel ist Bruno, der Erfinder dieses Verbrechens, als Mann von unverhülltem Wahn die stärkere, dunklere Figur – Guy weicht ihr aus wie der Verkörperung eigener Schuld, einer Personifizierung des eigenen unbewussten Mordgedankens.

Isabelle Huppert and Jean-Louis Trintignant in „Eaux profondes“, 1981. Regie: Michel Deville

Der Mörder in uns

Highsmith, die aus ihrem Faible für Katzen und einem speziellen Interesse an Gastropoden, die sie bisweilen in ihrer Handtasche bei sich trug, keinen Hehl machte, beschreibt ihre Beobachtungen des Alltagshandelns ihrer Personen mit dem Blick einer Insektenforscherin auf die Ideen und Obsessionen, die Taten, Ängste und Realitätsverluste ihrer Figuren, denen ohnehin nicht zu helfen ist. Die studierte Zoologin kannte sich im Tierreich aus, über sezierende Betrachtung schleicht sich ein subtiler Horror in ihre Erzählungen („Der Schneckenforscher“, „Der leere Nistkasten“ etc.). Bis auf Ripley, der von seinen kriminellen Aktivitäten ausgezeichnet zu leben versteht, werden Verbrechen in Highsmiths Œuvre „fast nie mit Vorsatz ausgeübt“, so Peter Handke. Taten geschehen bei Highsmith aus Gelegenheit. Suspense, Spannung und Täterjagd sind hier kaum von Interesse. So findet sich denn auch nur eine einzige Story der „Whodunit“-Kategorie bei ihr: „A Game for the Living“ (1958), vielmehr beschreibt sie, etwa in „Deep Water“ die Entwicklung eines Gelegenheitsverbrechers (unter dem Titel Eaux profondes 1981 verfilmt von Michel Deville) – so etwas wie den ‚Mörder in uns‘ -, seine Motive und Reaktionen. Es sind Innenansichten von Menschen, die allmählich in Lagen abdriften, in denen ein Verbrechen als die nächstliegende Lösung erscheint. Highsmith: „Tatsächlich wird ein gewöhnlicher Mensch für mich interessant, sobald er sich seiner Instinkte bewusst wird. Das ist der Motor all meiner Romane.“

Dennis Hopper in „Der amerikanische Freund“, 1977. Regie: Wim Wenders

 Das Erschlaffen der moralischen Spannkraft

„Ripley’s Game“, der dritte Ripley (1974) – auch 2002 von Liliana Cavani mit John Malkovich verfilmt – war für Wim Wenders Ausgangsbasis und Spielmaterial seines Film Der amerikanische Freund (1977), dessen Handlung in einer imaginären Metropole „Hamburgparisnewyork“ (Hans-Christoph Blumenberg) stattfindet, in Labyrinthen eines Godardschen Alphaville, durch die ein Killer flieht, dem die Kamera mit Blick auf die Bildschirme einer unbesetzten Kontrollstation folgt. Kamera-Sinnbilder dieser Art gehören zu den stärksten Momenten des Films. Wenders springt zwischen seinen Schauplätzen, wie man von einem Raum in den anderen geht. Jonathan Zimmermann (Bruno Ganz), Rahmenmacher in Hamburg St. Pauli, leidet an einer unheilbaren Blutkrankheit und weiß nicht, wieviel Zeit ihm noch bleibt. „There’s too much on my mind, / And there is nothing I can do / About it “ (aus dem Album „Face to face“ von The Kinks, 1966) summt er in seiner Werkstatt vor sich hin. Bei einer Bilderauktion, auf der auch Tom Ripley (Dennis Hopper) anwesend ist, tätig in dubiosen Geschäften mit vermeintlich neu aufgetauchten Gemälden eines vorgeblich verstorbenen amerikanischen Malers (gespielt von Regisseur Nicholas Ray), kommt es zu einer abfälligen Bemerkung von Jonathan, der Ripley durchschaut hat. Dieser erfährt von der Erkrankung des introvertierten Handwerkers und konfrontiert ihn mit der Versuchung des großen Geldes. („Das Erschlaffen der moralischen Spannkraft gehört zu den Vorgängen, denen Patricia Highsmith in ihrem Werk meisterhafte Seiten gewidmet hat“ – Paul Ingendaay, Co-Herausgeber der Werkausgabe – Zürich: Diogenes, 2002 ff.) Dem „amerikanischen Freund“ Ripley, der mit Cowboyhut im Hamburger Kiez auftaucht („What’s wrong with a cowboy in Hamburg?“), fehlen Eigenschaften, die er – im Roman ein Liebhaber europäischen Kunsthandwerks – womöglich an Jonathan bewundert: Geschichte und Rückhalt, die Gewissheit des eigenen Könnens und die Ausstrahlung in sich ruhender Solidität -, die ihn mit Freundschaft zu dem Deutschen erfüllen.

Das Leben schauen

Gut aufgehoben ist Highsmiths „Der Schrei der Eule“ (EA 1962), zuletzt als internationale Coproduktion (Can/BRD/UK/F 2009) von Jamie Thraves verfilmt, in Claude Chabrols Kino der Blicke, das sich so oft der Erkundung von Voyeurismus, der Machtausübung des Blicks, gewidmet hat. Mitleidlos betrachte er seine Figuren wie gefangene Insekten in einem Glas, befand R.W. Fassbinder. Chabrols Adaption Le cri du hibou (1987) verpflanzt den Roman aus amerikanischer Provinz ins französische Vichy. Ein Mann betrachtet ein Bild; seit Wochen steht Robert (Christophe Malavoye) im Garten eines Häuschens, in dem sich ihm ein trautes Glück darzubieten scheint: Juliette (Mathilda May) und ihr Verlobter (Jacques Penot) hinter den riesigen Fenstern eines Efeu-umrankten Hauses. Ein beruhigendes Bild heimischen Friedens, doch der Schein trügt. Tags darauf geht der Beobachter zu Juliette und offenbart sich.

Sobald der Beobachter zum Objekt wird, geraten die Ereignisse in Unordnung. Das Unvorhersehbare tritt ein: Die Frau verliebt sich in ihren Voyeur, der all ihre Bewegungen aus der Ferne zu kennen scheint. Die plötzliche Nähe mit der Frau seiner Träume jedoch kann er nicht ertragen, seine rätselhafte Zurückhaltung zieht sie in eigene morbide Obsessionen, als sei sie von dem Mangel angesteckt, der zum Voyeurismus geführt hat. So hinterlässt der ordentliche, höfliche Mann schließlich ein Leichenfeld, wo er doch nur dem Leben zuschauen wollte, zuschauend teilnehmen wie im Kino (Bioskop – das Leben schauen –, nannte man den Projektionsapparat der Brüder Skladanowsky aus der Pionierzeit des Films); schuldig wurde er, der Unschuldige, durch seinen Blick.

 

Aktuelle Editionen:
Patricia Highsmith „Ladies“: 16 frühe Stories, verstreut in Schul-, Frauen- bzw. Lifestyle-Magazinen publizierte Texte der jungen Autorin, geschrieben zwischen 1937 und 1949, hier teils weltweite Erstveröffent-lichungen in Buchform, sind im Oktober 2020 beim Züricher Diogenes Verlag erschienen.

Zum 100. Geburtstag von Patricia Highsmith (19. Jänner 2021) legt der Diogenes Verlag sieben ihrer Romane neu auf: Zwei Fremde im Zug / Tiefe Wasser / Ediths Tagebuch / Der Schrei der Eule / Der süße Wahn / Salz und sein Preis / Elsies Lebenslust.

Ausblick:
Der Roman „Deep Water“ wird unter der Regie von Adrian Lyne (u.a. „Fatal Attraction“, „Indecent Proposal“) mit Ben Affleck und Ana de Armas verfilmt; voraussichtlicher Kinostart: November 2021

Alle fünf Ripley-Romane werden als US-TV-Serie (Sender Showtime) produziert. Drehbeginn der ersten Staffel 2020; Regie / Drehbuch: Steven Zaillian

 Die weltweit erstmalige Veröffentlichung von Patricia Highsmiths Diaries / Notebooks ist für Herbst 2021 geplant.

 

| FAQ 59 | | Text: Jörg Becker | Fotos: Studiocanal
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